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geschrieben 2022 von Karl Kriz (CharlieBrown).
Veröffentlicht: 15.07.2022. Rubrik: Fantastisches


Durch die Blume

Ein kurzer Blick auf seine Instrumente, die auf Handgelenkshöhe seines Anzuges angebracht waren, verriet ihm, dass noch knapp 50 Prozent seiner Sauerstoffreserven übrig waren. Dieser Vorrat würde bald aufgebraucht sein...
Gedanken begannen durch seinen Kopf zu rasen. Er wusste weder genau wo er war, noch was er hier wollte. Sein Blick, von Schwindel verzerrt, begann über seine Umgebung zu schweifen. Weiter Horizont tat sich vor ihm auf. Unendliche Weiten aus Weiß und Schwarz standen sich gegenüber und schienen sich in unermüdlichem Kampf um Kontrast zu befinden. Ein voller Mond spendete der Szenerie Licht und tauchte die Streben und den Stahl einer Materialanhäufung, die neben ihm halb im Sand verborgen lag, in ein schimmerndes Schattenspiel.
Langsam kamen einige Erinnerungen zurück und hüllten in ein, wie aufsteigender Rauch.
Er hatte den Mond erobert. Auf einsamer Mission als Raumfahrer. Für die Wissenschaft, bereit Liebe und Leben zu lassen, getrieben von Forschergeist und dem Verlangen nach Wissen und Wahrheit.
Er starrte auf sein Wrack. Ein langer Riss in der Außenhülle, aus dem Metallstreben blitzten, schlängelte sich quer über sein Schiff. Allein durch die Gestirne und durch ein grünes Knicklicht, das sich in den Taschen seines weißen, schützenden Anzugs befand, war er umgeben vom Hell, auf der sonst absolut dunklen Seite des Mondes. Das Metall seines Wracks, aus dem Funken stoben, glitzerte wie die aufgehende Sonne auf einer Wasseroberfläche. Die Trümmer, eingehüllt im Grün, machten auf ihn das bizarre Bild eines aufgerissenen Maules, das Feuer spuckend und rauchend, um sein Leben kämpfte. Einem Feuerspeiendem Drachen ähnlich, der eben von Siegfrieds Schwert Balmung brutal niedergestreckt und bald seinen letzten Atemzug gemacht haben würde.
Er versuchte mit der Bodenkontrolle Kontakt aufzunehmen. Immer wieder drangen seine Worte durch die Knappheit des Anzuges, bevor sie sich in der Endlosigkeit des Raumes verloren und verhallten. Doch im Funk herrschte eiserne Stille. Wahrscheinlich waren die Geräte durch die Erschütterung beschädigt worden, dachte er. Die Züge um seinen Mund verhärteten sich. Ein alles einnehmender Gedanke zog ihn in seinen Bann, schlang die Finger um ihn und ballte sie zur Faust. Seine Nackenhaare stellten sich auf der Haut auf wie Schilf, die einem Sturm trotzen. Die Gewissheit, dass er hier sterben würde.
Er wagte einen weiteren Blick auf seine Instrumente. Etwa 30 Prozent Sauerstoffvorrat befanden sich noch in seinem stählernem Tank.
Die Ausbildung bereitet auf so manche Situation vor, doch nicht auf diese.
Wie schlaftrunken stapfte er durch die weiße Wüste aus Sand. Der Boden gab bei jedem Schritt etwas nach und knirschte lautlos unter seinen Tritten. Die Bewegungen fielen hier äußerst leicht. Es fühlte sich ungefähr so an, als würde man durch Wasser schweben, jedoch mit weit geringerem Wiederstand. So würde er es wohl beschreiben, dachte er. Und obwohl er so leicht war, packte ihn eine bodenlose Schwere.
Seine Gedanken kreisten um Sohn und Frau, die er nicht wiedersehen würde. Eine Träne die ihm über die Wange kullerte, gefror zu Eis noch bevor sie fallen konnte.
Über seinem Weg verbrannte langsam aber stetig ein Komet und zog so eine lange, glimmende Spur hinter sich her. Das von Gravitation beeinflusste Stück Himmelsgestein leuchtete rot auf, wie die Glut eines Kohlebröckchens in einem Kaminfeuer, bevor es nach nur einem Augenblick sein Leben aushauchte und verschwand. Vor seinen Augen befand sich eine Landschaft aus einem Meer aus Sand, der rein und weiß war, wie das Vogelkleid einer Möwe, dazwischen liegenden Steinchen und einer alles überdeckenden Himmelsplane in der unzählige Sterne verschiedener Größen schimmerten, die sich ihren Schein von nichts rauben lassen würde. Der Untergrund war gespickt von Kratern und Fluss ähnlichen Rissen, die sich wie Schlangen durch die Ebene bahnten und kräuselten. Durch kosmische Gewalten zerborstenes Land. Bleibende Eindrücke; sowohl an der Oberfläche von einstmals tobend glühenden Meteoriten, als auch in ihm aufgrund dieser Aussicht.
