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geschrieben 2023 von Jens Richter (Jens Richter).
Veröffentlicht: 16.09.2023. Rubrik: Abenteuerliches


Der Weg zurück

Der Kopfgeldjäger lehnte mit dem Rücken an der Theke.
Seinen grauen Hut hatten er lässig, an einer Schnur hängend, auf der Schulter liegen.
An seinen Stiefeln waren silberne Sporen angebracht, dazu ein breiter Gürtel mit großer Schnalle, ein grünes Halstuch und der lange Colt waren richtige Hingucker.
Er war von großer Statur, braun gebrannt und drahtig.
In seiner Rechten hielt er ein Glas Whisky.
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Die Pendeltür wurde aufgestoßen und der Sheriff betrat den Saloon.
Sein Blick überflog den Gastraum und blieb bei dem Kopfgeldjäger hängen.
Er durchquerte den Saloon und gesellte sich zu dem Mann.
"Na, Mister, sind sie auf der Durchreise?"
Der Angesprochene drehte sich zum Sheriff hin, betrachtete diesen von oben bis unten, wobei sein Blick auf dem Sheriffstern stierte.
Nach einiger Zeit sprach er: "Mein Name ist Pitt, Pitt Fisher, Sheriff!"
"Sind sie auf der Durchreise?"
"Ja, ich bin auf dem Weg nach Chelson. Ich hoffe dort auf einen Auftrag."
Der Sheriff musterte den Fremden scharf.
"Ich bin Sheriff Earl Tanner."
"Gut zu wissen, Sheriff!"
Ausnahmslos alle anwesenden Gäste lauschten gespannt dem Rededuell.
Niemand kannte den Kopfgeldjäger, aber jedermann kannte den Sheriff und der ließ nicht locker, bevor er in Erfahrung gebracht hatte, was der fremde Mann in seiner Stadt vorhatte.
"Darf ich sie zu einem Whisky einladen?", lud er den Mann ein.
Die Atmosphäre im Gastraum knisterte.
Um ehrlich zu sein war Sheriff Tanner überrascht, dass der Fremde nickte und dabei sprach, "Die Einladung nehme ich sehr gerne an, Sheriff!"
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Kurz nachdem die Beiden ihr Whiskyglas geleert hatten, hörte man Draußen Hufgetrappel und die Anfeuerungsrufe eines Kutschers.
Es war die Postkutsche aus Dawson.
In eine dichte Staubwolke gehüllt, stoppte sie unmittelbar vor dem Saloon.
Nachdem sich der Staub verzogen hatte, entstiegen der Postkutsche drei Fahrgäste, Fernandes und Collin Harper und Paul Strecker.
Während der Kutscher einige Pakete mit bestellten Waren ablud, betraten die Drei nacheinander den Saloon und steuerten die Theke an.
Einen Moment stutzten sie, nachdem sie den Kopfgeldjäger wahrgenommen hatten, ließen sich das jedoch nicht weiter anmerken.
Dann riefen sie dem Barkeeper zu, "Eine Flasche Whisky und Gläser für uns.
Geschäftstüchtig kam der dem Wunsch der Reisenden nach.
Der Sheriff und der Kopfgeldjäger standen noch immer an der Theke, alles sah normal aus, aber irgend etwas stimmte hier nicht.
Der Sheriff hatte einen siebten Sinn für derartige Situationen und er sollte Recht behalten.
#
Nachdem die drei Reisenden aus der Kutsche die Flasche Whisky geleert hatten, verließen sie den Saloon, um Pferde zu erwerben.
So sagten sie jedenfalls.
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Auch der Postkutscher betrat den Saloon, beladen mit den Paketen und stellte sie neben der Theke ab.
Jetzt sah er sich um, sah den Sheriff und schmunzelte ihn frech an.
"Hallo Earl, ich freue mich, dich hier zu sehen. Verscheuchst du noch immer das Gesindel aus deiner Stadt?"
Der Sheriff grinste zurück, "Du solltest mich doch lange genug kennen, altes Haus, meine Stadt bleibt sauber."
Der Barkeeper schob dem Kutscher ein Glas Bier hin.
Der Kutscher dankte und trank den halben Liter in einem Zug aus.
