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geschrieben von Horst Radmacher.
Veröffentlicht: 19.01.2023. Rubrik: Satirisches


L.o.L. - Land ohne Lachen

Da hatten diese humorlosen, ignoranten Schreiber der größten Boulevardzeitung des Landes das Fragezeichen in ihrer Schlagzeile doch glatt unterschlagen. Damit war der Titel, 'L.o.L. – Land ohne Lachen?', erheblich verfälscht, denn dieses Satzzeichen gehörte sinngebend zur Aussage. Das Akronym aus dem Englischen wird gern in den modernen Formen der Kommunikation als Kürzel für 'laut lachend' auch in deutschen Chats verwendet. Unter dieser Kopfzeile wollte Dr. Ansgar Jester, Gründer der privaten Humor-Akademie ASH in Hohenlimburg und CEO der Humor-NGO Hofnarr®, eine breit angelegte Studie veröffentlichen. Die unreflektierten Redakteure dieser bildungsfernen Journaille wollten ihn wegen verweigerter Interviews anlässlich des Aufsehen erregenden Leserwettstreits auf Schloss Hohenlimburg abstrafen.

SatirepatzerSatirepatzerMit ernsten Sorgen hatte der Großmeister des frohen Sinnes erkennen müssen: Humor, diese wichtige menschliche Eigenschaft, ist stark gefährdet. Eine furchterregende Vorstellung. Dr. Jester erkannte bald die Hauptursache. Natürlich tragen Kriege, Seuchen und Inflation nicht dazu bei, nur noch fröhlich durchs Leben zu laufen. Aber die starke Beeinflussung der öffentlichen Befindlichkeit durch eine sich immer weiter ausbreitende Klugscheißerei in Verbindung mit Besserwisserei und Mittelmäßigkeit ist der Sargnagel jeden unbeschwerten Frohsinns, so die Erkenntnisse des Humor-Papstes. Ebenso hatte er bei Meinungsbildnern des anspruchsvollen Humors erhebliche Abnutzungserscheinungen festgestellt. Zuviel Mainstream lag in der Luft, der wie eine Schwade Mehltau über dem Land waberte. Jetzt, da er den inneren Kern des gepflegten Frohsinns schwächeln sah, und eine Selbstverzwergung drohte, musste Ansgar einschreiten.

So zog er das alljährlich stattfindende Symposium führender Humorfachleute vor und lud unter seinem Markenamen Hofnarr® nach Andorra ein. In einem Zwergstaat, in der Aula einer dortigen Mittelschule zu tagen, statt wie üblich in einer der europäischen Metropolen, war durchaus als Signal gedacht. Schon bei Bekanntgabe dieses Tagungsortes verfielen etliche begriffskundliche Gralshüter*innen in eine kollektive Schnappatmung. Das 'Z-Wort', das ginge gar nicht, so die Bewahrer der Correctness. Ansgar trug den Aufschrei mit Fassung und nahm es mit Humor. Und auf dieser Konferenz sollte dann das Ergebnis der breit angelegten Studie veröffentlicht werden: 'L.o.L. – Land ohne Lachen? Humor vs. Klugscheißerei.'

Die klinischen Ergebnisse dieser randomisierten Doppel-Blindstudie lagen dazu zeitlich passend vor. Dann das Fazit des Abstracts: Extreme Klugscheißer und anmaßende Besserwisser haben keinen Zugang zum feinsinnigen Humor. Sie haben auch Probleme damit, einfach mal die Klappe zu halten. Das Hirnareal Amygdala, im limbischen System zuständig für emotionales Handeln, weist bei diesen Menschen neurale Defizite aus, die durch eine verminderte Ausschüttung des Glückshormons Serotonin noch verstärkt werden. Bei humoraffinen Menschen ist es signifikant anders. So geprüft und bestätigt - sedatus confirmata - Prof. Dr. B. Forger, et al., University of Raleigh-Durham, N.C., USA.

Jetzt, in Andorra, sollte dem Rest der Welt noch eine Demonstration dargeboten werden. Zu diesem Zweck erschienen zwei besonders prägnante Probanden zum praktischen Teil der bis dahin streng wissenschaftlich Untersuchungsreihe. Es waren Aksel Depuydt aus Belgien sowie Kyros Peleikis aus Griechenland. Der belgische Klugscheißer, professioneller Telefon-Joker vieler internationaler TV-Quizsendungen, sah auch schon so aus. Hoch aufgeschossen, hager und mit leicht gebeugter Körperhaltung. Der überhebliche Gesichtsausdruck in einem Gesicht mit ungesundem Teint, ergänzte diesen Gesamteindruck. Sein Gegenpol aus Kalamata in Griechenland, aktuell tätig als Humorbeauftragter beim sizilianischen TV-Sender A.I.F.A.M. und jahrgangsbester Absolvent der Humor-Akademie ASH, wirkte ausgesprochen entspannt: eine heiter lächelnde Frohnatur von untersetzter, etwas rundlicher Gestalt. Mehr Gegensatz geht nicht, auch was die Ergebnisse der öffentlichen Demonstration angeht.

