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geschrieben von Ernst Paul.
Veröffentlicht: 12.02.2022. Rubrik: Lustiges


Kundenangeln und Manipulation

Kevins Diplomarbeit „Kundenangeln und Manipulation zur Steigerung des Umsatzes in Großkaufhäusern“ erhielt sehr gute Kritiken. Sein Mentor, Dr. Mangold verfasste daraufhin ein Empfehlungsschreiben für das Großkaufhaus „Alles aus einer Hand“ in der Berliner Nischel-Allee. Er hält Kevin als besonders geeignet für einen Assistenten der Geschäftsleitung.
„Kevin“, sagte Dr. Mangold, „ich habe hier ein Empfehlungsschreiben für das Großkaufhaus „Alles aus einer Hand“ in Berlin. Die Geschäftsleitung sucht dort einen fähigen Assistenten. Das sollte für Sie der perfekte Einstieg ins Berufsleben sein“. Kevin bedankte sich. Er war froh, dass Dr. Mangold eigene Beziehungen nutzte, um ihm einen erfolgreichen Start ins Berufsleben zu ermöglichen.
Kevin fügt seinen Bewerbungsunterlagen neben dem Empfehlungsschreiben von Dr. Mangold auch eine Zusammenfassung seiner Diplomarbeit bei. Kurze Zeit später erhält er eine Einladung zum Bewerbungsgespräch. Dr. Althaus, der Geschäftsführer des Großkaufhauses führt dieses Gespräch selbst durch.
„Ich habe die Zusammenfassung ihrer Diplomarbeit gelesen und bin überzeugt von ihrer wissenschaftlichen Leistung. Wenn wir ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse strikt umsetzen, Kevin, ich darf doch Kevin sagen, können wir den Umsatz, kleingerechnet, um 50% erhöhen. Das wäre schon mal eine Ansage an alle Wettbewerber und ein positives Signal für unsere Eigentümer.“
„Ja, Herr Direktor“, sagte Kevin, „wie Sie schon sagen, kleingerechnet. Wenn unsere Verkäufer einer intensiven Schulung unterzogen werden, wird das sicher klappen. Ich würde diese Schulungen gern durchführen“.
„Davon gehe ich auch aus, Kevin. Wer sollte sie sonst auch durchführen?“
Kevin fiel ein Stein vom Herz. Das war die Zusage für die Anstellung als Assistent der Geschäftsleitung. Dank des Empfehlungsschreibens von Dr. Schmidt und seiner guten wissenschaftlichen Leistungen, die er in seiner Diplomarbeit dargelegt hat, ist es ihm gelungen in der oberen Leitungsebene diese Kaufhauses Fuß zu fassen.
Der Handel ist das Herz der Wirtschaft. Dass ist die innigste Überzeugung von Kevin. Der Handel muss florieren, sonst landen alle produzierten Waren auf der Halde. Wenn die produzierenden Betriebe nur wenig Absatz ihrer Produkte haben, bedeutet es für die Beschäftigten Kurzarbeit oder auch Arbeitslosigkeit. Deshalb ist es die wichtigste gesellschaftliche Aufgabe des Handels Kunden für diese Waren zu finden und sie zum Kauf zu bewegen. Eine Aufgabe, mit der sich Kevin in seiner Diplomarbeit befasste und theoretisch auch nachwies, dass es in der Praxis klappen könnte.
„Ich denke auch, dass wir so verfahren werden,“ sagte Dr. Altmeyer, „ich stelle Sie als Assistent der Geschäftsleitung ein. Sie werden sich vorrangig um die Mitarbeiterschulungen kümmern. Vorerst aber gehen Sie in den Verkauf! Zeigen Sie uns, wie ihre Verkaufstechnik funktioniert! Legen Sie uns Ergebnisse auf den Tisch!“
Dr. Altmeyer unterzeichnete den Arbeitsvertrag ohne mit Kevin über das Gehalt gesprochen zu haben. Kevin war es vorerst egal, wieviel er verdiente. Er wollte eine Arbeitsstelle in der oberen Leitungsebene und er wollte sich beweisen.
„Mit diesem Arbeitsvertag gehen Sie bitte in die Personalabteilung und erledigen die restlichen Formalitäten. Morgen beginnt ihr erster Arbeitstag.“
Kevin dankte für das entgegengebrachte Vertrauen und verabschiedete sich bei Dr. Altmeyer. Am kommenden Tag erschien Kevin pünktlich im Kaufhaus. Er stellte sich seinen Kollegen vor und begann mit seiner Arbeit, dem Verkaufen.
Gegen Abend rief ihn Dr. Altmeyer zu sich.
„Na, Kevin, waren Sie mit ihrem ersten Arbeitstag zufrieden?“
"Ja, ich war sehr zufrieden, Dr. Altmeyer“.
„Das höre ich gern. Wieviel Kunden haben Sie denn bedient?“
„Ich habe einen Kunden bedient, Dr. Altmeyer“, entgegnete Kevin, nicht ohne ein Schmunzeln zu verbergen.
