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geschrieben 2017 von pianolove.
Veröffentlicht: 05.05.2018. Rubrik: Spannung


Käuzchenschreie

Ein weit entfernter Schrei eines Käuzchens erfüllte die Stille des Waldes, die er ausstrahlte, sobald die Dunkelheit über ihm ausbrach. Verschwommen nahm er den Vollmond, der zwischen den Ästen durchschien wahr. Mittlerweile konnte er sich fast lautlos durch den Wald bewegen. Den Weg konnte er im Schlaf und er kannte jeden Ast, Stein und jedes Unkraut, das ihm anfangs das Gehen schwer machten. Wie oft er den Weg in seinem Kopf durchgegangen war. Wie oft er ihn selbst am Tage gegangen war. Wie oft er die Situationen die passieren könnten nachgestellt hatte. Immer auf das Mögliche gefasst.
Heute musste alles klappen. Nicht noch einmal konnte er sich die Blöße geben sich hinter dem großen Felsen zu verstecken und einfach abzuwarten, bis es vorbei war. Heute musste er stark sein. Bisher hatte er nur als Transporteur fungiert. Alle Übergaben liefen ohne jegliche Vorkommnisse ab, er war nie auffällig und wusste die Vorzüge der Dunkelheit immer gut zu nutzen. Das war ihm das letzte mal zu gute gekommen, bis er schießen sollte und dann hinter dem Felsen verschwand und kniff.
Aber heute war sein Tag gekommen, an dem er sich noch einmal beweisen konnte. Er hätte nicht gedacht, dass er nochmal eine Chance bekam. Er dachte er sei raus. Aber als sich zwei Stunden später alle die noch lebten versammelt hatten, verkündigten sie, dass er nochmal gebraucht wird und er die Chance nutzen solle. Er musste noch eine Lieferung übernehmen und heute durfte er dabei sein. Dabei sein bei der großen Sache. Bei dem Ding auf das die Anderen sich schon Monate vorbereitet hatten.
Ein Knacken erweckte seine Aufmerksamkeit, woraufhin er herumfuhr. Ein Reh kreuzte entspannt einige Meter hinter ihm den Weg. Er war schon so leise, dass ihn selbst die Tiere nicht mehr wahrnahmen, dachte er und legte sein grässliches Grinsen auf. Er schaute auf die Uhr. Zehn vor zwölf. Eine Minute nach Mitternacht sollte er an der Hütte sein. Er musste sich sputen wenn er pünktlich kommen wollte. Schnell setzte er sich die schwarze Kapuze auf und stopfte seine Hände in die Jackentasche, wo er sie zu Fäusten ballte. Schnellen aber bedachten Schrittes lief er immer tiefer in den Wald, bis er Schemenhaft den Platz der Hütte ausmachen konnte. Ein kleiner Lichtkegel, der wahrscheinlich von einer Kerze ausging erhellte ganz leicht das winzige und einzige Fenster. Wieder schaute er auf die Uhr. Fünf vor zwölf. Er war zu früh, also musste er noch ein paar Minuten warten. Sie mochten es nicht wenn man zu früh oder zu spät kam. Jeder Einzelne hatte seine Uhrzeit, bei der er an der Hütte eintreffen musste. Keiner sollte sich auf dem Weg dort hin über den Weg laufen. Keiner sollte Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er hockte sich hinter einen Baum und hielt wachsam den Blick. Die Stille die er sonst so mochte kam ihm heute noch stiller vor als sonst. Plötzlich musste er an sein früher so normales Leben denken. Ein Haus, einen Garten, einen Hund und seine Freundin. Seine Freundin. Sie war das Schönste und Kostbarste in seinem Leben, bis sie ihn betrogen hatte. Betrogen mit seinem besten Freund. Heute waren sie und sein bester Freund immer noch zusammen. Zusammen unter der Erde, irgendwo hier im Wald, wo sie niemals jemand finden würde. Das war auch der Tag an dem die Anderen auf ihn aufmerksam wurden.
