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geschrieben von Nicoletta.
Veröffentlicht: 31.01.2022. Rubrik: Unsortiert


In Gedanken

Es ist Freitag, schon wieder ein Freitag. Sie hat keine Ahnung wie sie die letzten Freitage überstanden hat und schon gar nicht weiß sie wie sie diesen überstehen soll. Irgendwie findet sie die Freitage mittlerweile schlimmer als Montage. Was ist so schlimm an Montagen, eine neue Woche hat eine neue Chance, die Chance besser als die vorherige zu werden. Ein Neubeginn, ein Neustart, was ist daran so schlimm. Montage sind nicht schlimm, aber die Freitage. Die Woche ist fast zu Ende, keine Chance mehr aus der Woche etwas zu machen, es lief beschissen und die zwei Tage die übrig sind werden daran nichts mehr ändern.

Also wieder Freitag. Dieser ist besonders schlimm, denn ihr Motivation ist nun bei Null. Sie erträgt es so langsam nicht mehr. Keine Aufgabe, hoffen und bangen und am Ende doch wieder die Enttäuschung ertragen zu müssen.
Vielleicht muss es ja nicht so sein, vielleicht bildet sie sich die Enttäuschung nur ein und es ist alles gar nicht so schlimm. Und wieder stehen ihr die Tränen in den Augen. Wie die letzten Tage so häufig, sie hat es satt, sie will es nicht.
Sie liegt im Bett und will sich motivieren, etwas herrichten, raus in die Welt. Luft holen, Leben, Lachen und Lieben, aber es geht nicht. Es ist als ob sie langsam eins wird mit ihrem Bett. Nein nicht mit ihrem Bett, denn das ist nicht mal ihres. So langsam wird ihr schmerzhaft bewusst, dass sie nichts mehr besitzt, sie hat alles hinter sich gelassen, alles zurück gelassen und ist so schnell und weit gelaufen wie sie nur konnte. Alles, bis auf den Schmerz, der hat sie hartnäckig verfolgt und sie natürlich eingeholt.
Sie möchte schreien, so laut sie nur kann, aber es kommt kein Ton aus ihrem Mund. Das Messer in ihrem Herz lässt nur zu, dass lautlose Tränen über ihre Wangen laufen. Sie dreht sich im Bett und schlingt die Arme um sich, so wird sie wenigstens hin und wieder auch mal umarmt. So dämmert sie etwas vor sich hin und gibt sich schönen Erinnerungen hin, Erinnerungen die sich eher wie Träume anfühlen.


Verschwitzt sitzen sie gemeinsam auf der Bank und trinken ihr Wasser, holen Luft und sehen sich tief in die Augen. Sie hat das Gefühl das sie komplett alleine sind, niemand sie sehen kann und es einfach rundherum nichts gibt. Nichts außer sie Beide und das reicht ihr vollkommen. Sie fühlt sich unendlich glücklich, sie ist verliebt und diese Liebe sitzt so tief, treibt sie an, man könnte denken bestimmt ihr sein. Alles was sie sich die letzten fast vierzig Jahre so sehnlich erhofft hat, ist nun so nah das man meinen könnte, man könnte es in die Hände nehmen und durch die Finger gleiten lassen. Selten hat sie ein so tiefes Gefühl der Zufriedenheit in sich gespürt. Sie sieht ihn in die Augen und sie sieht alles was sie will, er berührt sanft ihre Finger und sie weiß das ist alles was sie braucht. Sie erinnert sich nicht daran, je so etwas zuvor bei einer Berührung gefühlt zu haben. Sie möchte so viel mehr. Sie möchte ihn ganz.
Der Versuch ihn etwas leicht zu necken um ihn aus der Reserve zu holen funktioniert fast.
Er zieht sie ganz nah an sich heran, küsst sie so leidenschaftlich dass ihr Körper zu beben beginnt, hält sie so fest, dass es kein Widerspruch geben kann. Sie vermutet dass sie gleich erstickt, wenn er sie nicht von dieser unsagbaren Lust auf ihn befreit. Dann setzt er sich wieder etwas zurück, grinst schelmisch und sagt: „Wenn wir schon Sex gehabt hätten. Hätte ich jetzt genau hier einen Quicki gefordert.“
Von jetzt auf gleich lässt er von ihr ab, nimmt seinen Squash-Schläger und fragt ob sie noch Lust hat auf eine Runde.
Sie versucht sich die Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, lächelt und nickt. Der Quicki hätte ihr jetzt auch gut gefallen. Er versteht es gut mit ihrer Lust zu spielen, sie zu erwecken. Leider sind sie bisher noch nie bis zum Ende gekommen. Manchmal kommt die Frage, nur für sie, ganz leise: Liegt es an mir?. Doch dann wieder eine flüchtige Berührung, ein Lächeln oder der Blick in seine schönen blauen Augen, eine Umarmung und alle Bedenken sind weg. Sie hat versucht sich dem ganzen zu entziehen, sie wollte es nicht mal zulassen, aber sie hatte von Anfang an keine Chance. Das Interesse und die Gefühle für diesen Mann haben sie von der ersten Sekunde als sie sich begegnet sind überrollt, jeder Versuch der Gegenwehr ist gescheitert. Er ist in ihrem Kopf, in ihrem Herzen und sie wehrt sich nicht mehr dagegen.

