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5xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Jens (Jens Richter).
Veröffentlicht: 16.01.2024. Rubrik: Persönliches


Der Schneemannschubser

Immer wenn es draußen schneit, erinnere ich mich gern an jene kleine Episode aus meiner Schulzeit zurück.
Ich besuchte damals eine zehnklassige polytechnische Oberschule am westlichen Stadtrand von Dresden.
Hier endete das Stadtgebiet, es folgten die eingemeindeten Dörfer Leutewitz, Omsewitz und Ockerwitz, von denen der Hauptteil der Schüler kam.
In dieser Schule lernte schon mein Vater und meine jüngere Schwester.
So bekam ich des öfteren die Ansage der älteren Lehrer zu hören, "Du kannst gar nicht anders sein, dein Vater war auch schon so."
Oder ganz beliebt war der Spruch, "Erst dein Vater, dann du und jetzt auch noch deine Schwester."
Mein Vater sah seine Autorität untergraben, was ihn persönlich ärgerte und so bat er um Gespräche in der Schule, die damit endeten, dass die Lehrer und er über alte Schülerstreiche sinnierten.
Trotzdem ging es an unserer ehrwürdigen Schule jederzeit familiär zu.
Alle Streiche, selbst die gröberen wurden irgendwie zur Zufriedenheit aller begradigt.
Direktor, Eltern, Lehrer und Schüler begegneten sich mit tiefem Respekt.

Unsere Schule hatte zwei Zugänge.
Der Haupteingang, der höher lag, war nur über Stufen erreichbar sowie der ebenerdige Dienstboteneingang, den der Hausmeister, die Lehrer und die Lieferanten nutzten.
Letzterer galt auch als ein Geheimtipp, falls man mal den Wecker überhört hatte, sich dadurch verspätete, um überhaupt in die Schule zu gelangen.
Denn während der Unterrichtsstunden war der Haupteingang der Schule für gewöhnlich verschlossen.
Das weitläufige Gelände hinter der Schule war den Lehrern vorbehalten, ihre Autos zu parken bzw. für die Schneefräse des Hausmeisters.
Im Winter bauten die Schüler hier gern Schneemänner, die sie traditionell mit Kohlen schmückten.
Einem alten Lehrer, ich nenne ihn Herr Heppner, bereitete es einen diebischen Spaß, die Schneemänner mit dem Auto umzuschubsen.
Die mittleren Jahrgänge freuten sich darüber, uns Großen war es eigentlich egal, aber die Kleinen waren nicht amüsiert, weil sie sich doch so eine Mühe mit dem Schneemann gegeben hatten.
Da heckten wir älteren Jahrgänge einen Plan aus, um Herrn Heppner eins auszuwischen.
Neben dem Dienstboteneingang stand schon immer ein roter Hydrant für die Feuerwehr.
Also sagten wir den Jüngeren, dass sie diesmal ihren Schneemann direkt vor den Hydranten bauen sollten, was diese ohne Widerspruch taten.
Als Herr Heppner mit seinem Trabbi um die Ecke kam, den Schneemann sah, fuhr er zielstrebig auf diesen los.
Dieses Mal schepperte es blechern.
Hinter den Fenstern beobachteten wir die Angelegenheit und bogen uns vor Lachen.
Die Kleinen dagegen waren entsetzt.
Nachdem Herr Heppner ausgestiegen war, sah er die Bescherung.
Die Stoßstange seines Trabbis war total demoliert.
Zu DDR-Zeiten war ein Schaden am Auto wahrlich kein Vergnügen.
Es gab selten Ersatzteile und noch seltener Autoschlosser, die sich der Reparatur annahmen.
Da brauchte man schon eine große Portion Vitamin B.
Herr Heppner band die Stoßstange vorerst provisorisch fest und betrat dann das Schulgebäude.
Aber statt einen Tobsuchtsanfall zu bekommen, ging er ohne mit der Wimper zu zucken an uns feixenden Schülern vorbei und sagte, "1 : 0 für euch."

Rückblickend kann ich mich nicht erinnern, dass Herr Heppner für diesen derben Scherz jemanden bestraft hatte.

Ende

(C) Jens Richter im Januar 2024

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