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4xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Stephan Heider.
Veröffentlicht: 20.04.2024. Rubrik: Lustiges


Crossover

Neulich cruiste ich mal wieder bester Laune in meinem treuen verbeulten 96'er Volvo, den ich genau deswegen liebevoll Horst Hrubesch nannte, aus der Stadt nach Hause.

SatirepatzerSatirepatzerDorthin hatte mich ein Flyer mit dem Angebot einer knusprigen Pekingsuppe gelockt, bei dem ich dachte: "Potzblitz, das wäre die erste knusprige Suppe meines Lebens. Als neugieriger Zeitgenosse wollte ich unbedingt wissen, wer so ein Wunderwerk wohl kochen könnte. Obwohl ich die große Chance eines Schreibfehlers bereits ahnte, habe ich an diesem Nachmittag wundervolle neue Menschen kennengelernt und die leckere Pekingsuppe von Hao und Jinjin genossen, die alle Raffinessen bot, nur knusprig war sie nicht. Ansonsten konnte ich den neuen Chinesen durchaus empfehlen.

Ich bog also mit Horst Hrubesch satt und fröhlich pfeifend zu "I'm the great Pretender" in die Zufahrtstrasse unseres prächtigen Dorfes ein, in dem man es gemütlich mochte.
Meine Erfahrung lehrte mich über die Jahre, dass man diese enge Straße am nervenschonensten mit einer großen Portion Rücksichtnahme und einem wohlwollenden verkehrstechnischen Miteinander bewältigen konnte, da hier die Fahrbahn durch einseitig parkende Autos über mindestens hundert Meter auf eine Fahrspur begrenzt wurde.
Das freundliche Anblinken und Vorfahrt geben hatte sich als tägliche Übung, ja sogar Entspannungslektion mit Glücksmoment bei den meisten Anwohnern etabliert und zum beliebten Ritual gemausert. Im Happyend des Geduldens wurde man nämlich mit einem dankbaren Lächeln seines Verkehrs-Gegenübers fürstlich belohnt, was für einen Gute-Laune-Impuls für mehrere Stunden sorgte.

Fest entschlossen mir diesen Glücksmoment für den Tag gleich auch noch gratis abzuholen und meinen Tag damit perfekt zu machen, fuhr ich also auf der vorfahrtberechtigten Seite auf die Stelle zu, an der sich das persönliche Stresslevel zwischen einer autogenen Übung und einer Kernspaltung entscheiden konnte. Freudestrahlend sah ich auch schon in der Ferne ein entgegenkommendes Fahrzeug, dessen Führer gleich von mir die Vorfahrt geschenkt bekommen würde. Ein herrliches Present, das uns beide kurz aus der Anonymität holen und für wenige Sekunden in einem empathischen Moment, einem lächelnden Blickwechsel miteinander verbinden würde.

Kleines Glück für total umsonst.

Ich hatte schon die Hand am Hebel der Lichthupe, als mir ganz unverhofft von rechts ein keckes graues Vehikel so rücksichtslos die Vorfahrt nahm, dass Horst Hrubesch unter der harten Bremsung ächzte und quietschte. Der junge Herr im hochpreisigen Crossover, wie ich später wusste, kam sich offensichtlich sehr smart vor, denn er sah mich überlegen an, während er flotten Reifens rechts rum vor mir in die enge Gasse eilte.
"Der fährt wohl im SUV", fluchte ich vor mich hin. "Alles okay, Horst?"
Horst Hrubesch wippte tiefenentspannt lange nach.
Ich sah dem SUV-Coupe (Oh Mann, so nützlich wie ein Messer ohne Griff, wo die Klinge fehlt) nach und gab dem Fahrzeug dahinten im Gegenverkehr genussvoll Lichthupe zur freien Einfahrt in die einspurige Gasse, in die Mr. Crossover schon eingefahren war. Das Gegenüber blinkte dankbar zurück und fuhr los, so wie es bei uns im Dorf bekannte Praxis geworden war.

Da ich wusste, dass es nun etwas dauern würde und man besser für den vollen Genuss auch Ton hat, stieg ich aus, setzte mich auf Horst Hrubeschs Haube und lehnte mich gemütlich an seine Windschutzscheibe.
"Oh yes, I,m the great Pretender, oho oho oho" schallte es aus seinem Radio. Ich steckte mir eine Zigarette an, die die knusprige Pekingsuppe abrundete und bekam doch noch mein kleines Glück für total umsonst.

Der Wagen gegenüber war der von Pranken-Paul, das hatte ich längst erkannt. Da würde Samstag ein Bier auf meine Kosten fällig. Prost!

counter4xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 20.04.2024:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Stephan Heider,
mitten aus dem Leben und in einer Dorfgemeinschaft gibt es noch ein Lächeln. In der Stadt gibt es meist nur gehetzte Blicke oder ein Handzeichen, ohne das die Mundwinkel in Aktion treten.


MfG
Bad Letters





geschrieben von rubber sole am 20.04.2024:
Kommentar gern gelesen.

Ja, so geht Glücklichsein, Stephan, die kleinen Dinge des Alltags machen das Leben lebenswert. Der mit dem alten Volvo genießt natürlich einen Sympathiebonus. Dazu eine 'Überraschungssuppe', den Blender mit dem SUV sausen gelassen, ganz gleich welche Version von 'Pretender' auf den Lippen, das hat was. Schön zu lesen. Nur die Zigarette, auf die könnte ich als ehemaliger Intensivraucher für einen Glücksmoment verzichten.
l.g.r.s.




geschrieben von RudiRatlos am 20.04.2024:
Kommentar gern gelesen.
deutsche Sprache kann so schön - wie hier - sein.




geschrieben von Stephan Heider am 20.04.2024:

Vielen lieben Dank Rudi und r.s.
Ja, wäre mein Protagonist wirklich so tiefenentspannt, dann hätte er sich die Lektion ja auch gespart. Hätte aber weniger Spaß gemacht. Das Rauchen ist auch nicht meins, passte aber gut in den entspannenden Moment.




geschrieben von Stephan Heider am 21.04.2024:

Hey Bad Letters
Dieses Lächeln kann man immer ernten. Das Sprichwort "wie man in den Wald.... " ist so wahr.
Genau wie die meisten alten Sprichworte, die durch alle Zeiten nichts an Wahrheit verloren haben. Total faszinierend. LG Stephan

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