Da fand er mich noch attraktiv, da hat man noch gespürt das er mich liebt. Er hat mich bei jeder Gelegenheit berührt und geküsst, er hat sich jede Zeit der Welt genommen um bei mir zu sein, er war der liebevollste Mensch dem ich je begegnet bin. Außer die Oma natürlich.

Ach wie vermisst sie sie.
Sie war die warmherzigste Frau der Welt, die einzige Bezugsperson die sie je hatte. Der einzige Mensch auf der Welt der sie wenigstens versucht hat zu verstehen, wo sie sein konnte wie sie ist, der sie akzeptiert und geliebt hat mit all ihren Fehlern und Macken. Warum musste ausgerechnet sie so früh aus dem Leben gehen. Seit die Oma Tod ist fühlt sie sich nur noch alleine auf der Welt. Alleine und ungeliebt. Unverstanden und verachtet.
Die Tränen fließen nun unaufhörlich, ihr brennen die Augen, sie will sich zum aufhören zwingen, doch je mehr sie es versucht, umso schlimmer muss sie weinen. Der Schmerz übermannt sie, drückt ihr auf der Brust so dass sie kaum noch Luft bekommt.
Was hat sie falsch gemacht, warum wendet er sich ab? Sie wünscht sich so sehr mit ihrer Oma reden zu können, sie hätte sicher einen Rat. Aber so muss sie mit sich selbst reden und das funktioniert nicht so gut. Sie ist ja selbst so ratlos, und so verdammt traurig.
Ihre Gefühle haben sich nicht geändert, sie schaut ihm in die Augen und sieht genau den Platz wo sie hingehört. Ihr Körper wird warm und Glück durchströmt sie. Allein bei den Gedanken an seine Augen wird ihr warm, aber heute drückt sie diese Wärme in eine unsagbare Traurigkeit. Seine Gefühle ihr gegenüber scheinen sich verändert zu haben. Oder er findet sie einfach nicht mehr so anziehend. Sie weiß es nicht.
Natürlich hat sie schon versucht mit ihm darüber zu reden, aber jedes Gespräch ist in einem Streit geendet. Wenn sie es direkt angesprochen hat, dann hat er keine klare Antwort darauf gegeben, ist dem ausgewichen und hat sie in ihren Augen sehr gleichgültig verhalten. So was macht sie rasend vor Wut. Er weiß es auch, aber macht es eben trotzdem, vielleicht interessiert es ihn einfach nicht wie sie sich fühlt. Er tut es an sich immer noch, bei allen möglichen Lappalien. Sie versucht es tapfer zu schlucken, sich nichts anmerken zu lassen. Aber es frisst sie auf. Und da er ihr in der Hinsicht absolut nicht entgegenkommen möchte, hat sie beschlossen nicht mehr mit ihm darüber zu sprechen. Es bringt ja nichts, außer den nächsten Streit. Ihre tausend Fragen und Befürchtungen sind dadurch auch nicht beseitigt, im Gegenteil, es kommen immer noch mehr dazu.
Wenn sie genauer darüber nachdenkt, ist er seit dem vorletzten Streit so abweisend zu ihr. Seit dem hat er sie, außer einmal, auch nicht mehr wirklich geküsst. Es gab nur ab und zu einen flüchtigen Kuss, eine flüchtige Umarmung, aber keine Intimität mehr.
Sie erinnert sich, dass er sonst immer bald verrückt geworden ist wenn sie abends auf der Couch noch etwas zusammengekuschelt einen Film angesehen haben und sie einen BH an hatte. Er solange diskutiert bis sie ihn ausgezogen hatte oder gleich selbst ausgezogen. Sie lagen fast jeden Abend zusammen auf der Couch, er hat sie berührt, überall, ihre Brüste gestreichelt und sie mit seinen Küssen fast in den Wahnsinn getrieben und sie hat sich im Leben nie wo anders wohler gefühlt und gewusst, sie hat hier alles was sie braucht.
Und heute, zum Freitag, liegt sie weinend im Bett, alleine, sehnt sich nach seinen Berührungen, nach seiner Liebe und ist unfähig aufzustehen, sich im Bad fertig zu machen und zu Leben.
Mit einem Kloß im Hals dreht sie sich wieder um und zieht die Decke noch höher, bis ihr Gesicht fast darunter versteckt ist. So fühlt sie sich etwas sicherer, todtraurig aber sicherer. Sie kann nicht aufstehen, sie hat Angst jemand könnte bemerken wie mies sie sich fühlt. Am Ende hilft ihr doch keiner, außer sie sich selbst. Aber kann sie sich selbst da raus holen? Kann sie ihre Gefühle ignorieren und einfach weiter machen, ob alleine oder mit ihm?
Eigentlich ist sie doch geflüchtet weil sie alles hinter sich lassen wollte, einen Neustart brauchte. Wieder Kraft tanken und das Leben lieben. Es sollte alles so viel besser werden und nun ist es noch schlimmer. Alleine ist sie schon lange, damit kam sie immer sehr gut klar. Aber jemand von ganzen Herzen zu lieben und doch alleine sein, selbst wenn er neben einen sitzt sich allein zu fühlen ist doch die größte Folter die es gibt. Warum passiert ausgerechnet ihr das? Hat sie immer noch nicht genug gelitten? Was kann ein Mensch den schon so schlimmes tun, dass die Strafe dafür nie endet? Es sollte doch so viel besser werden und es hat doch so gut angefangen.
Die schmerzenden Augen reißen sie aus den Gedanken. Sie hat nicht mal mehr gemerkt das sie nicht mal mehr weint, sondern ganze reißende Bäche aus ihren Augen fließen. Sie versucht sie wegzuwischen, reibt an den Augen mit dem Ergebnis dass diese noch mehr schmerzen. Ein Leben ohne Schmerz, wie schön das doch wäre denkt sie und erinnert sich schmerzhaft an den Anfang.

