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geschrieben 2013 von Manfred Siebenrock (heuberger).
Veröffentlicht: 20.07.2015. Rubrik: Unsortiert


DAS NUTTENFRÜHSTÜCK

Durch viele Jahrhunderte hindurch galt der Große Heuberg als zuverlässiger Hort der öffentlichen unerschütterlichen Sittenstrenge und der moralischen Untadeligkeit. Dies ging sogar so weit, dass sich selbst der frisch gefallene Schnee schämte, dass er nicht noch weißer war, so wie er sich in Oberschwaben früher darüber schämte, dass er nicht schwarz war - dort allerdings aus politischen Gründen. ( Heute geht dieses Spielchen, wie bei den Äpfeln, mit Grün los, wird später Rot, um dann doch wieder im womöglich unvermeidlichen Braun zu enden; das ist zwar zum K…! Aber das ist eine andere Geschichte ).
So verwunderte es mich schon sehr, als mir eine Heubergerin unter dem Siegel der Verschwiegenheit und unter Kichern diese Geschichte erzählte:
Es war an einem schönen Sonntagmorgen, als die ganze Familie um den Frühstückstisch herum versammelt war. Der Vater las die Sonntagszeitung, die Mutter stand am Herd und goss gerade kochendes Wasser in den Filter auf der Kaffeekanne, so dass kurz darauf ein herrlicher Duft nach frisch gebrühtem Kaffee durch das ganze Haus zog. Die drei Kinder lärmten und trommelten mit dem Besteck auf ihren Tellern herum, wenn sie nicht gerade ihren Kaba tranken.
Nur die Oma saß aufrecht und stocksteif am Tisch und blickte streng und missbilligend in die Runde. Irgendwie erinnerte sie an die Erzherzogin Sophie mit deren edler Griesgrämigkeit, gepaart mit Missmut - Sissis Schwiegermutter, aus den bekannten Filmen, die uns so sehr das Herz erwärmen. (Vielleicht deshalb, weil uns alle die anderen großen Vorbilder mehr oder weniger verdächtig geworden sind, durch ihre Eigenheiten, die sich so schlecht den Maßen und Vorgaben unserer selbstverordneten Vorstellung von vollkommener
Korrektnis anpressen lassen wollen). - In der Hinsicht war Erzherzogin Sophie, das "Sopherl", wie ihr angeblich leicht vertrottelter Gatte sie zärtlich nannte, wahrhaftig unbefleckt.
Als der Kaffee fertig war, setzte sich schließlich auch die Mutter an den Tisch, schenkte allen ein und freute sich auf einen gemütlichen Sonntagmorgen vor dem üblichen Kirchgang.
Sämtliche Zutaten für ein opulentes Frühstück standen auf dem Tisch: Frische Brötchen ( hier: Wecken ), weichgekochte Eier, Schinken, Butter, Käse, Marmelade ( im Schwäbischen "G´sälz" genannt), Vitaminsaft. - Herz, was begehrst du mehr? - Man nannte das damals noch "holländisches Frühstück". Inzwischen sagen wir dazu "deutsches Frühstück" und glauben auch im Ernst daran, dass wir es erfunden hätten.
Es hätte alles so schön sein können.
Aber da bemerkte der Ältere der beiden Jungen, Karl-Anton, genannt "Bubi", dass etwas Wichtiges fehlte. Es war seine geliebte Nuss-Nougatcreme, die er vermisste. Und die forderte er jetzt auch unüberhörbar ein. Pech nur, dass er noch zu klein war, um den Markennamen ( "Nutella" ) aussprechen zu können, ja mehr noch: er konnte auch noch kein korrektes "s" sprechen, sondern ersetzte es daher durch "t" oder "d". Und so schrie er aus Leibeskräften, und trommelte auf seinem Tellerchen den Rhythmus dazu: " I WILL NUTTA … I WILL NUTTA … " ( Ich will Nussen = Nüsse ). Der Bubi verlangte also nach seinen "Nutta".
Sein jüngerer Bruder und die kleine Schwester stimmten mit ein und skandierten auch mit voller Lautstärke: " I WILL NUTTA … I WILL NUTTA … "
Da verschluckte sich die Mutter und machte große Augen. Der Vater verbarg sein Grinsen hinter der Zeitung.
Allein die Oma litt Höllenqualen. Hatte sie doch immer nach artigem Auftreten und gesittetem Benehmen getrachtet und gestrebt, UND NUN DAS ! Wäre sie eine Höhere Tochter aus der Stadt gewesen, so hätte sich ihre gepeinigte Seele mit einem laut und deutlich vernehmbaren " HORRIBLE " Luft verschaffen können, aber so musste sie Empörung, Entsetzen und Enttäuschung mangels passender Französischkenntnisse einfach nur hinunterschlucken.
