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geschrieben 2019 von Naduschka B. (Naduschka).
Veröffentlicht: 28.01.2020. Rubrik: Persönliches


Gewitterwolke

Als die Dunkelheit einbrach und sich seine weiche Hand auf meinem Knie niederlegte, war die Nacht noch friedlich. Alles schien richtig und seinen geplanten weg zu gehen. Der Regen prasselte gezielt, doch mit monotonem Klang auf die Scheiben des Autos herab. Die Klänge des Radios vermischt mit seinem gleichmäßigen Atem, ließen meine Augenlieder schwerer werden. Doch ich wollte noch nicht in die Welt der Träume gleiten. Ein kleines bisschen wollte ich noch hier sein und die Ruhe genießen. Die Ruhe die nicht lange anhalten sollte. Die Art von Ruhe, die sich kurz vor einem tosenden Sturm ausbreitete und erahnen ließ was als nächstes passieren würde.
Es waren nur Momente, Sekunden vor dem großen Knall, als mir die Furcht durch die Adern schoss. Ein Teil von mir wollte das beschützende Auto nicht verlassen. Dieser Teil wollte in der Blase des Friedens zurückbleiben und den Schein wahren. Doch ein anderer wollte wissen was nun kommt. Welcher Sturm würde auf mich zukommen, mich erfassen und erbarmungslos mit sich reißen? Ich war nur einen Schritt davon entfernt mich meinem Schicksal zu stellen. Einen Handgriff davon entfernt erneut gebrochen zu werden.
So verließ ich schweren Herzens meine kleine Blase und öffnete die Wagentür. Es gab kein zurück mehr für mich, kein zögern, kein kneifen. Ich wollte den Sturm ausstehen und meine Kraft daraus ziehen. Nicht ahnend, dass genau diese Kraft am Ende nutzlos gegen seine wäre, setzte ich meine Schritte fort und betrat die Wohnung, die eins ein Zufluchtsort war und nun zu meiner persönlichen Hölle mutieren würde.
Kaum über die Türschwelle getreten, begann sich seine wütende Stimme zu erheben. Anklagend und vorwurfsvoll machte er seiner Verzweiflung Luft. Ich hörte seine Worte, doch sie drangen nicht zu mir durch. Zu oft schon stritten wir über dieses eine Thema. Ich wusste ich müsste etwas dazu sagen, um mich zu verteidigen, doch jeder Wiederstand war zwecklos. Verständnis konnte ich keines erwarten, also ließ ich die Anklage über mich ergehen und machte ihm mit meiner Körpersprache zu verstehen, dass ich verstand was er mir sagen wolle und ich klein beigebe.
Da war sie wieder, die friedliche Ruhe. Ein kleines „sorry“ und sie war wiederhergestellt. Wie von alleine bewegten sich meine Füße weiter in die Wohnung hinein. Schon im Glauben, dass der Abend ab diesem Moment wie gewohnt verlaufen würde, begab ich mich ins Schlafzimmer und wechselte meine Kleidung. Ich war bereit diesen Tag zu beenden und in die Welt der Träume zu flüchten. Dort wo ich meinen Gefühlen freien Lauf gewähren konnte. Dort wo ich trauern konnte. Ganz alleine für mich.
Von seinen Schritten verfolgt, bahnte sich ein ungutes Gefühl in meinen Magen. Das war es noch nicht gewesen. Er würde sich nicht mit meiner Entschuldigung abspeisen lassen. Und so erhob sich erneut seine Stimme. Lauter als je einen Abend zuvor. So laut, dass sie meinen Schädel zum pochen brachte. Erneut flogen die Vorwürfe auf mich zu. Versucht sie abzuwehren verbot man mir meine Stimme. Ich hatte nichts zu sagen, durfte mich nicht erklären. Ich sollte zuhören und verstehen wie Falsch ich alles machte. Ich sollte mir anhören was ich zu tun hatte und wer ich in seinen Augen sein sollte.
Ich dachte ich wäre für alles was auf mich zukommen würde gewappnet gewesen. Erst als seine Faust das erste Mal auf mich traf, wusste ich das die Situation dabei war aus der Kontrolle zu geraten. Ein zweiter Schlag traf meine Schulter und wie gelähmt versuchte ich mich zu wehren. Schlag drei und vier trafen so hart, dass ich die Gefäße unter meiner Haut platzen spürte. Hysterisch fing ich an nun auch meine Stimme zu erheben. Sie überragte ihn um ein zehnfaches und wurde von Schluchzern begleitet. Tränen zierten nach und nach mein Gesicht, flossen erbarmungslos meine Wangen hinab und befeuchteten meinen Pullover. Ein weiterer Schlag sollte folgen, doch ich schaffte es ihn mit meinem Schienbein abzuwehren. Der Schmerz zerrte an mir. Meine Gedanken waren benebelt, meine Augen sahen verschwommen. Ich wollte flüchten als er sich auf mich legte. Er wolle doch nur, dass ich ihn liebte und nicht diesen bescheuerten anderen Typen. Ich solle doch nur an ihn denken und mit ihm endlich einmal das Bett teilen. Erdrückt von seinem Gewicht fing ich an zu betteln. Wissend, dass meine Worte ihn niemals erreichen würden, wollte ich mich geschlagen geben. Ich wollte akzeptieren, dass er die Macht über mich hatte und ich keine Chance haben würde aus der Situation entfliehen zu können.