Er tat fast den letzten Spatenstich, die Pistole lag neben einem Baum auf einem Stein und mit jeder Schaufel, mit der er mehr Dreck auf seine angebliche Freundin und seinen angeblichen besten Freund warf, wurde sein Hass immer mehr. Als er nach Hause gehen wollte, stand sie plötzlich vor ihm. Eine junge Frau, ganz in schwarz gekleidet. Er hatte sie nicht bemerkt. Wo war sie so plötzlich her gekommen? Sie sagte ihm Dinge wie dass sie hier schon einiges gesehen hatte aber so einen krassen Typ wie ihn noch nicht und dass sie einen wie ihn brauchten. Dann nahm sie ihn an der Hand und führte ihn zu der Hütte.
Ein grässlicher Käuzchenschrei riss ihn aus seinen Gedanken. Mit einem Grinsen blickte er in den Himmel. Er liebte diese Tiere. Sie schrieen genauso wie seine Freundin damals, als sie die Pistole in seiner Hand erblickte. Ein Blatt fiel herab auf seine Knie. Es flog wie die Zeit dahin. Wie ein Glockenschlag zur Mitternacht. Er stand auf, schaute sich um und lief dann zur Hütte. Eine Minute nach Mitternacht klopfte er zweimal kurz, dreimal lang. Schritte kamen auf die Tür zu, dann öffnete sie sich. Er musste die Parole für die heutige Nacht sagen, woraufhin ihm Eintritt gewährt wurde. Sobald er die Türschwelle überschrittt fühlte er sich zu Hause und doch gleichzeitig auf Hochspannung. Die Anderen saßen auf dem Boden in einem Kreis. Schweigend setzte er sich dazu. Keiner sagte etwas. Als der alte Mann, von dem er noch nie mehr vom Gesicht als seine stahlgrauen Augen gesehen hatte, das Startzeichen gab, standen alle auf und verließen schweigend die Hütte. Keiner sagte etwas. Jeder wusste genau was er zu tun hatte. Ein kribbeln stieg in seinen Bauch und er roch schon das Blut, das gleich fließen würde, als jemand eine starke Hand auf seine Schulter legte. Er drehte sich um und blickte in die grauen Augen des alten Mannes. Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Noch nie hatte er sie von so nahem gesehen. Sie waren eiskalt und doch sah er ein leichtes flackern in ihnen. Ein Flackern, wie er es selbst in den Augen gehabt haben musste, als er den Abzug der Pistole an dem Kopf seiner Freundin drückte.Der alte Mann zog ihn zurück, weg von der Tür. Er wollte fragen was los sei, aber er bekam keinen Ton über die Lippen. Der Mann schubste ihn mit einer Wucht gegen die Wand, bei der er staunte, dass sie von so einem gebrechlich aussehenden Mann ausgehen konnte. Verwirrt stand er an der Wand als er sah wie der alte Mann blitzschnell seine Pistole zückte und auf ihn richtete. Mit vor Schock weit aufgerissenen Augen stand er da. Was sollte das? Er sollte doch seine zweite Chance bekommen. Er wollte alles geben. Wieso stand er hier? Er gehört nicht an diese Wand. Er gehörte raus in den Wald zu den Anderen. Der Mann machte einen Schritt auf ihn zu und flüsterte fast unverständlich „Verräter brauchen wir hier nicht!“. Dann sah er wie der alte Mann seinen Finger auf den Abzug legte. Er wollte schreien. Er wollte schreien, dass er kein Verräter ist und was das soll. Aber die Worte blieben ihm in der Kehle stecken und fielen ins nichts, als der Mann den Abzug drückte und die Kugel genau in sein Herz traf. Ein ersticktes Ächzen gab er noch von sich. Er roch den metallischen Geschmack von Blut, den er sonst so geliebt hatte. Sah verschwommen die gelben Zähne des alten Mannes zu einem Grinsen aufblitzen, dachte an seine tote Freundin und seinen toten besten Freund und sackte zu Boden, wo er von ganz weit weg den alten Mann sagen hörte, dass er dahin zurück kommt wo alles angefangen hat. Als er entgültig das Bewusstsein verlor, hörte er von ganz weit weg das grässliche Schreien eines Käuzchens, das er zum ersten Mal schrecklich fand.

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