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geschrieben 1984 von Jens Richter (Jens Richter).
Veröffentlicht: 03.09.2023. Rubrik: Abenteuerliches


Henry Firegun II

3. Kapitel
Der Postkutschenüberfall

Ich lernte Grauer Wolf in meiner Zeit als Reporter in Kansas City kennen, der damals aufstrebenden Stadt an den zwei Flüssen.
Bei Marshal Knöfler wurde ich des öfteren ins Office eingeladen, wenn Vernehmungen von Tatverdächtigen oder Zeugen anstanden.
Ich war dann als Protokollant tätig.
Der Marshal hatte mit Schreibarbeit nichts am Hut.
Und Johnny, unser Hilfssheriff?
Johnny war lieber in der Stadt unterwegs.
Mit dem Behördenkram konnte man ihn eher vertreiben.
Mir war es recht, denn so hatte ich genügend Schreibstoff, um täglich wenigstens eine Hauptseite meiner Zeitung mit Wort und Schrift zu füllen.
Außerdem erhielt ich für diesen Nebenjob ein ganz passables Nebeneinkommen.
#
Es war ein sommerlicher Tag und die Straßen waren beinahe menschenleer.
Hin und wieder huschte mal ein Kind zwischen den Häusern hindurch oder ein Reiter preschte durch die Hauptstraße.
Unter dem Vordach des Offices saß der Marshal im Schaukelstuhl und wippte im Sekundentakt auf und ab.
Es war gerade Mittagszeit, als die Postkutsche aus Saint Louis vor dem Office stoppte.
Doch im Gegensatz zu sonst, saß auf dem Kutschbock nicht der alte Josep, sondern ein Indianer.
Das erweckte die Aufmerksamkeit des Marshals und der Bürger in Kansas City.
Der Indianer war von großer und zugleich kräftiger Statur und ganz und gar in Leder gekleidet.
Seine Kleidung war reich verziert mit den traditionellen Stickereien des Osagenvolkes.
Der Osage fragte sogleich nach dem Marshal.
Henry trat hervor, "Der bin ich selbst, Marshal Knöfler."
"Ich habe da eine traurige Fuhre im Inneren der Kutsche. Zwei tote Blauröcke und den Kutscher. Ich hatte die Drei draußen einen halben Tagesritt vor der Stadt auf dem alten Postweg aufgelesen."
Er öffnete die Tür der Kutsche, Henry blickte angewidert hinein.
Immer mehr Leute strömten hinzu.
"Haben sie mit der Sache zu tun?"
"Beim großen Geist, nein!"
"Kommen sie mit ins Office. Wir müssen reden."
Johnny trat hinzu, auch er inspizierte die Toten.
Er erkannte sofort, anhand der Einschusslöcher in der Kutsche, dass der Überfall das Werk einer Bande gewesen sein musste.
Der Indianer hatte nur ein Gewehr und die Löcher stammten von Colts.
Der Mann sprach offensichtlich die Wahrheit.
Die Bürger im hinteren Teil der Menge, die von der Sache nichts oder nicht viel mitbekommen hatten, riefen, "Der Indianer hat die Postkutsche überfallen. Hängt ihn."
Grauer Wolf nahm sein Gewehr, "Zurück! Ich habe mit dem Tot der Insassen nichts zu tun. Ich habe die Toten nur in die Stadt gebracht, um den Überfall anzuzeigen."
Die Menge wich anfangs zurück, doch die Hinten stehenden schoben die Vorderen nach vorn und schrien durcheinander, "Mörder, Mörder, hängt ihn!"
Die Situation drohte zu eskalieren.
Johnny, der Hilfssheriff war sichtlich angespannt, zog seinen Revolver und schoss zweimal in die Luft.
Die Menge schreckte zurück.
"Keiner rührt den Mann hier an.", sprach er. "Wir gehen mit ihm zur Vernehmung ins Office. Falls einer von euch anderer Meinung ist, nur zu. Er wird schneller vom Undertaker abgeholt, als ihm lieb sein kann."
Das war deutlich.
Während Johnny das aussprach, führte er den Osagen ins Office.
Im Office setzte er sich auf einen Stuhl und holte erst einmal tief Luft.
"Wer von euch möchte einen Kaffee?", fragte der Marshal.
"Ich!", antwortete Johnny und der Indianer gleichzeitig.
Henry hantierte einen Moment am vorgeheizten Beistellofen.
Er füllte einen Wasserkessel, holte drei Emaillepötte, stellte diese auf den Tisch und sah zu wie der Wasserdampf aus der Öffnung waberte.
Danach füllte er das kochende Wasser in die Pötte und gab je einen gehäuften Teelöffel gemahlenen Kaffee hinzu.
Der kräftige Geruch von Kaffee breitete sich im Office aus.
"So", begann der Marshal, "jetzt erzählen sie uns bitte ausführlich wie sie zu der ungewöhnlichen Fuhre gekommen sind."