Gleich hat sie Feierabend. Sie freut sich schon Wahnsinnig. Endlich mal wieder tanzen gehen. Die letzte Bewohnerin ist nun an der Reihe, aber nicht bevor sie ihren Arbeitskollege nochmal Bescheid gegeben hat, dass sie pünktlich los müssen.
Ihre Bewohnerin freut sich als sie zur Tür rein kommt. Sie ist viel alleine im Zimmer und bei manchen Pflegern unterhält sie sich gerne noch etwas. Eigentlich ist sie heute nicht in Stimmung, sie möchte ja pünktlich los, damit sie auch pünktlich fertig ist wenn sie abgeholt wird, kann ihr aber auch nichts ablehnen. Also deckt sie das Bett auf und hört ihr dabei zu. Sie erzählt ihr heute die Geschichte wie sie ihren Mann kennengelernt hat:

Ich war ja schon Mutter, aber der Vater meiner großen Tochter ist fremd gegangen als ich schwanger war. Da hab ich ihn zum Teufel gejagt. So jemand werde ich nicht heiraten hab ich gesagt. Meine Oma sagte immer, das Kind bekommen wir schon groß, so jemand musst du nicht heiraten, wir schaffen das. Nu war die Kleine auch schon vier Jahre und ich immer noch alleine. Ich bin ja auch nirgendwo mehr hingegangen. Ich musste mich um mein Kind kümmern, war am Vormittag immer arbeiten und am Abend hab ich mit im Haushalt geholfen. Ich habe zu der Zeit noch mit meiner Tochter bei meiner Mutter und meiner Oma gelebt. Als alleinstehende Mutter war das früher nicht so einfach.
Irgendwann meinte meine Oma, die Kleine schläft die Nacht bei ihr und ich soll mich hübsch machen. Der Schallmeienverein gibt im Ort ein kleines Sommerfest. Ich sollte mal wieder raus, andere Menschen kennenlernen und im optimalen Fall auch einen Mann. Ich kann ja nicht immer mit meiner Tochter alleine sein und im Haus meiner Eltern leben, sagte sie zu mir. Eigentlich hatte ich keine Lust dazu, ich wollte nicht tanzen gehen. Wen soll ich nur in unserem kleinen Ort kennenlernen und wer nimmt mich schon mit Kind. Außerdem ist es nicht ganz so schön abends weg zu gehen, wenn man doch weiß man muss früh wieder aus dem Bett weil man ja ein Kind hat um was man sich kümmern muss. Aber meine Oma ließ keine Widerworte zu und ich suchte mir mein schönstes Kleid aus dem Schrank, richtete mir etwas die Haare und bin ins Vereinshaus gegangen. Da saß ich eine ganze Weile an der Seite und schaute den anderen Paaren beim tanzen zu, als die Tür aufging und drei junge Männer herein kamen. Der eine, der mir gleich ins Auge gefallen ist, das war ein wirklich sehr attraktiver Mann, schaute sich kurz im Raum um, sah mich an der Seite sitzen und sein Blick blieb auch eine Weile bei mir hängen. Dann ging er mit seinen Freunden an einen Tisch auf der anderen Seite des Raumes. Sie saßen noch nicht lange, da wurde er gleich von einer jungen Frau zum tanzen aufgefordert. Das hatte mich gewundert, er schien sehr schüchtern zu sein. Ich habe ihn eine Weile beobachtet, bis ich selbst endlich mal zum tanzen aufgefordert wurde, meine