"Das tat Not! Ich statte jetzt noch beim alten Summerfield einen Besuch ab und dann werde ich mich auch schon wieder auf den Rückweg machen.
Von Earl Tanners kleiner Stadt musste die Kutsche über Dawson wieder zurück nach Colorado Springs.
In der Zwischenzeit hatte ein Bursche frische Pferde eingespannt, denn die alten Pferde waren zu erschöpft, um den weiten Rückweg unbeschadet zu überstehen.
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Neben dem Saloon stand eine Bankfiliale der Gebrüder Summerfield.
Bankhaus hörte sich zwar ein wenig übertrieben an, aber in dem Backsteinhaus gab es den einzigen sicheren Tresor im Umkreis von zwanzig Meilen.
Die Rancher konnten hier ihr Geld hinterlegen und die Arbeiter aus den Minen ihre Silberausbeute gegen Dollar tauschen.
Und genau dieses Silber wollte der Kutscher beim alten Summerfield entgegen nehmen, um es zur Hauptbank nach Dawson zu transportieren.
Als der Kutscher am späten Nachmittag Summerfield mit zwei gewichtigen Taschen, gefüllt mit Silberbarren wieder verließ, standen plötzlich die Harper-Brüder und Paul Strecker vor ihm.
Die Brüder hielten ihre Colts in den Händen.
"Mach keinen Stress und lass die Taschen fallen! Danach drehst du dich um!"
Der Kutscher gehorchte den Aufforderungen.
Die Harpers nahmen die Taschen an sich, während Paul Strecker dem Kutscher mit dem Griff seines Colts zu Boden schlug.
Dann schwangen sie sich auf bereitstehende Pferde und verließen so schnell als möglich das kleine staubige Nest, dass sein Sheriff als Stadt bezeichnete.
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Die Pendeltür wurde aufgestoßen und der Kutscher taumelte in den Saloon.
Er hielt sich den Schädel, der genauso dröhnte, als hätte ihn jemand mit dem Vorschlaghammer bearbeitet.
Blut rann durch seine Finger und tropfte auf die Dielen.
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Einige der Männer, die im Saloon am Fenster saßen, hatten mitbekommen, was draußen abgelaufen war.
Sie standen auf und wollten den Räubern nachstellen.
Der Kopfgeldjäger hatte plötzlich seinen Colt in der Hand und richtete den auf den Sheriff.
"Halt! Ihr alle macht jetzt keinen Blödsinn. Und sie Sheriff, bleiben im Saloon und trinken noch einen Whisky. Ich kümmere mich um die Drei. Es ist mein Job, diese Leute einzukassieren, ich bin professioneller Kopfgeldjäger."
Der Sheriff pfiff die Leute zurück, "Männer, ihr habt es gehört, bleibt sitzen und seid friedlich."
Der Kopfgeldjäger steckte seinen Colt zurück in den Holster und sagte, "Sheriff, sorry, ich wollte hier nur ein Blutvergießen vermeiden. Was meinen sie, was das für ein Gemetzel geworden wäre, wenn diese angetrunkene Meute hier im Saloon, den drei Räubern nachreitet?"
Ungläubig sah Sheriff Tanner den Kopfgeldjäger an und grummelte, "Ich hatte es gleich geahnt, dass sie ein ganz harter Bursche sind. Sie lagen hier auf der Lauer und wollten die Postkutschenräuber hier abfangen."
"Ja, dieses Trio verfolge ich schon lange und sie vermasseln mir jetzt nicht meinen Erfolg."
"Das können sie später alles dem Richter erklären. Sie haben einen Sheriff mit der Waffe bedroht und an der Ausübung seiner Arbeit gehindert. Das bringt ihnen mindestens ein, zwei Wochen Arrest ein."
"Wissen sie Sheriff, ich hätte sie kooperativer eingeschätzt. Ich sperre sie jetzt in ihre eigene Zelle, schwinge mich auf meinen Gaul und werde dem Trio nachreiten."
"Fisher, das sollten sie nicht tun, das verschlimmert nur ihre Lage."
"Ach was!"
Pitt Fisher zog jetzt erneut den Colt, um seiner Ansage Nachdruck zu verleihen.
Beide verließen den Saloon.
Der Sheriff schritt mit erhobenen Händen voran.
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Für die drei Räuber gab es nur diesen einen Weg in Richtung Westen.