"Ich war auf dem Weg von Saint Louis nach Topeka, wo ich einen Treck übernehmen sollte und beabsichtigte vorher einen Zwischenstopp in Kansas City einzulegen. Ich brauche Munition für mein Gewehr, Kautabak und Seife. Diese Artikel wollte ich im Store hier einkaufen.
Ich ritt die Postroute entlang, war auch schon einen halben Tagesritt vor der Stadt, als es dämmerte. Da ich ziemlich müde war, schlug ich etwas abseits von der Straße mein Nachtquartier zwischen Buschwerk auf.
Nachdem ich gegessen hatte, löschte ich die Feuerstelle und hatte mich schlafen gelegen, als ich durch Hufgetrappel, Schreie sowie Schüsse aufwachte.
Den Lärm verursachten sechs, sieben Reiter, die die Postkutsche gewaltsam angehalten hatten.
Ich schlich mich, geschützt vom Buschwerk, näher an die Szenerie heran und musste mit ansehen, wie die Reiter die Insassen im Inneren der Kutsche beschossen.
Der Kutscher lag bereits leblos am Boden.
Nach dieser Attacke durchwühlten sie die Frachtkiste der Kutsche und nahmen den gesamten Inhalt an sich.
Leider Sheriff konnte ich keine Gesichter erkennen. Ich kann mich nur erinnern, dass einer der Reiter von seinen Kumpanen Immanuel Knife genannt wurde. Er ist wohl der Anführer."
"Knife. Immer wieder Knife. Mir wird ganz übel, wenn ich den Namen dieses Schurken schon höre.", stöhnte der Marshal angewidert.
"Erzählen Sie ruhig weiter.", bat Johnny.
"Als sich der wilde Haufen aus dem Staub gemacht hatte, ging ich zur Postkutsche. Der Postkutscher hatte ein Messer im Bauch stecken.
Im Inneren der Kutsche waren zwei weitere Insassen, ein älterer Sergeant und ein junger Capt'n der Blauröcke.
Der Capt'n war ebenfalls tot, nur der Sergeant lebte noch.
Aber ich sah ihm an, dass sein Leben an einem seidenen Faden hing.
Ich bettete den Sergeant in der Kutsche auf der Sitzbank und gab ihm zu trinken.
Er sagte mir, dass die beiden Blauröcke den Sold für ihr Kavallerieregiment, welches nahe bei Kansas City stationiert ist, transportiert hatten.
Kurz bevor der Sergeant verstarb, bat er mich, zu Cornel Jefferson zu gehen, um ihm das Vorgefallene zu berichten.
Am nächsten Tag hatte ich dann die Kutsche nach Kansas City gebracht, direkt vor ihr Office, Marshal."
"Ich glaube ihm, Johnny! Das Messer im Bauch des Kutschers ist Knifes Markenzeichen.", sprach der Marshal, "Trotzdem sollten wir den Tatort besichtigen."
Er sann einen Moment nach.
"Nun gut, wir lassen die Toten zuerst vom Undertaker abholen, dann reite ich zu Cornel Jefferson ins Fort und teile ihm das Vorgefallene mit. Vielleicht gibt er uns einige Männer dazu."
"In Ordnung Boss!", sprach Johnny. "Ich sattle unsere Pferde. Wenn du zurückgekehrt bist, reiten wir los."
"Grauer Wolf kann uns zu der Stelle führen, wo die Postkutsche überfallen wurde. Da geht nicht soviel Zeit ins Land. Es wird bald Regen geben und wir sollten uns noch vorher an die Fersen der Banditen heften."
#
Grauer Wolf und Johnny bereiteten den Ritt vor.
Sie sattelten die Pferde und beluden ein zusätzliches Transportpferd.
Auf Diesem verstauten sie Proviant und einen prall gefüllten Wasserschlauch.
Die Westmänner gingen von einem längeren Ritt aus.
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Ein Trupp von neun Reitern machte sich von Kansas City aus auf den Weg.
Das war der Marshal, unser Hilfssheriff Johnny, Grauer Wolf, eine Patrouille der Kavallerie, bestehend aus einem Sergeant, vier Kavalleristen und einem Scout.
Die Nachricht vom Überfall auf die Postkutsche hatte Cornel Jefferson in Rage versetzt und so stellte er dem Sheriff ohne zu zögern einen kleinen Trupp Aufklärer zur Seite.
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Der Trupp ritt zur Stelle des Überfalls.
Am Tatort fand man die Aussagen des Indianers bestätigt.
Eine Vielzahl der Spuren waren noch verwertbar und so wollte man die Verfolgung der Mörderbande gleich aufnehmen.
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Immanuel Knife hatte so eine Vorahnung, dass der Postkutschenüberfall schlafende Hunde wecken würde.
Er hatte die Army herausgefordert.
