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geschrieben 2019 von lrhns.
Veröffentlicht: 17.05.2019. Rubrik: Unsortiert


Tableau vivant

Im hellen Licht der Sonne stach die mittelalterliche Burgruine besonders zwischen den grünen Reben und dem hellblauen Himmel hervor. Als wäre sie absichtlich strahlend erleuchtet, thronte sie oben auf dem Felssporn über der weiten Ebene und bildete einen Kontrast zu ihrer Umgebung. Von dieser Höhe konnte man über den Kaiserstuhl hinaus bestimmt auch die Vogesen erkennen, die sich am gegenüberliegenden Rand der Ebene befanden. Nach mehreren Wochen voller Regen war dies der erste sonnige Tag im Mai und er sollte den beginnenden Sommer einläuten.

Etwas unterhalb der Burg und der Weinreben begannen endlose Felder, die sich über das ganze Land erstreckten und nur von den Bergen abgeschnitten wurden. Zu dieser Jahreszeit erinnerten sie mit ihren zahlreichen Farben an ein altes Ölgemälde, welches mit einzelnen Wildblumen verschönert worden war. Entlang der Felder reihten sich in einigen Abständen kleine Gräben und hochgewachsene Bäume, die bei diesem Wetter den Bauern Schatten bieten konnten. In der Ferne war eine junge Familie mit ihrem Hund zu erkennen und es hätte an diesem Morgen keinen schöneren Ort für einen Spaziergang gegeben.

Gegenüber der Ruine befand sich seit keltischer Zeit ein kleines Dorf am Fuße der Hügel. Mit seinen wenigen Häusern und dem herausragenden Kirchturm schmiegte es sich an die Felsen und wurde trotz seiner versteckten Lage von der Sonne erleuchtet. In der Nähe des Dorfes waren die Gräser auf den Feldern höher gewachsen und sie wurden von einem leichten Wind hin- und herbewegt. In mitten der sich wiegenden Pflanzen wirkten die Häuser deshalb wie kleine Boote, die von sanften Wellen im Meer umgeben waren.

Durch die ruhige Szenerie der weiten Landschaft schlängelte sich ein Flüsschen, dessen Wasser trotz der Temperaturen in ein kühles Blau getaucht war. Es wurde von einem schmalen Feldweg aus Sand gesäumt, an dessen Ende mehrere Fahrzeuge standen. Einige von ihnen waren rot, andere blau oder gelb, so dass sie beinahe mit der Farbenpracht der Felder und Blumen konkurrierten. Wenn man den Blick senkte, waren am Boden mehrere Männer zu erblicken, welche in diesem Augenblick die letzten menschlichen Spuren auf den Schienen tilgten. Bald würde unser Zug seine Fahrt in Richtung Süden fortsetzen können.

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