Tanzpartner hatte nur nicht viel Freude an mir, er merkte das ich nur Augen für einen Anderen hatte. Als das Lied zu Ende war bedankte er sich für den Tanz und ging. Ich habe gesehen das der hübsche Mann mich wohl schon eine Zeit lang beobachtet hat und bin einfach, frech wie ich bin, zu ihn an den Tisch und habe ihn gefragt ob er mich nicht langsam mal zum tanzen auffordern möchte, oder ob er lieber noch bissl sitzen bleiben möchte und mich beobachten. Er war sehr erstaunt aber wir haben dann den ganzen Abend getanzt, bis in die Nacht hinein. Morgens, es muss gegen zwei Uhr gewesen sein, hat er mich dann noch nach Hause gebracht und den Wunsch geäußert mich wieder sehen zu wollen.
Ein Jahr später haben wir geheiratet und ich hatte die schönste und glücklichste Ehe die man sich vorstellen kann. Klar hatten auch wir Höhen und Tiefen, aber die sind nur halb so schlimm wenn man sie gemeinsam meistert.
Mädchen du musst tanzen gehen, du musst einen Mann für dich finden, du kannst doch nicht für immer alleine bleiben! Hier auf Arbeit wirst du keinen Mann kennenlernen und das Leben besteht nicht nur aus Kindern und Arbeit, du brauchst einen ordentlichen Mann. Es ist Samstag, mach dich hübsch und geh raus.

Sie versuchte ihr noch klar zu machen, dass sie nicht unglücklich mit ihrer Situation ist, das sie keinen Mann braucht um ein schönes Leben zu haben. Sie erzählte ihr sogar dass sie glaubt das sie einfach nicht mehr in der Lage ist sich zu verlieben, das hat sie bis dahin nie jemand erzählt, sie hatte sich immer geweigert es laut aus zu sprechen. Sie glaubte immer, solange es nicht laut gesagt ist, ist es nicht wahr. Denn auch in ihrem Leben gab es eine lange, verzweifelt Zeit in der sie sich nach Liebe gesehnt hatte. Aber diese Zeit lag hinter ihr, sie hat das alles zurück gelassen. Die Geschichte wie sie ihren Mann kennengelernt hatte fand sie aber sehr schön, so schön das sie fast die Zeit vergessen hätte und sie wollte ja pünktlich los.
Sie erzählte ihrer Bewohnerin nicht das sie vorhatte in einer Stunde mit einer Freundin und ihren Kollegen tanzen zu gehen, sie fand es schon komisch dass sie ausgerechnet heute diese Geschichte erzählt bekam.
Aber durch die rennende Zeit hatte sie keine Möglichkeit sich weiter mit dem Gedanken zu beschäftigen. Sie fuhr nach Hause, ihr Arbeitskollege sagt ihr, dass er es nicht pünktlich schafft, aber später nach kommen würde. Sie ging unter der Dusche, suchte sich was hübsches zum anziehen und legte ein dezentes Make Up auf. Für die Haare hatte sie leider keine Zeit mehr, also steckte sie sie ein bisschen zusammen. Da kam auch schon die WhatsApp ihrer Freundin dass diese vor der Tür steht und wartet.
Sie verabschiedet sich von ihren Eltern, zog sich eine Jacke über und ging hinaus. Am Auto angekommen sah sie dass die Freundin nicht alleine vor. Sie stellte ihren Begleiter kurz vor und die Fahrt ging los.

