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geschrieben 2021 von Doris Fischer (Doris Fischer).
Veröffentlicht: 23.02.2021. Rubrik: Unsortiert


Johanna kann fliegen

Es war ganz früh am Morgen, als Johanna mit einem Eimer bewaffnet in die Waschküche ihrer Mutter schlich, um ihn mit Waschpulver zu füllen. Leise verließ sie das Haus, in dem ihre Eltern und ihr Zwillingsbruder Max noch friedlich schliefen. Schnellen Schrittes marschierte sie zum nicht weit entfernt gelegenen Dorfweiher. Dort nahm sie den Eimer und schüttete schwungvoll das Waschpulver in den Teich. Sofort entstand eine große Menge an Schaumbergen, die sich über die gesamte Wasserfläche verteilten und mit den kleinen Wellen auf und ab hüpften. Johanna war ganz entzückt von dem außergewöhnlichen Schauspiel. Ungeduldig stand sie am Ufer und wartete ganz gespannt auf das „Ergebnis“ ihrer Aktion. Endlich war es soweit – eine beachtliche Menge toter Fische wurde langsam ans Ufer gespült. Johanna musste sich jetzt nur noch bücken, um einen nach dem anderen aus dem Wasser zu holen und in den Eimer zu werfen. Zufrieden trat sie mit dem Eimer voller Fische den Heimweg an und war überzeugt, dass sich ihre Eltern darüber freuen würden. Aber es kam ganz anders:
Zuhause angekommen rief sie nach ihrem Vater, um ihm ganz stolz den Eimer mit den Fischen zu präsentieren.
Da Johanna schon seit Stunden vermisst wurde, war der Vater sehr aufgeregt und zugleich erstaunt über Johannas Rückkehr.
„ Wo bist du denn gewesen, Johanna? Was hast du denn da in dem Eimer drin?“ kam die sichtlich genervte Frage.
„Schau, Papa, da sind ganz viele Fische drin. Hab ich alle für euch gefangen“, gab Johanna zu verstehen.
„Ich habe Waschpulver in den Teich geschüttet und kurz darauf konnte ich die Fische „ernten“.
Der Vater schaute Johanna ungläubig und sprachlos an.
„Das kann doch wohl nicht wahr sein, Johanna. Wie kommst du nur auf solch eine verrückte Idee? Geh sofort in dein Zimmer!“ rief der Vater wütend.
Johanna bemerkte, dass ihre Idee wohl nicht so gut bei ihren Eltern ankam.
Es war auch nicht das erste Mal, dass Johanna mit „außergewöhnlichen Taten“ auf sich aufmerksam machen wollte. Ihre Eltern wussten das zwar, konnten aber keine Erklärung für Johannas merkwürdiges Verhalten finden. Außer dass sie ahnten, ihre Tochter sei schwer erziehbar oder entwicklungsbedingt zurück geblieben. In der Schule waren ihre Leistungen wohl auch nicht alters- und entwicklungsgerecht wie sie immer wieder von der Lehrerin zu hören bekamen. Johanna hatte auch keine große Lust in die Schule zu gehen und zu lernen, sondern sie zeichnete viel lieber Bilder. Ihre Vorliebe und Begabung für das Zeichnen und Malen nahmen ihre Eltern jedoch nicht ernst, sondern Johanna wurde deswegen nur ausgelacht. Ihr Zwillingsbruder Max dagegen war ein sehr guter und fleißiger Schüler. Auf ihn konnten die Eltern wenigstens stolz sein.

Johannas Tante, die öfters zu Besuch war, fiel aber die Begabung des Mädchens auf und sie lobte Johanna jedes Mal für die wunderschönen Bilder.
Ihr Vater aber zerriss die Bilder und sagte in strengem Ton zu Johanna: „ Erledige endlich deine Hausaufgaben anstatt nur dumme Bilder zu malen. Nimm dir ein Beispiel an deinem Bruder. Er ist fleißig und bekommt gute Noten und du bleibst für immer dumm, Johanna.“
Traurig und wütend zugleich bleibt Johanna zurück in ihrem Zimmer. Anstatt sich mit Mathematik zu beschäftigen, malte sie ihr angefangenes Bild zu Ende. Es zeigte ein kleines Mädchen mit einem roten Regenschirm.
Plötzlich hat Johanna eine zündende Idee: sie schnappte sich einen Regenschirm und kletterte auf die Balkonbrüstung in ihrem Zimmer. Sie öffnete den Regenschirm und rief ganz laut: Hurra, ich kann fliegen! In diesem Moment stieß sie sich mit den Füßen ab und landete kurz darauf auf dem Rasen.
Es war zum Glück eine sanfte Landung und Johanna hat sich nicht weh getan.
Ihr Bruder Max war ganz begeistert von Johannas Flug. Spontan beschloss er, das gleiche zu tun und aus dem zweiten Obergeschoss zu springen. Gesagt – getan: mit aufgespanntem Schirm sprang er von der Balkonbrüstung und landete äußerst unsanft im Blumenbeet. Glücklicherweise hat Max, außer einem verstauchten Fuß, keine größeren Verletzungen davon getragen.
Als die Eltern von den „Schandtaten“ der beiden erfuhren, wurde Johanna beschuldigt und dafür verantwortlich gemacht.
Wieder einmal bekam sie als Strafe Hausarrest und musste in ihrem Zimmer bleiben.
„ So kann das nicht mehr weitergehen mit unserer Tochter. Wir müssen dringend etwas unternehmen, bevor sie noch mehr Unheil anrichten kann,“ beschlossen die Eltern noch am gleichen Abend. Johanna sollte so schnell wie möglich in eine Förderschule für schwer erziehbare Kinder gehen.
Die Tante war wieder einmal zu Besuch und erfuhr von der Entscheidung, Johanna in eine Sonderschule zu schicken.
Die Tante war damit nicht einverstanden, sondern bat Johannas Eltern stattdessen, ihre Tochter in einer Einrichtung für hochbegabte Kinder untersuchen zu lassen.
Die Eltern fielen aus allen Wolken über den Vorschlag der Tante und lehnten diese Idee vehement ab.
„ Nein, das kommt nun wirklich nicht in Frage. Johanna ist eher schwer erziehbar mit entwicklungsbedingten Auffälligkeiten, aber doch nicht hochbegabt!“
Aber oft kommt es anders als man denkt:
Johannas Eltern ließen ihre Tochter letztendlich nun doch untersuchen und es stellte sich tatsächlich heraus, dass sie einen IQ von 130 hat und somit überdurchschnittlich intelligent und hochbegabt ist.
Nun war natürlich die Freude darüber groß. Trotzdem machten sich die Eltern zunächst schwere Vorwürfe darüber, dass sie ihrer Tochter all die Jahre Unrecht getan hatten und sie für ihr seltsames Verhalten bestraften, anstatt sie zu fördern.
Sie versprachen nun ihrer Tochter, alles Versäumte nachzuholen, damit sie sich zu einem glücklichen und zufriedenen Mädchen entwickeln kann

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