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geschrieben 2018 von John Tailor (JohnTailor).
Veröffentlicht: 17.09.2018. Rubrik: Nachdenkliches


Von der Wintersonnenwende - Teil II

Von der Wintersonnenwende - Teil II


Die Kälte hätte einem mit der falschen Kleidung damals wirklich stark zugesetzt. Meine Zehen froren ein wenig, doch ansonsten war ich nicht weniger gut verwahrt als die Kinder von René, welche ihm sehr am Herzen lagen. Auf dem Weg über die Wiese erzählte mir Monika davon, dass ihr Vater beim Frühstück erklärt habe, wie man doch erwachsene Menschen, die man nicht kennt, zu siezen hätte. Außerdem kannte sie nun die Ansprachen Mister, Ma‘am, Herr, Frau und sogar Sir. Auf die Frage hin, ob sie ihren Papa jetzt auch mit ‚Sir‘ ansprechen sollte, sagte sie, ihr Papa würde für immer Papa heißen.
„Ah, da vorn sind sie.“, sagte ich.
René saß auf einem umgestürzten Baum und beobachtete, wie die anderen beiden Kinder sich um die Bäume jagten. Als wir mit unseren Schritten durch den Schnee in hörbare Nähe kamen, drehte er sich zu uns um.
„Da seid ihr. Ist Monika noch auf den Baum heraufgeklettert?“
„Ja, sie ist auf den untersten Ast gestiegen und dann jedoch -“
„Und dann habe ich eine Bienenkönigin gesehen. Hier sind gar keine Insekten im Wald, Papa. Aber warum war da eine Biene?“
Er blickte sie sehr eindringlich an. Diesen Ausdruck hatte René schon als Jugendlicher drauf. Erst ist dort Zweifel auf seiner Stirn zu sehen, der stets an die Person gerichtet zu sein scheint, welche er ansieht. Und dann sieht er auf den Boden. Das Ergebnis dieses Prozesses ist etwas, das mich immer sehr fasziniert hat.
„Ich denke, dass es im Winter ganz einfach zu Kalt ist für Insekten. Die Bienenkönigin befindet sich dann mit ihrem Volk im Nest. Das Volk bildet eine Kugel um sie herum, die für ihren Schutz sorgen soll. Vermutlich wurde das Nest zerstört und du bist der letzten Überlebenden begegnet.“
„Also muss ich ihr helfen!“
„Das ist schon zu spät. Sie wird weg sein oder gestorben, da hättest du nicht helfen können. Nie kommen alle durch den Winter, die Natur hat entweder nicht die Kraft oder den Willen dazu.“
Monika war 7 Jahre alt. Diese Lektion konnte für ein Kind ihres Alters noch unverständlich sein und abschreckend. Doch sie murmelte nur noch einmal die Worte ihres Vaters vor sich hin, als würde sie sie verinnerlichen.
„Deine Kinder dürfen wohl noch immer keine Märchen hören, was?“
Wir blickten einander lächelnd an und dann sah René zu Monika.
„Monika, geh doch bitte mit deinen Geschwistern spielen.“
Sie verwarf ihre Gedanken so leicht, wie es vermutlich nur ein Kind tun könnte und rannte zu den anderen beiden.
„Die Welt kennt doch viele Formen von Märchen…“
René begann zu reden und mein Gehirn stellte sich aus reiner Gewohnheit vom Gespräch mit einem Kind zu denen mit meinem Bruder um. Und diese empfand ich schon immer als einzigartig.
„Während man uns als Kind noch vom Weihnachtsmann erzählt, von Geistern oder Monstern, sind es später dann Götter, an die wir glauben, Verschwörungstheorien und vielleicht auch noch immer die Geister. Ohne eine dieser Sachen direkt abtun zu wollen, aber im Grunde besteht vorerst nur unser Glaube an ihre Existenz. Die Gewissheit bleibt zumeist ausstehend. Wenn ich meinen Kindern also einen Glauben, sozusagen ein Bewusstsein oder eine Realität vorsetze, dann basierend auf Gewissheiten, von denen ich meine, sie zu haben.“
„Ich verstehe, was du meinst. Du redest also von dem allgemeinen Gedanken, unter Umständen nichts wissen zu können. Wobei deine Meinung zu Gewissheiten auch wieder einem Glauben gleicht.“
„Genau.“
„Und kannst du mir erklären, wonach man dann leben soll?“

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