Im Auto erzählte die Freundin dann, dass sie auf ihrer Facebookseite ein Bild vom letzten Wochenende hochgeladen hatte, wo sie leicht verschwommen im Hintergrund zu sehen ist. Darauf hat sie ein Kumpel angeschrieben, der will sie unbedingt kennenlernen. Der kommt auch in die Disco, er bringt noch einen anderen Kumpel mit. Bei dem muss sie aber dann aufpassen, das ist ein Schürzenjäger, der hat jedes Wochenende eine Andere.
Na toll, darauf hatte sie natürlich gar keine Lust. Das war das letzte was sie wollte, irgendwelche Idioten kennenlernen. Die schlechten Erfahrungen mit den Männern in der Vergangenheit hatten sie einfach zu sehr geprägt, sie hatte da einfach keine Lust mehr drauf. Weder auf eine beschissene Beziehung, noch zum vögeln. Denn eins wusste sie, auf Drama und Machtkampf hat sie keinen Bock mehr und egal welche Variante, es läuft immer auf das Selbe hinaus. Sie fühlte sich alleine wirklich am besten. Sie ärgerte sich sogar dass sie es jetzt erst erfahren hat, hätte sie es eher gewusst dann wäre sie gar nicht erst mitgefahren. Aber nun ist es zu spät, sie sind da. Sie hofft einfach dass ihr Arbeitskollege bald nachkommt, damit der Abend wenigstens noch ein wenig lustig wird.
An der Disco angekommen ist sie mit den Zweien an die Bar um Getränke zu holen und sie haben sich ein schönes Plätzchen gesucht. Kaum dort angekommen kamen auch schon die Kumpel ihrer Freundin und sie verfluchte den Abend erneut.
Als die drei an den Tisch kamen, machte sich die Freundin noch darüber lustig, dass der eine sein Date vom Nachmittag dabei hat und die doch wirklich nicht so hübsch ist wie er immer tut, wie seine Freundinnen aussehen müssten. Sie schrieb in der Zeit mit ihren Arbeitskollegen, dass er endlich seinen Arsch hin schwingen soll. Die Dreiergruppe war nun am Platz angekommen und sie schaute auf, sagte guten Tag, gab die Hand und lächelte.
Für einen kurzen Moment fror ihr Lächeln ein, was war das? Irgendwas war „komisch / anders“ als sie ihm die Hand gab. Aber was? Nein, das kann sie sich nur eingebildet haben.
Der Mann der sie unbedingt kennenlernen wollte stellte sich neben sie und versuchte ganz unbeholfen ein Gespräch mit ihr anzufangen, aber es war ein sinnloses unterfangen. Ihr war schon beim Hallo-sagen klar, nein er definitiv nicht. Er war einfach überhaupt nicht ihr Typ. Sie ärgerte sich eher darüber das sie sich für dem Mann interessiert, der sein Date dabei hat. Das war wieder typisch für sie. Männer bringen halt wirklich nur Ärger. Sie hätte einfach zu Hause bleiben sollen. Ihr Arbeitskollege hat auch gerade geschrieben das er nicht mehr kommt. Es ist zum verzweifeln. Nur gut das der eine Mann schnell gemerkt hat, dass sie kein Interesse an ihm hat und sie relativ in Ruhe gelassen hat. Aber der Andere geht ihr nicht ganz aus dem Kopf. Wenn sie sich sicher war das er abgelenkt ist, musste sie immer heimlich zu ihm rüber schauen. Er hat ihr schon gefallen, irgendwas war da. Irgendwas hat sie angezogen.