Als mir meine Kleidung vom Leib gerissen wurde, schaute ich nur dabei zu. Die Tränen waren versiegelt. Ich wusste was nun käme. In Gedanken erinnerte ich mich an den Tag, an dem ich zum ersten mal dieses vertraute Gewicht auf meiner Brust spürte, wie ich zum ersten mal meiner Würde beraubt wurde. Er entledigte sich seiner Hose ohne mich dabei aus den Augen zu lassen. Bewegungslos spürte ich, wie er immer tiefer in mich eindrang. Es brauchte nur wenige, aber heftige Stöße, bis er zum Ende kam. Beschämt drehte ich mich weg und schaute aus dem kleinen Fenster. Das Gewicht auf meiner Brust wurde noch etwas schwerer als er sich aus mir herauszog und auf mir niederlegte. Erst nach einer Weile drehte er sich leicht weg und versuchte mich anzuschauen. Schweren Herzens blickte ich in die Augen des Menschen, der mir einen Teil meiner Seele genommen hatte.
Die Enttäuschung über meine geringe Gegenwehr stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich war nicht die Starke die alle in mir sahen. Ich war nur das bereits gebrochene Mädchen, dass versuchte in einer Welt zu überleben, die mir erneut beweisen würde, dass sie nicht lebenswert war.
In einer Sekunde seines Zögerns, entwand ich mich seinem Griff und stürmte zu meinen Taschen. Notdürftig schmiss ich alles was mir in die Hand viel in die Handtasche. Er war so verblüfft über mein Verhalten, dass in seinem Gehirn ein Schalter umgelegt wurde. Nun war er derjenige der bettelte. Ich solle doch Vergebung walten lassen. Vergebung? Mich beherrschte nur die reine Angst. Hecktisch zog ich mir eine Hose über und das erst beste Shirt, das ich auf dem Boden fand. Ich spürte wie meine Oberschenkel feucht wurden und sein Saft meine Beine entlang lief. Gleichgültig hastete ich in den Flur um mir Schuhe anzuziehen, als er mich erreichte. Immer wieder versuchte er nach mir zu greifen, mich an ihn zu ziehen. Er liebte mich doch und das wäre doch alles nur spaß gewesen. Ich könnte doch niemals leugnen, dass es mir kein Spaß gemacht hätte. Mein Gehirn war so überfordert, mit all den Geschehnissen des Abends, dass ich noch gar nicht realisieren konnte, was er mir angetan hatte. Erneut kam er auf mich zu und mein Mund schrie er solle mich nicht berühren, mir nicht zu nahekommen als ich Richtung Ausgang eilte. Ich wurde geleitet von der Panik die sich in jeder Faser meines Körpers ausbreitete. Kurz spürte ich die Übelkeit in mir aufsteigen. Eine Mischung aus Verzweiflung, Angst und dem Alkohol den ich nicht zum ersten Mal genutzt hatte um die Welt um mich zu vergessen. Doch dieses eine Mal hinderte er mich daran einen klaren Gedanken fassen zu können. In den Sekunden meines Zögerns, nutzte er meinen Zustand erneut aus und ich hörte wie der Schlüssel zuerst meine Fluchtmöglichkeit verriegelte und dann das Schloss verließ.
Eingesperrt. Ich war wortwörtlich eingesperrt. In einer Wohnung die immer kleiner zu werden schien. Mit einem Menschen, der sich mit jeder Sekunde mehr in ein Monster verwandelte. Niemand da mich zu retten. Meine Schluchzer übertönten bereits jedes Wort das meinen Mund verlassen wollte. Er solle mich doch bitte einfach gehen lassen. In seinem Gesicht tat sich zuerst nichts. Die Wut beherrschte ihn noch immer, doch mit jedem aufsteigendem Schluchzten, das meinen Körper zum Beben brachte, schwand seine Wut und Erkenntnis machte sich breit. Ihm täte es doch leid. Er habe doch nichts von dem gewollt und ich solle ihn nicht verlassen, wenn er die Tür öffnete. Er wollte kein Monster sein. Eisernen Blickes befahl ich ihm mich gehen zu lassen. Ich würde schon zurückkommen, sobald ich mich beruhigt hätte.
Trauer verdrängte die Erkenntnis in seinem Gesicht und er gab meiner Bitte nach. Mein Fluchtweg öffnete sich und ich verließ zunächst ganz ruhig die Wohnung. Als das Monster in der Türschwelle aus meinem Blickfeld verschwand begannen meine Beine sich schneller zu bewegen. Sie ließen mich die Treppen und dann die Straßen hinunterrennen. Völlig außer Atem, trugen sie mich Kilometer für Kilometer Richtung Bahnhof. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis ich endlich zum stehen kam und meiner Lunge erlaubte sich zu erholen.
Wissend, dass mein Herz, mein Vertrauen und ein erneuter Teil meiner Seele gebrochen wurde, brachte ich meinen Atem zur Ruhe, entschleunigte meinen Herzschlag und trocknete meine Augen. Mit einem Lächeln im Gesicht rief ich den einzigen Menschen an der in meinen Gedanken platz gefunden hatte. Mit seiner Stimme an meinem Ohr fand ich meinen Weg Richtung nach Hause bis er mich endlich einsammelte und beschützend in einer neuen Blase des Friedens in seinem Auto herumfuhr und ich endlich in die Welt der Träume gleiten konnte, begleitet von einer Gewitterwolke die über meinem Kopf über mich herschwebte und sich erneut auftürmte, bereit auch den letzten Teil von mir in Stücke zu zerreißen.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Vanessa Schulze am 06.02.2020:

Ich habe beim Lesen Gänsehaut bekommen. Sehr berührende Ausführung.




geschrieben von ehemaliges Mitglied am 27.03.2020:

Ich hoffe du hast mehr Träume in deiner Seele, als die Wirklichkeit zerstören kann. Traurige Geschichte.

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