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9xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Stephan Heider (Stephan Heider).
Veröffentlicht: 21.03.2024. Rubrik: Nachdenkliches


Guten Appetit

Der Dünnpfiff, der so würdelos aus deinem Rektum sprüht, wie das Blut aus meiner aufgeschlitzten Arterie zuvor im Schlachthof, war einmal ich. Nur eine blöde Kuh, wie es erträglich im Volksmund heißt. Das macht es leichter zu abstrahieren.
Mein Bestes hast du gegessen. Genussvoll verspeist. Ein Stück Filet. Sonst nichts. 250 Gramm. 0.05 Prozent meines Körpers. Der Rest interessierte dich nicht. Es mit Bratkartoffeln, Bohnen und einem Nachtisch von Pflaumenkompott zusammen am nächsten Tag in deine geliebte Schüssel geschissen. Ganz privat. Ein paar belanglose TicToc-Videos geschaut und eine dabei geraucht. Darauf legst du wert. Gekackt wird am liebsten daheim. Heimscheißer. Ganz gemütlich und in Ruhe.
Ich hatte etwas Stress für deinen gepflegten Stuhlgang. Wurde durch halb Europa gekarrt. Kaum Wasser. Mit 30 anderen leckeren Filets, die mir panisch die Beine brachen. Kein Problem, sie zogen mich mit einem Gebelstapler und einem Strick um meine Hufe aus dem Transporter. Nachdem die restlichen Viecher mich niedergetrampelt hatten. Da hatte ich übrigens meinen letzten Stuhlgang. Nicht in Gemütlichkeit. Er ist mir aus Angst und Schmerzen abgegangen. Ich schrie, sie drückten mir einen Elektroschocker in die Weichteile. Ich schrie lauter und sie sie rammten ihn in mein Maul. Die Männer in blutigen Schürzen und Gummistiefeln. Ich glaube, sie hatten kranken Spaß daran, die armen Teufel. Herausstehend drehten sich meine Augen durch den gekachelten Raum. Was ist das für ein Wahnsinn. Dann traf mich ein Schlag am Kopf und ein Messer fuhr durch meinen Hals. So eine Angst hatte ich noch nie. Vertraute euch eigentlich. War zufrieden in meinem Dreck. Ich lebte. Als ich endlich tot war, zerschnitten sie mich in tausend Teile. Mit Sägen und fliegenden Messern. Schnell und routiniert. Damit nächsten Freitag wieder ein günstiges Steak für dich da ist, das du dir verdammt nochmal verdient hast nach einer harten 35-Stunden-Woche im Büro.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von RudiRatlos am 21.03.2024:
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Respekt ..!
Auch wenn diese Tragödie in Satire verpackt ist - zum Schmunzeln ist mir da nicht zumute (als Veggie). Mit reiner Sachlichkeit könnte man es aber nicht besser vermitteln. Vielleicht hoffentlich bleibt da einigen beim Lesen das Steak im Hals stecken ...




geschrieben von rubber sole am 21.03.2024:
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Ja, Stefan, so muss man es auf den Punkt bringen, obwohl zu befürchten ist, dass Zustimmung überwiegend von denen kommt, die ohnehin ähnlich empfinden. Hartgesottene 'Aasfresser' dürften sich vermutlich nur kurz schütteln, um dann wie gewohnt weiterzumachen. Aber dran bleiben, immer schön Salz in die blutige Wunde.
l.g.r.s.




geschrieben von Stephan Heider am 21.03.2024:

Vielen Dank RudiRatlos und rubber sole.
Hier geht es gar nicht darum, jemanden anzuklagen. Jeder Mensch hat selbst zu entscheiden Fleisch zu essen oder nicht. Bewusstsein schärfen liegt näher. Leider gibt es Auswüchse an Grausamkeiten in der Fleischindustrie, an die meine kleine traurige Geschichte nicht einmal heranreicht.

Das gilt natürlich auch für andere Bereiche als nur Ernährung.
Reisen, Individualmobilität, Energie, Kleidung, Luxusartikel. Der Mensch allgemein ist in jeder Hinsicht ein Zeitgenosse, der schnell zu Maßlosigkeit tendiert. Auch wir. Aber die geht immer zu Lasten anderer und die Perspektive der ausgenutzten Individuen, ob Mensch, Tier, Natur ist vielfach völlig unterrepräsentiert in unserer unstillbar gierigen Konsumgesellschaft.




geschrieben von Heiner am 22.03.2024:
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Puuh. Starker Tobak, Stephan. Aber vollkommen richtig. Es soll sich auch schrecklich lesen, denn letztendlich ist es ja auch schrecklich. Ganz auf Fleischverzichten möchte ich auch nicht. Ich war mal eine Zeitlang Flexitarierer. Also sozusagen nur bei Anlässen. Jetzt würde ich es auch als gemässigt bezeichnen. Es fing damit an, dass wir mal eine Ente groß zogen. Danach aßen wir keine Ente mehr. Danach kein Lamm, kein Kaninchen, keine Kuh, usw. Geht auch so ganz prima. Ab und zu mal ne Bratwurst gönnen wir uns aber. Und manchmal etwas Pute.





geschrieben von RudiRatlos am 22.03.2024:
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Heiner, les' ich das richtig ..? Nach der Ente hattet ihr ein Lamm, ein Kaninchen und dann noch ne Kuh ... was habt ihr mit all den Tieren gemacht ..?




geschrieben von Bad Letters am 04.04.2024:
Kommentar gern gelesen.
Wenn man sein Fleisch und Hundefutter selbst großziehen und schlachten müsste Stephan Heider, würde der Fleiverzehr sich drastisch reduzieren, aber so appetitlich in der Metzgerauslage greift man halt gern öfter zu 🫣 Dem Thema angemessen formuliert!

MfG
Bad Letters




geschrieben von Bad Letters am 04.04.2024:

Wenn man sein Fleisch und Hundefutter selbst großziehen und schlachten müsste Stephan Heider, würde der Fleiverzehr sich drastisch reduzieren, aber so appetitlich in der Metzgerauslage greift man halt gern öfter zu 🫣 Dem Thema angemessen formuliert!

MfG
Bad Letters

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