Der Abend wurde doch noch schön. Sie haben alle viel gelacht, erzählt, gescherzt, getrunken, getanzt und Tischkicker gespielt. Sie ist auch mit ihn ins Gespräch gekommen und hat auch erfahren das die Frau die mit ihm kam nur eine Bekannte und kein Date ist. Vielleicht war es der Alkohol, oder die Tatsache dass auch er Interesse an ihr zeigte, oder beides, aber sie wurde lockerer ihm gegenüber. Warum sie aber zu ihm rüber gegangen ist, als er den Wunsch geäußert hatte sie zu küssen, weiß sie bis heute nicht. Sie hat es einfach getan und sie haben sich geküsst.
An das komplette Ausmaß kann sie sich leider nicht mehr erinnern, aber sie weiß noch genau das es sehr leidenschaftlich war, das sie ein Krippeln im ganzen Körper hatte und das sie gehofft hat der Kuss würde nie mehr enden. Ihre Freundin sagte ihr ein paar Tage später, dass sie Angst hatte das sie nie mehr aufhören. Sie müssen wohl für den Rest des Abends die Finger nicht mehr voneinander gelassen haben.

Wie konnte das alles in so kurzer Zeit nur so extrem Nachlassen. Wo ist die Leidenschaft von vor zwei einhalb Monaten hin? Was hat sie getan dass es schon ausgeträumt ist und sie sich in ihrer persönlichen Hölle gefangen fühlt. Ihre Gefühle haben nicht nachgelassen, im Gegenteil. Sie sind wahnsinnig gewachsen. Das ist es was sie so quält, sie hat sich darauf eingelassen, sie hat es zugelassen, sie liebt nach so vielen Jahren wieder, ehrlich und aufrichtig. Aber sie hat das Gefühl, dass er von ihr genug hat, das er sie nicht mehr attraktiv findet, das er sie nicht mehr will. Warum tut er mir das an, fragt sie sich seit zwei Wochen fast täglich. In ihrer Kehle schnürt sich etwas zusammen, wie konnte sie ihm nur so egal werden. Noch vor zwei Wochen hat er ihr fast die Sterne vom Himmel geholt.
Sie erinnert sich an das warme Gefühl was sie in sich trug nach ihren ersten Treffen. Das Lächeln welches ihr nicht mehr weichen wollte, als er sie nach Hause gefahren hatte und sie nach einem langen, intensiven Kuss alleine in ihrem Bett lag. Sie war sich da schon sicher, dass das der Mann werden würde mit dem sie alt wird, mit dem sie den Rest ihres Lebens verbringen möchte. Natürlich hat sie nichts gesagt gehabt, sie wollte sich sicher sein. Sie war allgemein eine Frau die gern Sicherheit hat, in all ihrem Tun und Handeln. Sein Tun und Handeln, seine wirklich wundervollen Worte haben ihr mit der Zeit die Sicherheit gegeben und sie hat angefangen zu vertrauen und sich darauf eingelassen.
Wie dumm ich doch war, dachte sie sich. All die Glückseeligkeit, selbst die Liebe fangen an sich in tiefer Trauer zu verwandeln. Trauer und unendliche Wut, Wut auf sich selbst. Sie hätte es besser wissen müssen, sie hätte sich schützen müssen davor. Es nüchtern betrachten oder abbrechen bevor es zu spät ist. Nun ist es zu spät, sie liegt zum Freitag im Bett und weint, weint und schreit innerlich. Sie versucht sich aufs Atmen zu konzentrieren, das Luft holen fällt ihr schwer, aber es klappt nicht, sie ist zu nichts in der Lage außer diesen tiefsitzenden Schmerz zu spüren, der sich in ihrer Brust ausbreitet und häuslich nieder lässt. Warum war sie nur so dumm, so schlummerte sie ein kurzes Stück, in Tränen aufgelöst weg.

