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geschrieben 2001 von Andreas Mettler (Metti).
Veröffentlicht: 01.03.2014. Rubrik: Total Verrücktes


Der Krieg

Der Krieg

Rudolf Scharping öffnete mir die Beifahrertüre. "Nun machen Sie schon!"
   Ich seufzte. "Eigentlich wäre ich schon lieber im Panzer mitgefahren."
   "Hehe", machte Scharping. "Das kann ich mir vorstellen. Aber Sie sind mein Kriegsgefangener. Und deshalb darf ich heute entscheiden, wo Sie mitfahren."
   "Nagut", sagte ich missmutig und stieg ein.

SatirepatzerSatirepatzerScharpings Mundgeruch war mir etwas unangenehm. Aber weil er so höflich zu mir gewesen war, sprach ich ihn nicht darauf an.
   "Wenn man erst mal drinsitzt, merkt man gar nicht mehr, wie klein das Auto ist", sagte ich.
   "Genau", stimmte Scharping zu. "Ich habe mich schon richtig daran gewöhnt. Und bin dem Hans Eichel auch gar nicht mehr böse."
   "Ja, ich finde es auch ganz toll wie der sparen kann. Und die Bundeswehr ist ja wirklich nicht so wichtig."
   "Nana", sagte Scharping entrüstet. "Das höre ich also überhaupt nicht gerne. Die ist schon ganz wichtig. Das haben wir doch heute erst wieder gesehen."
   "Och", widersprach ich. "Sie haben doch nur einen einzigen Panzer gebraucht, um mich zu überwältigen. Wenn das die Zukunft der Bundeswehr ist, dann könnte man sie getrost noch ein paar mal verkleinern."
   "Stimmt eigentlich", räumte Scharping ein. Er konnte ein leises Schmunzeln kaum unterdrücken. "Aber genug davon. Jetzt geht es auf die Autobahn, da werde ich Ihnen mal zeigen, was so ein Smart so alles drauf hat."
   Das Auto beschleunigte. "Da staune ich aber nicht schlecht. 150! Viel mehr schaffe ich mit meinem Ford Ka auch nicht."
   "Sehen Sie", sagte Scharping nicht ohne Stolz.
   "Aber ich kann drei Freunde auf einmal mitnehmen und Sie können das nicht", spottete ich.
   "Haben Sie überhaupt so viele Freunde?" fragte Scharping.
   Ich fühlte mich ein wenig gekränkt über diese gemeine Frage und gab keine Antwort. "Sie haben fürchterlichen Mundgeruch", sagte ich stattdessen.

Scharping stellte die Olympia Schreibmaschine auf seinen Schreibtisch. "Aber bevor wir anfangen, mache ich uns erstmal einen Kaffee."
   Ich schüttelte den Kopf. "Aber ich mag doch gar keinen Kaffee. Haben Sie auch Cola?"
   Scharping kniff scharf die Augen zusammen. "Leider nicht. Aber wie wäre es mit einem kalten Zitronentee."
   "Au toll", rief ich. Den trinke ich immer morgens beim Frühstück zusammen mit einer Vitamintablette."
"Das hört sich sehr gesund an", hörte ich Scharping aus der Küche rufen.
   "Ja. Denn wissen Sie, da sind sogar Mineralstoffe und Spurenelemente drin."
   "Menschenskinderaberauch, Sie leben aber gesund."
   Ich stand auf und ging ebenfalls in die Küche. "Haha. Das ist noch gar nicht alles. Abends nehme ich sogar noch eine Langzeit Vitamin-C Tablette."
   "Hä?" fragte Scharping während er das Glas mit Wasser füllte.
   "Das kennen Sie wohl noch nicht, was?" fragte ich ein bisschen altklug. "Also passen Sie mal auf: Überschüssiges Vitamin-C wird vom Körper sehr schnell wieder abgebaut. Mit einer Langzeit Vitamin-C Tablette wird dem Körper stündlich eine kleine Menge Vitamin-C verabreicht, so daß man den ganzen Tag Vitamin-C im Körper hat."
   "Aha. Nützt das was? Und ist das nicht irgendwie sehr gefährlich?" Scharping füllte das zweite Glas.
   "Keine Ahnung. Ich bin sowieso dauernd erkältet."
   "Nun" Scharping kratzte sich am Bart. "Vielleicht wären Sie noch häufiger erkältet ohne die ganzen Vitamintabletten."
   "Das denke ich auch. Da sollte man kein Risiko eingehen und nicht aufhören sie zu nehmen."
   "Wahrscheinlich haben Sie recht. Nehmen Sie die Zitronenteebüchse und die Teelöffel? Ich habe jetzt die Hände voll mit den beiden Gläsern."
   "Na klar", sagte ich freundschaftlich. Es war sinnvoll, Scharping diesen Gefallen zu erfüllen. Es konnte sich auf meine Kriegsgefangenschaft nur positiv auswirken.