Nebenher ging der Radau weiter: " I WILL NUTTA … I WILL NUTTA!" Die Mutter versuchte es mit dem beschwichtigenden Einwurf: " Mr hond kois do, abr dafir schdohd do a saumäßig guats Aiberlesg´sälz " ( = " Wir haben das nicht da, aber dafür steht hier eine gar köstliche Erdbeerkonfitüre." ) - Aber nichts da! " I WILL NUTTA … I WILL NUTTA ! …" wurde weiter geschrien und getrommelt. Es hörte sich an wie im Hühnerstall, wenn der Fuchs kommt.
Inzwischen erzitterte das ganze Haus unter dem Dröhnen der vereinten Schreie wilder und unstillbarer kindlicher Begierden, samt passendem Getrommel, das die Dringlichkeit unterstrich: " I WILL NUTTA … I WILL NUTTA ! … "
Die Oma malte sich im Geiste das Schreckensbild aus, das ganze Dorf stünde, sonntäglich gekleidet, auf dem Weg zum Gottesdienst, unten vor dem Küchenfenster, und müsste sich diesen Höllenlärm anhören. Denn ohne Unterlass ging es weiter: " I WILL NUTTA … I WILL NUTTA ! …" O welche Verderbnis!
Da zog die Oma denn in höchster Not dem Vater die Zeitung vor dem Gesicht weg und sagte zu ihm, mit waidwundem Blick und bebender Stimme: " Etz sag du doch au amol äbbes! " ( Hochdeutsch in etwa: "Jetzt sprich doch du einmal ein Machtwort! " ) Was konnte er da schon tun? Also schlug er mit der flachen Hand auf den Tisch und donnerte: " Also, etzat gebet dem Bua halt endlich amol seine Nutta, suschd geit der da ganza Dag lang koi Ruah! " ("Also, jetzt gebt dem Buben doch endlich mal seine "Nutten", sonst gibt der den ganzen Tag lang keine Ruhe!")
Die Mutter schlug die Hände vor ihr Gesicht und rang nach Luft - vor lauter Lachen.
Den Kindern blieb das Geschrei im Halse stecken, selbst das Getrommle hörte schlagartig auf.
Allein der Oma gab dies den Rest: Vor Schreck fiel ihr die Tasse aus der Hand ob derart fürchterlicher Vulgarität, und sie erhob sich und rauschte hoheitsvoll hinaus, um den Rest des Tages schmollend auf ihrem Zimmer zu verbringen.
Nach längerem Suchen fand sich hinten im Kühlschrank noch ein angebrochenes Glas mit jener Nuss-Nougatcreme, über das sich der Karl-Anton denn auch sofort hermachte.
Und so wurde der Bubi wieder ganz brav und artig, hatte er nun ja doch noch, um im Bilde zu bleiben, den Gegenstand seines unbändigen Verlangens, seine "Nutta", vernascht und war jetzt voll und ganz befriedigt.
Dem Vernehmen nach wurde es noch ein gemütlicher und beschaulicher, ja geradezu fröhlicher Sonntagmorgen.
………………………………………
Nachtrag: Der kleinen Tochter wurde später in der Schule, im Religionsunterricht, die Aufklärung zuteil über die Entstehung und Geburt der Kinder.
So kam sie denn ganz aufgeregt nach dem Unterricht nach Hause: "Schdell dir vor, Mamma, heit hot ons dr Pfarrer verzellt, wo dia gloine Kendla herkommat. - OND DES HOND IHR SCHO VIERMOL DAO ! Ja, schemmed ihr eib denn gar itta? PFUI ! " - („Stell dir vor, Mama, heute hat uns der Herr Pfarrer erzählt, wo die kleinen Kinder herkommen. – UND DAS HABT IHR SCHON VIERMAL GETAN ! Ja, schämt ihr euch denn gar nicht?!) . „ PFUI“ (Das müsst Ihr Euch schon selber verhochdeutschen!)
Das ist doch wohl ein dringender Hinweis daraufhin, dass man sexuelle Aufklärung - immer vorausgesetzt, die lieben Kleinen haben das doch noch nicht selber herausgefunden, sei es durch heimliches Schmökern in den versteckten Beständen des elterlichen Bücherschranks, sei´s durch eigenes Herumprobieren - doch besser Erfahreneren und daher auch Berufeneren, aber keinesfalls nur den Religiösen allein, überlassen sollte!

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von ehemaliges Mitglied am 02.08.2015:

hahahahahaahah ich lach mich unterm Tisch!" Wie biste denn darauf gekommen?" Ich dachte was ist den hier los erst ,die GESCHICHTE :,, Mann ohne Schwanz!" und dann dein Nutten:))))))))))) Ich fand sie herrlich komischhhhhhhhhhhhhhh und die Oma,das war bestimmt ich;)

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