Der notorische Besserwisser konnte mit einem enormen Wissen glänzen. Es schien kaum ein Gebiet zu geben, in dem er nicht bewandert gewesen wäre. In Naturwissenschaften sowieso, selbst in Sprachen und in der Literatur hatte er erstaunliche Kenntnisse vorzuweisen, auch wenn ihm hier ein Fehler unterlief. Er verwechselte den Begriff 'Lyrisches Ich' mit dem Begriff 'Erzähler', wie man so etwas bei Prosatexten nennt. Bei der Übung, Assoziation und Intuition des Begriffs 'Flugscham beim Segelfliegen', fielen ihm ausschließlich umwelttechnische Basisdaten ein. Was ihm hauptsächlich fehlte, war das Gespür für subtilen Humor. Sein griechischer Widerpart hielt mit seiner beachtlichen humanistischen Bildung dagegen und kalauerte dazu fröhlich drauf los. Welch ein Wunder, als dramenerprobter Grieche. Geisteswissenschaftlich lag er weit vorne, aber auch auf dem für ihn fremden Terrain der Naturwissenschaften konnte er punkten, wenn auch nicht immer mit exakten Ergebnissen. So hatte er, im Gegensatz zum Belgier, noch nie von der Schrödingergleichung gehört und gab dies auch unumwunden zu. Er umschiffte diese Klippe aber, indem er anbot, ein Gedicht darüber zu verfassen. Diese humorige Lösungsalternative wurde weitaus höher bewertet als der dröge Wissenskohl des Klugscheißers.

Schlussendlich wurde bewiesen, dass Klugscheißerei und Humor sich einander ausschließen. Verstärkt wurde diese Erkenntnis noch dadurch, dass Aksel Depuydt sich aus seinem nicht zu kontrollierenden Neid heraus in verbale Attacken gegen den lustigen Griechen verstieg. Dann wollte er diesem auch noch an den Kragen. Hier mussten Mediziner eingreifen. Als humoröpathische Mittel nicht wirkten, griffen sie zur Schulmedizin: 10 mg Diazepam, i.m. injiziert. So erlebte der Klugscheißer das Ende der Veranstaltung schlaff in einem Polstersessel hängend. Seine Körperhaltung erinnerte dabei stark an einen Crash-Dummy mit höchster Pflegestufe.

Ansonsten war das Symposium ein grandioser Erfolg. Dr. Ansgar Jester war unter Einsatz seiner Handelsmarke Hofnarr® die Wende vor dem Absturz des Humors gelungen. Für die Bemühungen auf dem Weg dorthin wurde er für den Humor-Nobelpreis vorgeschlagen.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Christelle am 20.01.2023:
Kommentar gern gelesen.
Jetzt bin ich aber gespannt, ob Dr. Jester den Nobelpreis für Humor erhält. Verdient hätte er ihn.




geschrieben von Horst Radmacher am 21.01.2023:

Ja, sieht gut aus, soweit. Nachdem Ansgar die Klugscheißer auf Abstand gehalten hat, müssten noch irrlichternde Nerds und Trolle des Internets 'entschärft' werden - eher eine Petitesse. Verspricht aber spannend zu werden... HG




geschrieben von Christelle am 21.01.2023:
Kommentar gern gelesen.
Ich freue mich darauf 👍




geschrieben von Horst Radmacher am 22.01.2023:

Danke für deine Zustimmung, lieber Stefan. Dieses eine Alter Ego von a. war frühzeitig zu erkennen - zu niedlich auch die kleine 'Schizo-Nummer." Ohne eine Paranoia initiieren zu wollen, es könnten wohl mehrere 'Ableger' unterwegs sein - Vorsicht bei dubiosen Autoren. HG Horst




geschrieben von Gari Helwer am 22.01.2023:
Kommentar gern gelesen.
Eine weitere herrliche Geschichte, Horst! Bitte noch mehr davon! LG




geschrieben von Metti am 25.01.2023:
Kommentar gern gelesen.
Lachen ist mächtiger als das Schwert. Oder als das Wort. Oder als die Klugscheißerei. Egal.




geschrieben von Onivido kurt am 29.01.2023:
Kommentar gern gelesen.
Dr. Jester hat eine aeussersf schwierige Mission erfolgreich begonnen. Es ist zu hoffen, dass ihm weiterhin ERfolg beschert ist.

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