Veröffentlicht: 06.05.2025. Rubrik: Aktionen
Die spannende Reise eines Regentropfens (Maiaktion)
Jonas war ein Mäusejunge, der in einem alten Koffer wohnte.
Im Inneren hatte er es sich richtig gemütlich gemacht.
Er hatte eine warme Schafwolldecke, in der er sich beim Schlafen einkuschelte.
Außerdem alle möglichen nützlichen Dinge, die eine Maus bei ihren Reisen benötigte.
Im Deckel des Koffers klebten die Fotos seiner Großeltern, von seinen Eltern und den Geschwistern.
Sein Koffer barg ebenfalls ein Geheimnis. Immer wenn Jonas ihn aufklappte, konnte er mit ihm fliegen, wohin er gerade wollte.
Noch schlief er friedlich.
Irgendwann am Morgen öffnete er den Deckel einen Spalt weit, um nach dem Rechten zu sehen.
Als Maus musste er stets auf der Hut sein.
Da gab es die Katzen und in der Luft die Raubvögel, die alles unternahmen, um eine Maus für ihren Speiseplan zu ergattern.
Heute bestand keine Gefahr.
Da draußen die Sonne schien, verspürte Jonas große Lust auf einen Ausflug ins Grüne.
Gesagt, getan.
Er klappte seinen Koffer ganz auf und schon erhob dieser sich in die Lüfte.
Jetzt brauchte er nur noch den Wunsch äußern, wo der Koffer landen sollte.
„He, lieber Koffer, bringe mich zu einer schönen Wiese, wo auch ein Bach entlang fließt.“
Jonas hatte kaum sein Wunsch ausgesprochen, da landete der Koffer sanft am Ufer eines Bächleins, unweit einer blühenden Sommerwiese.
Hier gefiel es ihm.
Rasch baute er seinen Sonnenschirm auf, dazu den Klappstuhl und den kleinen Tisch.
Darauf zischte schon die Kohlensäure aus der Limonade.
„Ja, so lasse ich es mir gefallen“, murmelte Jonas
Über dem gleichmäßigen Plätschern des Bächleins döste er eine Weile vor sich hin.
Wegen eines kurzen Regenschauers, der auf den Schirm tröpfelte, wachte Jonas auf.
Er beobachtete die Regentropfen wie sie auf der Oberfläche des Bächleins auf und ab hüpften. Dabei hatten die Tropfen richtigen Spaß.
Ein Tropfen rutschte vom Schirm herunter und klatschte Jonas auf die Nase.
„Du, das ist aber nicht fein“, monierte sich Jonas.
Er wischte den Tropfen von seiner Nase.
Der Regentropfen ließ sich jedoch nicht so leicht abschütteln.
Er saß derweil auf Jonas Handrücken.
„Sag mal Regentropfen“, fragte Jonas, „warum kommst du eigentlich von oben?“
„Oh, das ist aber eine lange Geschichte“, antwortete der Regentropfen.
„Ich habe Zeit!“
„Aber du findest doch die Antwort in jedem Lexikon“, erwiderte der Regentropfen.
„Ich habe aber gerade kein Lexikon dabei“ brummte Jonas. „Also was ist jetzt?“
„Ja, aber ich möchte doch mit den anderen Regentropfen meine Reise beginnen.“
„Faule Ausrede, noch hat es nicht aufgehört zu regnen. So kannst Du immer noch mit den anderen Regentropfen reisen.“
„Okay“, wehrte der Regentropfen überrumpelt ab, als er bemerkte, dass sich die Maus nicht abwimmeln ließ.
„Bevor es regnet, versammeln sich viele Regentropfen auf einer großen Wolke und warten auf den großen Moment. Irgendwann, wenn die Regenwolke keine Wassertropfen mehr aufnehmen kann, weil sie zu schwer wird, setzt der erste Tropfen zu einem kühnen Sprung an. Nach und nach werden alle mutiger und springen ebenfalls zur Erdoberfläche hinunter. Manche landen im Meer, einige auf Bäumen und viele von uns auf Wiesen oder Feldern. Aber egal wo du landest, irgendwann finden wir uns alle auf einer Regenwolke wieder ein. Das nennt man einen Wasserkreislauf“
„Und wie sieht jetzt dein Weg genau aus?“
"Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Ich erkläre dir den ursprünglichsten Kreislauf. Wenn ich nicht auf deiner Nase gelandet wäre, so landete ich auf der Wiese und sickere in den Erdboden ein, bis hinab zum Grundwasser. Irgendwann erreichen wir über das Grundwasser einen Bach, der uns zu einem See weiterträgt oder zu einem Fluss, der uns zum Meer befördert. An der Wasseroberfläche ruhen wir uns erst einmal aus, toben herum oder reiten auf den Wellen. Auf und ab. Wenn später die liebe Sonne intensiv scheint und alles aufheizt, werden wir plötzlich zu Wasserdampf und steigen in den Himmel auf. Der Wind kühlt uns oben wieder ab und befördert uns dabei weit ins Land hinein. Irgendwann versperren uns gigantische Berge den Weg, an deren Gipfeln die dicken Regenwolken hängen bleiben. Ja und wenn die Wolken dick und schwarz genug sind, beginnt alles von vorn.“
Über der Erzählung des Wassertropfens hatte es aufgehört zu regnen. Jonas setzte den Regentropfen schnell in den Bach.
„Mache es gut kleiner Tropfen. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder.“
Der Regentropfen stieß ein „Hui“ aus, winkte Jonas noch einmal zu und schon begann seine wilde Reise.
Ende
(C) Jens Richter, 2025