„Für einen guten Verkäufer ist ein Kunde am Tag recht wenig“, knurrte Dr. Altmeyer, „unsere Durchschnittsverkäufer bedienen am Tag 8 bis 10 Kunden. Wieviel Umsatz haben Sie denn mit diesem Kunden geschrieben?“ fragte Dr. Altmeyer etwas enttäuscht.
„Ich habe 120.000 € Umsatz geschrieben“, sagte Kevin nicht ohne Stolz.
„120.000 €?“, fragte Dr. Altmeyer erstaunt. „Was hat denn dieser Kunde gekauft?“
„Ich habe diesem Kunden die Funktionsweise der Angelhaken erklärt“.
„Ach, so? Angelhaken?“, widerholte Dr. Althaus ungläubig.
„Ja“ sagte Kevin, „ich habe den Kunden erklärt, warum so viele verschiedene Haken und Posen zum Angeln angeboten werden müssen. Auch den Unterschied zwischen Raubfischen und Friedfischen erklärte ich ihm. Und auch, dass zum Fang dieser Fische unterschiedliche Angelruten verwendet werden. Das Spezialgebiet des Fliegenfischens habe ich bewusst weggelassen. Das hätte meinen Kunden überfordert. Der Kunde war von meinen Ausführungen sehr angetan. Und als ich sagte, dass mit der passenden Rute, dem passenden Haken, der richtige Pose und dem richtigen Köder einer gesunden Mahlzeit nichts im Weg steht, entschied er sich die Grundausrüstungen für den Fried- und Raubfischfang zu kaufen“.
„Das ist ja schön, aber von 120.000 € sind wir noch weit entfernt“, antwortete Dr. Altmeyer gespannt auf die weiteren Ausführungen von Kevin.
„Ja, natürlich. Da haben Sie recht, Dr. Altmeyer. Der Kunde brauchte ja auch noch die notwendige Anglerbekleidung einschließlich Sitzgelegenheit“, sagte Kevin, „die habe ich ihm dann auch gleich verkauft. Schließlich wollte er von mir noch wissen, wo er Raub- und Friedfische fangen kann. Ich sagte ihm, dass der Hecht, der Zander und der Wels, aber auch der Karpfen und die Barbe im Wannsee ein sehr gutes Leben fristen und darauf warten, gefangen zu werden.
„Sie kennen sich ja wahrlich gut aus mit dem Angeln“, sagte Dr. Altmeyer, „es ist doch schön, wenn Sie ihr Hobby Angeln auch im Verkauf nutzen“.
„Ich angle nicht in meiner Freizeit, Dr. Altmeyer. In meiner Freizeit jogge ich lieber, gehe in das Fitnesscenter oder fahre lange Strecken mit dem Fahrrad. Ich habe mir eine gute Smartwatch zugelegt, die alle meine Aktivitäten auf dem Smartphone registriert. Da bin ich ständig über meine Fitness informiert. Das Angeln bringt mir nichts. Da sitze ich nur die ganze Zeit in einem Kahn, stiere auf die Pose und warte bis diese Pose zappelt. Meine Smartwatch würde dann kaum Signale erhalten und sofort Alarm an die Leitstelle senden und melden, dass ich Scheintod bin. Nein, das Angeln ist nichts für aktive Menschen wie mich“.
„Ja, ich dachte nur, weil sie sich so gut mit dem Angeln auskennen“.
„Es gehört zu meinen Verkaufsvorbereitungen mich über die angebotenen Produkte richtig zu informieren. Nur so kann ich auch einen Kunden motivieren einen Kauf zu tätigen“.
„Da haben Sie natürlich recht, Kevin. Wie sind Sie denn weiter verfahren?“
„Ich erklärte dem Kunden, dass es jetzt ein großer Hit ist, Fische selbst zu räuchern. Es ist schon etwas Besonderes, wenn Sie zur Grillparty im Garten neben dem Steak und der Bratwurst auch einen selbstgefangenen geräucherten Hecht anbieten können“, sagte ich zu ihm. Mein Angebot, sich unsere Räucheröfen anzusehen, lehnte er ab. Er bereite Hecht immer auf dem Grill zu. Gut verpackt in Alufolie und mit einer eigenen Gewürzmischung mariniert.
„Da gibt es nichts Besseres“, schwärmte er.
Ich gab dem Kunden recht und sagte, dass auch mir der gegrillte Hecht am besten schmeckt und verwies auf unsere Buchabteilung, die sehr schöne Kochbücher im Angebot hat. Man könne ja auch mal ein neues Rezept ausprobieren, versuchte ich ihn in seiner Meinung zu beeinflussen.
„Ich sagte doch, dass es nichts Besseres gibt, als mein Hausrezept für gegrillten Hecht“, entgegnete er etwas aufgebracht. Er brauche keine Kochbücher. Schon gar keine Kochbücher von C-Promis, die nicht kochen können und sich mit der Herausgabe eines Kochbuches nur interessant machen wollen.
