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geschrieben 2025 von Florian Link (Hanswurst).
Veröffentlicht: 22.04.2025. Rubrik: Lustiges


Wurst- und Durstgeschichten – Der Hanswurst und die Zeitkapsel

Manchmal, und das meine ich völlig ernst, will ich einfach nur in Ruhe eine Currywurst essen. Keine Abenteuer, keine Eskalation, keine absurden Wendungen. Einfach sitzen, Bier trinken, vielleicht eine Zigarette dazu, und das Leben still vor sich hin plätschern lassen.

SatirepatzerSatirepatzerAber nein.

Der Autor hat mal wieder andere Pläne. Und deshalb stehe ich jetzt mit dem Hape, dem Schorsch und der Antonia mitten auf einer Baustelle, starre auf ein rostiges Metallfass, das ein paar Bauarbeiter aus der Erde gezogen haben, und frage mich, was zur Hölle das alles soll.

*

Der Nachmittag hatte so gut angefangen. Wir sitzen im Imbiss ums Eck, der Schorsch brummt, weil die Bierlieferung zu spät kommt, der Hape kritzelt irgendwas Wirres auf eine Serviette, und die Antonia liest in einem Buch, das garantiert komplizierter ist, als es hätte sein müssen.

„Hanswurst“, sagt der Hape plötzlich, „wann warst du das letzte Mal in einer Zeitkapsel?“

Ich sehe ihn an. Lange. Sehr lange.

„Was?“

„Na, du weißt schon“, sagt er, „so eine alte Kiste mit Erinnerungen aus der Vergangenheit. Wie eine Flaschenpost für die Zukunft.“

„Hape, wir leben im Jahr 2025. Die Zukunft ist jetzt. Und sie ist voller teurer Wohnungen, Ampelschaltungen und Leuten, die sich nicht entscheiden können ob sie den Neoliberalismus mögen oder ihr Kreuz bei der AfD machen sollen. Also alles Kacke soweit.“

„Ja, aber stell dir vor, du findest eine Zeitkapsel. Wäre das nicht irre?“

Nein, das wäre es nicht.

Aber dann – ungelogen zehn Minuten später – kommt der Murat vom Kiosk rein, mit den Bauarbeitern von der Straße, und sagt: „Ey, Jungs, wir haben da was ausgebuddelt. Sieht aus wie ’ne Zeitkapsel.“

Und so stehen wir jetzt hier.


Das Ding ist alt. Sehr alt. So alt, dass der Rost es fast mit der Erde verschmolzen hat. Ein Bauarbeiter – muskulös, mürrisch, Maurer – hämmert mit einer Brechstange auf den Deckel.

„Bestimmt aus den Sechzigern“, murmelt Antonia.

„Oder aus den Dreißigern“, meint der Schorsch.

„Oder von Außerirdischen“, sagt Hape.

„Oder es ist einfach ein alter Müllcontainer“, sage ich.

Der Bauarbeiter knallt noch mal mit der Brechstange auf den Deckel. Dann macht es KRACK – und das Ding springt auf.

Wir starren hinein.

Alte Zeitungen, eine Glasflasche mit vergilbtem Etikett („Guten Morgen-Korn, 1967“), ein paar vergammelte Zigaretten. Eine handschriftliche Notiz.

Ich ziehe den Zettel heraus, falte ihn auf und lese laut vor:

„An die Zukunft: Falls ihr das hier findet, dann ist das Bier im Kühlschrank leer. Und falls Helmut Schmidt Kanzler geworden ist: Wir haben’s euch doch gesagt.“

Ich blinzele.

„Helmut Schmidt wurde tatsächlich Kanzler“, sagt Antonia trocken.

„Ja, aber das ist doch irre!“ ruft Hape. „Diese Leute haben in die Zukunft geschrieben! Das ist, als hätten sie durch die Zeit mit uns gesprochen!“

„Ja“, sagt der Schorsch, „und uns gesagt, dass ihr Bier alle ist.“

Ich runzle die Stirn. „Leute, ich weiß nicht, ob das hier wirklich ’ne tiefere Botschaft ist. Vielleicht wollten die einfach nur witzig sein.“

„Oder sie haben noch mehr versteckt“, überlegt Hape und kramt weiter in der Kapsel.

Dann zieht er ein altes Notizbuch heraus. Das Papier ist vergilbt, die Schrift verblichen. Aber lesbar.

Wir blättern durch das Buch. Es ist eine Art Tagebuch – oder besser gesagt, eine Liste von kuriosen Dingen, die man unbedingt tun sollte, wenn man das nächste Jahrhundert erreicht.

„Der perfekte Überfall: Eine Bäckerei ausrauben, aber nur das Mehl mitnehmen.“

„Was zur Hölle?“

„Lies weiter“, sagt Hape, der inzwischen begeistert ist.

„Der große Bluff: Sich als König ausgeben und Freibier verlangen. Nur in sehr kleinen Kneipen.“

Ich blättere um.

„Der Kiosk-Coup: Eine leere Flasche Pfand abgeben und behaupten, sie sei aus purem Gold.“

Wir sehen uns an.

„Ich weiß nicht, ob das geniale Verbrechen oder einfach nur Suff-Ideen sind“, sagt der Schorsch.

„Vielleicht… beides? Gab es 1967 überhaupt schon Pfandflaschen?“ sage ich.

Dann blättere ich weiter. Und plötzlich steht da etwas, das uns alle verstummen lässt.

„An die Finder: Falls ihr das hier lest – wir kommen euch holen. Am 27. April 2025. 18:45 Uhr. Seid bereit.“

Wir sehen uns an.

Es ist der 27. April 2025.

Und es ist 18:40 Uhr.


„Ähm“, sagt Hape.

„Okay“, sagt Schorsch.

„Was ist das hier für eine Scheiße?“ sage ich.

Die Bauarbeiter schauen uns verwirrt an.

„Was habt ihr da gefunden?“ fragt einer.

Ich will gerade antworten, da fängt mein Handy an zu vibrieren.

Anonyme Nummer.

Ich starre es an.

Dann klingelt Antonias Smartphone. Und Hapes. Und Schorschs.

Wir sehen uns an.

Niemand bewegt sich.

„Ihr… geht da nicht ran, oder?“ fragt Murat.

Hape hat inzwischen eine käsige Gesichtsfarbe angenommen. Antonia wirkt plötzlich sehr angespannt.

Dann hören die Handys auf zu klingeln.

Und die Straßenlaternen um uns herum flackern kurz.

*

„Ich sag’s euch“, murmelt der Bauarbeiter, der uns den Deckel der Zeitkapsel aufgestemmt hat. „Manche Dinge sollten einfach in der Erde bleiben.“

Und dann geht das Licht aus.

Nicht nur das auf der Baustelle. Sondern in der ganzen verdammten Straße.

Ein dumpfes Summen liegt in der Luft. Wie eine elektrische Ladung, kurz bevor ein Gewitter losbricht.

„Ähm…“, sage ich.

Dann blitzt über uns der Himmel auf.

Und aus irgendeinem Grund habe ich das ungute Gefühl, dass das hier noch lange nicht vorbei ist.

ENDE

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