Rings um sie breitete sich eine wüstenähnliche Landschaft aus.
Paul Strecker blickte hinter sich.
Noch in weiter Ferne erkannte er eine Staubwolke, die ein einzelner Reiter verursachte.
Er machte die Harper-Brüder darauf aufmerksam.
"Lassen wir ihn doch näher kommen. Was kann der schon gegen uns ausrichten? Und schon können wir unseren Pferden mal etwas Zeit zum Verschnaufen verschaffen."
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Neun Männer aus dem Saloon, die die Szenerie mitbekommen hatten, zogen, als die Lage sich beruhigt hatte, in das Office des Sheriffs, um nach Tanner zu sehen.
Der saß in der Zelle seines Interimsgefängnisses und wartete auf seine Befreiung.
Die Aktion zog sich in die Länge, da es erst der Schmied fertig brachte, die schwere Gittertür zu öffnen.
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Die zehnköpfige Mannschaft um den Sheriff brach alsbald auf, um die Räuber und den dreisten Kopfgeldjäger zu verfolgen.
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Zwischenzeitlich erreichte Pitt Fisher das Lager des Räubertrios.
Sie hatten ein kleines Feuer entfacht und einen Kaffee aufgesetzt.
Sie erkannten den Kopfgeldjäger und grinsten ihm entgegen.
"Pitt Fisher, du lässt wohl niemals locker?", tönte Paul Strecker.
Pitt Fisher kam näher, stieg vom Pferd und blieb am Feuer stehen.
"Ich denke, das Silber, dass ihr geraubt habt, ist eine angemessene Entschädigung für das mir entgangene Kopfgeld. Ich werde es mir jetzt nehmen."
Im gleichen Augenblick zog Paul Strecker seinen Colt.
Aber der Kopfgeldjäger zog schneller.
Strecker fiel getroffen zu Boden.
Nun zogen die beiden Harper-Brüder ihre Waffen.
Ein Schuss von Collin streifte die Schulter des Kopfgeldjägers.
Die Kugel von Fernandes bohrte sich in den Sand der Wüste.
Pitt Fishers Schüsse trafen Collin ins Herz und Fernandes mitten in den Bauch.
Collin war sofort tot, während Fernandes fluchend am Boden lag.
Er versuchte nochmal eine Kugel abzufeuern, aber Pitt Fisher ließ ihm keine Chance.
Beide Brüder waren tot.
Nach dem Schusswechsel ging er zu den Pferden der Räuber, die unruhig dastanden, wo ihre Reiter sie vorher angehobbelt hatten.
Er entnahm die Taschen mit der Beute und belud sein eigenes Pferd damit.
Die drei Pferde ließ er laufen.
Dann trank er noch einen Becher Kaffee, bevor er aufbrach.
Er ahnte natürlich, dass der Sheriff schon längst hinter ihm her war.
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Weit kam er nicht.
Seine Schusswunde schmerzte und so suchte er in der Nähe seines Lagers ein günstiges Versteck, wo er die Taschen mit dem Silber verbergen konnte.
Ein übergroßer Kaktus, der wie ein dreiarmiger Leuchter aussah, war der ideale Ort, um die Beute unter Steinen zu vergraben.
Wie ein Symbol ragten seine fingerartigen Auswüchse in den Himmel.
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Als die Mannschaft des Sheriffs den Kopfgeldjäger erreichten, saß dieser am Boden und verarztete seine Schusswunde.
Sheriff Tanner sah ihn spöttisch an, "Na, es scheint wohl nicht so gut gelaufen zu sein?"
"Nein, das waren die drei Gauner, die dort hinten irgendwo liegen!"
"Respekt, die sind mausetot. Wir mussten sie begraben!"
Nach oberflächlicher Besichtigung von Fishers Lager, zog Tanner mit seiner Mannschaft und dem gefangenen Kopfgeldjäger zurück in die Stadt.
Pitt Fisher wurde in die eine Zelle gesteckt, nachdem Doktor Finnley die Wunde desinfiziert und verbunden hatte.
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Der Sheriff trat an die Zelle und fragte Fisher, "Beantworten sie mir bitte eine Frage, da das gestohlene Silber nicht bei den Toten gefunden wurde, wo sie es versteckt haben?"