„Die können nicht einmal Kaffee kochen. Selbst dazu brauchen sie eine Maschine oder einen Automaten“, schimpfte er. Ich gab ihm natürlich recht und sagte: „Meine Mutter macht den Kartoffelsalat auch nach dem Rezept meiner Oma. Da lässt sie sich nicht hineinreden. Und in neumodische Kochbücher schaut sie gar nicht erst rein. Sie hat ihr eigenes handgeschriebenes Kochbuch“.
„Sehen Sie“, sagte der Kunde zu mir, „so ist es. Die traditionellen Rezepte müssen wir bewahren und nicht durch neumodische Laienrezepte ersetzen. Aber mich interessieren keine Kochrezepte, mich interessiert vielmehr, wo ich mit Sicherheit Fische fangen kann und auch eine hohe Fangquote habe“.
Ich merkte, dass der Kunde angebissen hatte und meine Verkaufstaktik aufgegangen war und konnte zum Finale schreiten.
„Wie ich ihnen bereits sagte, gibt es im Wannsee Fried- und Raubfische. Karpfen und Barbe, Hecht, Zander und Wels warten dort, um von Ihnen gefangen zu werden. Sie haben bereits die Ausstattung für das Angeln von Raub- und Friedfischen. Also nichts wie hin zum Wannsee und angeln. Aber um diese Fische fangen zu können, müssten sie schon in der Mitte des Sees angeln. Nur dort haben sie eine große Sicherheit diese Fische auch zu fangen“.
Wie er in die Mitte des Sees denn gelangen könne, um dort zu angeln, fragte der Kunde mich. Natürlich mit einem Boot, war meine Antwort.
„Dr. Altmeyer, ich habe dem Kunden das Ruderboot mit einem Außenbordmotor angeboten, welches wir in der Werbung haben und darauf verwiesen, dass er bei diesem Kauf 10% des Verkaufspreises durch die Werbung spart“.
„Das ist natürlich richtig, Kevin, dass sie unseren Kunden bewusst auf unsere Werbung aufmerksam machen und ihn auch solche Produkte verkaufen. Es aber auch wichtig die Kunden darauf aufmerksam zu machen, dass es sich bei diesen Produkten um die gleichen handelt, die wir sonst teurer verkaufen. Also keine Produkte der 2. Wahl“.
Was dieser Einwand sollte, wusste Kevin nicht. Jeder Kunde weiß, dass es sich in der Werbung um die gleichen Produkte handelt, die sonst etwas teurer verkauft werden. Kevin entgegnete nur: „Ich werde ihren Hinweis in meinen künftigen Verkaufsgesprächen natürlich berücksichtigen und auch in den Schulungen der Mitarbeiter werde ich mit Nachdruck darauf hinweisen. Das ist natürlich ein sehr wichtiges Verkaufsargument“.
„Ja, ich merke Kevin, dass sie sehr pflichtbewusst an ihre Aufgaben herangehen und fachliche Hinweise beherzigen. Das ist gut zu wissen und wird ihrem künftigen Weg im Unternehmen sicher nicht im Weg stehen. 120.000 € Umsatz aber kann ich trotzdem noch nicht erkennen“.
„Nein, natürlich sind das noch keine 120.000 € Umsatz, Dr. Altmeyer. Der Kunde muss ja dieses Boot auch zum Wannsee transportieren. Dazu benötigt er einen Bootsanhänger. Den habe ich ihn auch verkauft. Auch auf diesen Anhänger habe 10% Preisnachlass gewährt“.
„Genau richtig“, pflichtete Dr. Altmeyer bei.
Mit seinem PKW könne er aber dieses Boot nicht ziehen. Dazu wäre sein PKW leistungsmäßig nicht in der Lage, gab der Kunde zu bedenken.
Er entschied sich deshalb einen SUV mit einem 350 PS Motor zu kaufen. Dieser SUV sei stark genug, um dieses Boot samt Anhänger zum Wannsee zu transportieren, meinte er
„Mit dem Verkauf dieses SUV habe ich dann summa summarum einen120.000 € Umsatz erreicht“.
„Erstaunlich“, sagte Dr. Altmeyer, „Sie haben ihre Diplomarbeit tatsächlich in die Realität umgesetzt. Ein Kunde kommt zu ihnen und möchte Angelhaken kaufen. Sie verkaufen ihm aber Waren im Wert von 120.000 €. Das ist fantastisch. Die Eigentümer unseres Kaufhauses werden positiv überrascht sein“.
„Das ist so nicht ganz richtig“, Dr. Altmeyer, „der Kunde wollte keinen Angelhaken und schon gar keine kompletten Angelausrüstungen, geschweige denn ein Boot mit Bootsanhänger und einen SUV. Seine Frau hatte ihn ins Kaufhaus geschickt, um Tampons für sie zu kaufen. Er fragte mich, wo er diese Tampons finden könne. Ich begleitete ihn auf dem Weg zur Abteilung für Hygieneprodukte und sagte nur zu ihm: „Also Kumpel, wenn dein Wochenende so trostlos wird, da kannst Du auch angeln“.

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