Hand in Hand laufen sie am Rhein entlang, lachen, scherzen und unterhalten sich. Es ist kühl und nebelig, aber das stört sie nicht. Ein wenig KO von der Arbeit ist sie einfach nur froh endlich in seine wunderschönen blauen Augen schauen zu dürfen, seine Hand halten zu können, sich ganz eng an ihn ran kuscheln zu können. Wenn sie jemand fragen würde wie sie sich fühlt, sie würde antworten, dass sie der glücklichste Mensch der Welt ist, dass sie ihren Seelenverwandten gefunden hat, das sie sich nie im Leben wohler gefühlt hat. Sie fühlt sich, als ob nichts und niemand ihr etwas anhaben könnte, als ob sie ihre Hand in den sichersten Händen der Welt gelegt hat und dieser wundervolle Traum nie mehr enden würde. Sie würde sagen, dieses Drehbuch kenne ich schon, es wird ein Happy End.
Er bleibt stehen, dreht sich zu ihr um, zieht sie an sich heran und küsst sie so leidenschaftlich, dass sie das Gefühl hat die tausend Schmetterlinge in ihrem Bauch bahnen sich in einigen Sekunden einen Weg nach draußen. Sie kommen definitiv durch die Bauchdecke, so wild wie sie darin herum flattern. Bitte lass das nie mehr aufhören, denkt sie sich.
Er braucht nur eine winzige Berührung, einen kleinen Blick, einen Kuss und sie kann nicht mehr klar denken. Er macht sie wahnsinnig, er macht ihr eine wahnsinn´s Lust, sie weiß genau wo sie hingehört und wo sie unbedingt sein will. Wie hatte sie die letzten Jahre nur ohne ihn geschafft, wo hat er sich versteckt? Mussten wirklich erst die vielen schlechten Erfahrungen und Zeiten kommen, bis sie endlich auch einmal Glück und Liebe erfahren darf?
Sie möchte hier nie mehr weg, für den Rest ihres Lebens mit ihrer Liebe am Rheinufer spazieren gehen, seine Hand halten und diesem wundervollen Mann in die schönen blauen Augen schauen. Stundenlang seiner Stimme lauschen oder schweigend und träumend neben ihm laufen. Wie oft hat man schon einen Menschen an seiner Seite, mit dem man auch schweigen kann ohne das es unangenehm wird?

Als sie wach wird, hat sie immer noch das wohlig warme Gefühl in sich, dieses Gefühl welches sie auch an dem Abend am Rheinufer hatte. Sie wollte nicht wach werden, sie wollte zurück in ihren Traum. Sie wollte diesen Abend wieder und wieder, in einer Dauerschleife durchleben. Der Abend an dem sie beschlossen hat auf ihr Herz zu hören, den Kopf keine Chance auf Widerrede zu geben und sich dem fremden Mann, der ihr vertrauter wirkte als jeder andere Mensch ein Teil ihres Lebens zu werden. Sie liebt ihn so sehr, das sie alle Bedenken beiseite schob. Sie wollte sich in seine vertrauensvolle Hände begeben, sie sagte innerlich laut Ja, zum Leben, zur Liebe, an diesem Abend, bei diesem Spaziergang. Hier sollte für sie ein neues Leben beginnen, hier hat sie ihre Entscheidung getroffen. Unwiderruflich.

Was war seitdem geschehen, was ist nur mit uns passiert?
Und wieder laufen ihr die Tränen über die Wangen, wieder dieser Druck auf der Brust, das Gefühl schreien zu müssen, aber wenn sie den Mund öffnet kommt ihr kein Laut über die Lippen.
Da ist nichts mehr, nur dieser unerträgliche Schmerz für den es keine Tabletten gibt, keine Tropfen die Linderung versprechen. Sie fühlt sich als würde sie in Ohnmacht fallen müssen. Oh so gern würde sie in Ohnmacht fallen, dort bleiben und nur noch in den Erinnerungen leben.
Sie vermisst ihn so sehr, sie vermisst seine Nähe so sehr, es ist schier unerträglich. Wie soll sie das nur durchstehen. Wie soll sie damit alleine klarkommen können. Sie weiß sich einfach keinen Rat mehr. Kann sie nicht einfach einschlafen und für immer in ihren Träumen bleiben, immer mit ihm Hand in Hand, Arm in Arm am Rheinufer spazieren gehen?

Sie wusste, dass das nicht möglich ist, sie wusste, dass sie wach werden muss, dass sie ihr Leben nicht träumen kann. Sie wusste das es so nicht weitergehen kann. Also stand sie auf, ging ins Bad um sich etwas zu waschen und anzuziehen, richtete sich die Haare und ging in die Küche. Bei dem Blick auf die Uhr bemerkte sie wie spät es schon war, er würde gleich nach Hause kommen. Sie nahm einen Zettel, auf diesem schrieb sie: Ich liebe dich..
Und so verließ sie die Wohnung, mit Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals der ihr das Atmen erschwerte. Sie wollte nie mehr Lieben müssen.

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