Die Kutsche aufzumischen war ein leichtes Spiel, hatte doch der angetrunken Kutscher in Saint Louis ausgeplaudert, dass mit der Kutsche der Sold eines Kavallerieschwadrons nach Kansas City transportiert wird.
Er brauchte mit seinen Leuten nur noch voraus reiten und den Transport an einer günstigen Stelle abfangen.
Er befürchtete, dass die Army mit erhöhter Intensität nach den Tätern suchen würde.
Aus diesem Grund schickte er zwei Männer zurück zum Tatort, um Augen und Ohren offen zu halten.
Für ihn war es immens wichtig, dass ihre Festung, das vergessene Fort Pinkerton unentdeckt blieb.
Die beiden Männer führten den Befehl aus.
Mit Verwunderung mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass die Kutsche sowie die Toten bereits weggebracht worden waren.
Später kam noch ein Reitertrupp an die besagte Stelle des Überfalls.
Der jüngere der beiden Banditen war ein ausgemachter Hitzkopf.
Voller Übermut nahm er sein Gewehr zur Hand und eröffnete unbedacht das Feuer auf den Trupp.
Das war der letzte Fehler seines jungen Lebens.
Aber auch sein Co-Mann hatte keine Chance.
Dem Feuer der Gegner hatten sie nichts entgegen zu setzen.
Getroffen stürzten sie zu Boden
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Henry bat Grauer Wolf, dass er die Pferde der Beiden aufspürt.
Auf diese Tiere wurden die Toten gebunden und mitgeführt.
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Grauer Wolf blickte bedenklich zum Himmel.
"Wir sollten jetzt keine Zeit mehr verschwenden und schleunigst den Spuren der Mörderbande folgen.", meinte er, "Es wird bald einen Wetterumschwung geben."
Der Marshal nickte zustimmend.
"Lasst uns aufsitzen!"
Sie verfolgten die Spuren der Banditen und erreichten nach kurzem Ritt die Stelle, bei der sich die Nachhut von Knifes Mannschaft getrennt hatte.
Zogen aber gleich weiter.
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Der Himmel wurde schwarz, bedeckt mit schweren Gewitterwolken.
Am Horizont zuckten die ersten heftigen Blitze.
Ein orkanartiger Wind blies ihnen entgegen.
"Lasst uns in den Wald dort verziehen. Da sind wir einigermaßen geschützt.", sprach der Sergeant.
Eine dicht bestandene Baumgruppe war rechter Hand von ihnen zu sehen.
"Gut!", Henry stimmte dem Soldaten zu. "Wir reiten weiter, sobald sich der Sturm gelegt hat."
Die Truppe brach die Verfolgung ab und suchte Schutz im Wald.
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Der Regensturm tobte den gesamten Abend und die Nacht hindurch.
Erst mit dem Morgengrauen änderte sich das Wetter.
Die Luft war klar und frisch.
Die Sonne trat ihre tägliche Reise über den Himmel an.
Während die Soldaten und Johnny das Interimscamp abbauten, war Grauer Wolf, Henry und der Armyscout dabei, die Spuren von Immanuel Knifes Bande wieder aufzunehmen.
Aber da war nichts mehr zu finden.
Alles war vom Starkregen weggespült oder verwaschen.
Sie sahen ein, dass es keinen Sinn mehr macht, krampfhaft an der Verfolgungsjagd festzuhalten.
Missmutig brach der Trupp ihre Expedition ab und kehrte unverrichteter Dinge nach Kansas City zurück.
Knife war ihnen ein weiteres Mal entwischt.
"Er muss einen Gönner haben, der ihn immer wieder davon kommen lässt.", resignierte der Marshal. "Aber irgendwann endet seine Glückssträhne, versprochen."
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Tja, was gab es sonst noch zu berichten?
Grauer Wolf und Henry freundeten sich an.
Ihre Freundschaft überdauerte die Zeit.
Cornel Jefferson schickte noch einmal einen Trupp Aufklärer los, die nach Knife Ausschau halten sollten, was ebenso nicht zum gewünschten Erfolg führte.
Man war sich einig, dass es die Zeit mit sich bringen würde, dass Knife seiner gerechten Strafe zugeführt wird.
Dann war es ein reichliches Jahr still in der Region geworden.
Man hörte und sah nichts mehr von Knife und seinen Männern.
Keine Erpressungen, keine Morde und Raubüberfälle und keine Zwietracht unter Indianern und Siedlern mehr.
Der Marshal und Johnny glaubten schon, dass die Bande weiter westlich gezogen war und mit neuer Identität jetzt dort lebt.
In Amerika war alles möglich.
Selbst Henry hatte hier ein neues bürgerliches Leben beginnen können, nachdem er in Deutschland als Aufrührer gebrandmarkt war.
Doch die Freude der Gesetzeshüter wärte nur kurze Zeit.

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