Sheriff Tanner sah ihn erwartungsvoll an.
"Machen sie Scherze? Ich hatte auch geglaubt, dass ich die Beute bei ihnen finden könnte. Aber da war nichts!"
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Nach vier Wochen kam der ehrenwerte Richter Brandner aus Dawson in die Stadt.
Er war immerzu auf Reise, musste er doch in den noch so abgeschiedenen Orten Recht sprechen.
Nach nur einem Verhandlungstag wurde der Kopfgeldjäger zu zwei Wochen Arrest verurteilt.
Fisher konnte nur die Bedrohung des Sheriffs mit einer Schusswaffe zur Last gelegt werden.
Die Tötung der drei Räuber lief unter Selbstverteidigung, im Zusammenhang mit dem Stellen von Kriminellen auf der Flucht.
Eine Belohnung bekam Pitt Fisher nicht zugesprochen, da sie mit den Verfahrenskosten, der Gefängnisunterbringung sowie dem Arzthonorar verrechnet worden war.
Gut das Fisher noch das Silber in Aussicht hatte.
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Nach den zwei Wochen bekam Pitt Fisher seine Waffen zurück und musste die Stadt noch am selben Tag verlassen.
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Der Ritt zum Kaktus war entspannt.
Seine Verletzung war verheilt und so war er heilfroh, endlich sein Ziel erreicht zu haben, von dem er sechs lange Wochen Tag und Nacht geträumt hatte.
Schon von Weitem hatte er die drei übergroßen Arme des Kaktus gesehen.
Gefolgt war ihm auch keine Menschenseele, so dass er die versteckte Beute nur noch an sich nehmen musste.
Er stieg vom Pferd und näherte sich der Pflanze.
Er hob einen schweren Stein an, als er einen schmerzhaften Biss an der Hand verspürte.
Erschrocken erblicke er eine Giftschlange.
Es war eine Otter, deren Biss absolut tödlich ist.
Es nutzte ihm auch nichts, dass er die Otter mit dem Stein erschlug und auf ihren zuckenden Resten herumtrampelte.
Pitt Fisher tobte vor Wut und Verzweiflung, dann glitt er dahin in die ewige Dunkelheit.
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Es war am Morgen des darauf folgendenTages, als ein stattlicher Reiter des Weges daher kam.
Er hatte braune, halblange Haare, die sein edles Gesicht, halb indianisch, halb europäisch, einrahmten.
Der Reiter war Young Rifle-man, ein Halbblutindianer vom Stamme der Osagen, der seinen Lebensunterhalt als Leibwächter, Scout, Trapper oder als Trekführer verdiente, geradeso wie es seine Auftraggeber verlangten.
Im Gegensatz zu seinen Stammesleuten, die in Reservaten lebten, hatte er sich seine Freiheit bewahren können.
Das hatte er seiner außergewöhnlichen Anpassungsfähigkeit zu verdanken.
Der Reiter stoppte, als er den Toten unter dem Kaktus liegen sah.
Mit geschultem Auge inspizierte er die Umgebung.
Es drohte keine unmittelbare Gefahr für ihn.
Ihm war sofort klar, welche Tragödie sich hier abgespielt haben musste.
So lud er den Toten auf dessen Pferd, dass noch immer angepflockt da stand, nahm die Taschen mit dem Silber an sich und verfolgte die Spur, die der Tote geritten war, bis zur Stadt zurück.
"Wen haben wir denn da?", befragte Sheriff Tanner Young Rifle-man spöttisch. "Ich wusste gar nicht, dass es diesem Kopfgeldjäger so gut in meiner Stadt gefällt. Und das Silber hat er auch aufgefunden. Ich habe den Kerl wirklich falsch eingeschätzt."
Young Rifle-man schwang sich vom Pferd.
"Der lag draußen in der Wüste unter einem Kaktus."
"Kommen sie Mister", sprach der Sheriff. "Ich lade sie in den Saloon zu einem Bier ein."
"Das ist die beste Idee, die ich am heutigen Tag gehört habe.", erwiderte das Halbblut. "Meine Kehle ist rau wie ein Reibeisen."
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Beide verschwanden im Inneren des Saloons und das Leben in der Stadt nahm seinen gewohnten Lauf.

Ende

(C) Jens Richter

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