Scharping setze sich an die Schreibmaschine. "Hm", machte er nachdenklich. "Heute Abend hätten Sie gar keine Langzeit Vitamin-C Tablette nehmen können. Sie haben doch gar kein Wasser gehabt in Ihrer Hütte."
   "Stimmt", antwortete ich. "Aber damit hatte ich schon gerechnet und so habe ich heute vormittag schon eine geschluckt."
   Scharping spannte ein Blatt ein. "Raffiniert."
   "Und irgendwann hätte ich auch das Wasserproblem gelöst gehabt."
   "Sicherlich. Aber das Problem hat sich für heute abend ja erstmal erledigt."
   "Genau." Ich holte das Päckchen mit den Vitamintabletten aus der Tasche und steckte mir eine in den Mund. Ich rührte den Zitronentee nocheinmal kräftig um und nahm darauf hin ein paar große Schluck. Ich brauchte nicht lange und hatte die Vitamintablette geschluckt.
   "Gut haben Sie das gemacht", lobte mich Scharping.
   "Dafür ist jetzt aber schon das halbe Glas leer."
   "Wir können ja nachher nochmal in die Küche gehen und die Gläser auffüllen. Das geht ganz einfach, wenn man fließend Wasser hat."
   Scharping war ein netter Mensch, aber solche Bemerkungen fand ich gemein. Zur Strafe trank ich das Glas ganz schnell auf, so daß Scharping schon gleich wieder in die Küche laufen mußte, um mir ein neues zu holen.

Scharping setzte sich wieder an die Schreibmaschine und tippte das Datum ein. "Die Ernährung wäre sicherlich auch ein Problem geworden für Sie".
   "Gar nicht", widersprach ich. "Ich hatte mir doch das Huhn gekauft. Da hätte ich jeden Morgen ein Ei gehabt."
   Scharping guckte skeptisch. "Also das wäre mir zu wenig."
   "Und außerdem wollte ich mir ja noch eine Kuh zulegen. Dann hätte ich auch immer Milch und Fleisch gehabt."
   "Aha", sagte Scharping beeindruckt. "Ich gebe zu, Sie haben an fast alles gedacht. Aber eben nur fast."
   Ich senkte meinen Blick. "Ja, ich weiß."
   "Sie konnten doch nicht erwarten, daß sich der Deutsche Staat sowas gefallen lassen könnte."
   Ich fühlte mich von Scharping verspottet. "Ich habs halt versucht. Und das mit der Bundeswehr war sowieso gemein von Ihnen."
   "Also ich würde sagen, das mit der Unabhängigkeitserklärung war wiederum richtig dumm von Ihnen." setzte er seinem Spott hinzu.
   Jetzt war es mit der Freundschaft vorbei. Hektisch trank ich das zweite Glas Zitronentee aus und hob den Zeigefinger. "Wissen Sie eigentlich, daß Sie mit meiner Gefangennahme fürchterlichen Ärger bekommen werden?"
   Scharping stellte erschrocken sein Glas auf den Tisch. "Nein, ähem, wieso?"
   "Weil ich..." Um die Antwort ringend, schnippelte ich nervös mit den Fingern. "Weil ich der Nato beigetreten bin!"
   "Verdammt!" Scharping schüttelte irritiert den Bart und faltete seine Hände. "Das würde ja bedeuten..."
   "Ja genau", unterstützte ich ihn, ohne zu wissen, was er sagen wollte.
   "Das würde bedeuten, daß sich zwei Nato-Staaten gegenseitig bekämpften. Wem sollte die Nato da zu Hilfe kommen?"
   "Nun, Deutschland würde wohl nicht besonders gut dastehen. Deutschland hat doch angegriffen und das ohne Mandat von der Uno."
   "Verdammt." Scharping rieb sich die Augen.
   "Und noch eines fällt mir ein: Deutschland darf doch gar keinen Angriffskrieg führen."
   "Oh Nein!" Scharping ließ die Hände auf den Tisch fallen. "Ich hör schon wieder den Gysi schimpfen."
   "Na eben", sagte ich stolz.
   "Also so hatte ich mir das überhaupt nicht vorgestellt. Jetzt brauche ich einen Kaffee. Möchten Sie auch einen?"
"Bringen Sie mir lieber noch einen Zitronentee", antwortete ich und drückte Scharping mein Glas in die Hand.

