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geschrieben von francois.
Veröffentlicht: 03.10.2019. Rubrik: Unsortiert


Brille

Meine Großmutter hatte den Narren an mir gefressen. Doch dieses Wort fand sie anstößig. „Gegessen“, bemerkte sie mit dem lehrerhaften Ton den sie bei meiner Erziehung jeweils erklingen ließ. Ja, erklingen, denn Großmutter besaß eine so melodiöse Stimme wie sie mir mein Leben lang, und ich zähle heute über 70 Jahrringe, nie mehr begegnet ist. Jedes Wort war bei ihr ein Teil eines fröhlichen Gesangs, obwohl sie nie mit Musik etwas am Hut hatte. “Am Hut haben ist kein angenehm klingender Ausdruck!” Ihre singenden, kristallklaren Worte klingen noch jetzt in meinen Ohren nach und dabei schleicht sich eine Träne langsam ihren Weg suchend über meine linke Wange. Weshalb die rechte Seite meines Gesichts trocken bleibt ist mir noch heute ein Rätsel, sowie die Mutter meiner Mutter immer Rätselhaftes an sich besaß, das ich nie entschlüsseln konnte, so stark ich mich auch anstrengte.

“Wo sind meine Augen?” rief sie oft durch das Haus in dem es stets nach frisch gebackenem Brot duftete. Wenn ich diese Worte vernahm, in der anderen Haushälfte die ich mit meinen Eltern und drei Geschwistern bewohnte vernahm, stellte ich mir vor, dass Großmutter blind, auf ihren Stock gestützt, durch das Haus tappe, auf der Suche nach den am Vorabend beim Zubettgehen ausgepuhlten Augen, diese nicht fand und wohl dabei auch Worte aussprach die ich nicht vernehmen durfte. Da sie doch an ihren Augen den Narren gegessen haben, sie diese so vermissen musste. Keinesfalls nichts am Hut mit den ausgepuhlten Augen samt deren Augensterne haben konnte. Ich war der festen Überzeugung, dass wie Großmutter es bei den Zähnen, ich hatte das einmal unbeobachtet durch das Schlüsselloch beobachtet, pflege sie ihre Augen zu den falschen Zähnen ins Wasserglas zu legen, um diese mit einem magischen Pulver, das dazu geschüttet wurde, zu pflegen. Ich fragte mich ob meine geliebte Oma nicht auch nachts ihr Herz und die Lunge herausnahm um ihre Gesundheit zu erhalten, möglicherweise nachts in die Badewanne legte und sich so entkleidet ins Bett lege.

Da wollte ich die Probe aufs Exempel machen. Ich bat meine Großmutter einmal in ihrer Haushälfte übernachten zu dürfen, was sie mir auch in meinen langen Sommerferien zugestand. Um alles genau beobachten zu können wollte ich unter allen Umständen wach bleiben. Hatte von meinem Vater vernommen, dass Kaffee ein exzellentes Wachhaltemittel sei und löffelte deshalb ein halbes kleines Glas sofort löslichen Kaffees, das ich in der Küche fand, aus, verfiel darauf in einen Koffeinrausch und träumte hellwach davon, dass Großmutter an mir einen so großen Narren gefressen hatte, dass ich zusammen mit ihren Augensternen ins Glas neben ihrem Bett versenkt wurde, was bei mir, so sehr ich sie liebte, einen ziemlich großen Ekel hervorrief, dass mir Schwimmhäute zwischen Zehen und Fingern wuchsen, was in meinem Inneren eine Revolte hervorrief, sodass ich aus dem Glas zu entrinnen suchte, was mir an dessen glatten Wänden nicht gelingen wollte. Mich dabei immer wieder nach Luft schnappen ließ. Da kam mir ein Brotduft entgegen, ich war überzeugt jetzt nach dem Wässern in den Backofen gesteckt zu werden und erschrak fürchterlich als ich schweißgebadet in den Armen meiner Großmutter aufwachte, die mich liebevoll mit den Worten: „Was suchst Du denn am Boden vor meiner Schlafzimmertüre“, in mein Bett in unserer Haushälfte trug, nicht ohne mir zuzumurmeln: „Was bin ich froh meine Brille wieder gefunden zu haben, ich frage mich nur was diese auf deiner Nase zu suchen hat ...“

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