"Hoffentlich kommt er bald." Scharping trippelte nervös mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
   "Wenn Sie nicht so viel Kaffee getrunken hätten, dann wären Sie jetzt auch nicht so nervös", sagte ich barsch.
   "Jaja, ich weiß. Heute habe ich wieder mal nur Mist gebaut."
   "Sie sind der geborene Verlierer."
   "Ich weiß, ich weiß", antwortete Scharping verzweifelt.
   Die Türglocke läutete.
   "Das ist er!" Scharping sprang auf und rannte hektisch zur Tür.

"Na Scharping, so schnell heute. Das kennt man ja gar nicht von dir", sagte Gerhard Schröder.
   "Hallo Gerhard", sagte ich.
   "Hallo Andreas, weißt du noch, wie damals..."
   Scharping unterbrach ihn. "Herr Schröder, entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber wir haben hier ernsthafte Probleme und keine Zeit für Ihre Anekdote mit dem Zaun am Kanzleramt."
   "Weißt du noch," setzte er fort, Scharping keines Blickes würdigend. "Wie wir beide damals mit David Bowie die Welt gerettet haben. Na ich sag dir, das war noch was."
   "Jawohl", antwortete ich meinen Zitronentee schlürfend. "Sag mal Gerhard, willst du auch ein Glas?"

Scharping brachte drei neue Gläser.
   "Na da hast du mal wieder was ziemlich Dummes angestellt heute, Rudolf."
   Scharping seufzte verzweifelt. "Ja, Herr Schröder. Ich hab einen Fehler gemacht und ich versprech, sowas nie wieder zu tun."
   "Nun, du kennst ja unsere Abmachung. Dann weißt du auch, was das für Deinen Verteidigungsetat bedeutet."
   "Ja, Herr Schröder. Da lässt sich sicherlich noch was Einsparen."
   "Eben. Aber sach mal, Andreas. Krieg ich auch eine von Deinen Vitamintabletten?"
   "Sicherlich. Ich habe hier eine mit Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen und eine Langzeit Vitamintablette. Welche möchtest du denn haben?"
   "Weißt du was? Ich nehm jetzt mal nen ordentlichen Schluck und nehm sie beide auf einmal."
   Das tat er auch. "Boh", staunte ich mit Scharping wie aus einem Mund.

"Nun, der Anerkennung Deines Staates steht eigentlich nichts im Wege", sagte Schröder.
   "Da bin ich aber beruhigt."
   "Du kannst dich auf mich verlassen. Ich werde mich dann wohl auch mal für die Anerkennung Deiner Lego-Taler stark machen. Oder willst du gleich beim Euro dabeisein?"
   "Ach, das muß nicht unbedingt sein..."
   Schröder schmunzelte. "Stimmt, laß das erstmal. Wie sieht es denn mit dem Export aus, kannst du schon was anbieten?"
   "Ich werde mir bald eine Kuh kaufen und dann hätte ich Fleisch."
   "Verdammt! Rindfleisch aus einem Land, das noch keinen BSE-Fall hatte. Ich sach dir, da werden wir hier wohl so einiges importieren."
   "Vielleicht könnte ich dafür Wasser und Vitamintabletten importieren."
   "Na das issen Wort! Komm, ich fahr dich jetzt nach Hause und dann lädst du mich zu nem Salat ein."
   "Gerne. Ich war noch extra im Pennymarkt, bevor ich die Unabhängigkeit erklärt habe."
   "Aber ich will diesmal nicht wieder aus der Salatschüssel essen."
   "Kein Problem. Ich habe mir vor einiger Zeit zwei neue Teller gekauft."
   "Na dann los."

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Titelbild: robert1029 / pixabay.com (public domain)

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