Er wagte einen letzten Blick auf die bunten Lichter seiner Anzeigen. "Sauerstoff kritischer Bereich", war davon abzulesen. Mit der Betätigung zweier Knöpfe beschloss er, die Blende voller Zahlen, kleinen Leisten und Parametern zu deaktivieren. Er wollte die Alarmschlagenden Töne nicht länger im Ohr haben, wie den im Helm integrierten Sender mit Mikrophon. Das schrille, warnende Geräusch raubte ihm die letzte verbliebene Contenance. Nach fünf tiefen Atemzügen, für die er kurz angehalten hatte, fand er wieder Fassung und nahm seinen Weg ohne jegliches Ziel erneut auf.
"Bis ans Ende der Welt" und ans Ende der Zeit, würde er weiter durch den Kosmos stapfen. Unermüdlich gruben sich dabei die Sohlen seiner Stiefel wie zwei Baggerschaufeln ins unbekannte Terrain. Unter schwerem Schritt und tiefer Atmung Richtung Gewissheit. Ihm war bewusst, dass er hier, auf diesem überdimensionierten Stück Stein in aller Einsamkeit sein Leben lassen würde. Verloren im Nirgendwo, unterm fahlen Licht der Sterne, wankte er auf einsamer Bahn durch die Menschenleere Ödnis. Tränen unterdrückend, hatte er bereits das Gefühl, von den dunklen Jungfer umgarnt und liebkost zu werden mit eisigem Kuss, um letztendlich ihrer Verführung unterliegen zu müssen. Mit ihr im rauschendem Tanz des Todes und der Sinne zu verschmelzen. Es war ein Gefühl geführt zu werden in mechanischer Bewegung, ähnlich einer Marionette, die durch Fäden von oben an den Gliedern und am Haupt gezerrt und manipuliert wird.
Doch plötzlich sah er etwas in der Ferne, unterm Glanz der tausend Sterne.
Am Punkt wo das Weiß des Mondes und das Schwarz des Alls kollidierten, um ihren Kampf ins Unendliche fortzuführen, stieg ein Nebelschleier auf, der rot und dick war, wie Blut das aus einer Wunde quillt und undurchlässig wie eine Wand wirkte und so jeden Durchblick verwehrte.
Ihm wurde etwas aus tiefster Eingebung bewusst. Stärker als eine bloße Ahnung, oder ein loses Gefühl. Es glich eher einer Prophezeiung, die sich selbst erfüllen musste. Einer Vision, wie sie Nostradamus mit der Blendung im goldenen Käfig hatte. Er WUSSTE, dort lag sein Ziel. Seine Gedanken wurden klarer, als würde sich ein ewig währender Schleier lüften und ihm freien Blick auf verworrene Gedankengänge preisgeben, die er drehen und wenden konnte, die sich brechen und in verschiedenen Kombinationen wieder zusammenführen ließen. Ähnlich einer Dechiffriermaschine, die in der Lage war mit komplexen Codeteilchen zu spielen, um sie am Ende zu entschlüsseln, um sie ihrer Geheimnisse zu berauben. Er klarte auf, wie die Flüssigkeit in einem Glas nachdem die Kohlensäureteilchen nach oben getaucht waren.
Keinen Augenblick zögernd, tauchte er in die Nebelbank ein. Wie durch dicken Rauch wurde er davon umspült und eingehüllt. Es wirkte, als würden sich schlangenartige, sich verdrängende Schlieren auf das Bullauge seines Helmes legen.
Als er die Wand durchschritten hatte, gelangte er zu einem kleinen bläulichen Teich, über dem grüne Funken in einem Schwarm aufblitzten, dann verblassten, um gleich wieder aufzustrahlen. In diesem schimmernden Farbenspiel befand sich eine Horde Glühwürmchen. Der Teich brach ihr Grün, wie den blassen Schein der Sterne. Am Rand des Wassers erblühte eine Blume, deren Farbe an Eisgletscher erinnerte, oder an das Helle Blau wenn sich Hitze durch Stahl frisst, ihn beinahe zum Schmelzen bringt, um im Härtevorgang ihren Farbschimmer zu erhalten. Hell leuchtend und etwas schal. Von der Gestalt erinnere sie ihn an Gerbera Blumen, dachte er bei sich.
Er bückte sich zu ihr herab, währenddessen Wind wärmend westwärts wehte, ihm übers Gesicht strich, warm und weich, obwohl er einen Astronautenhelm trug. Der Stängel war voller Eiskristallstruktur, jede so einzigartig wie die Blume selbst. Das Blau stach in seine Augen. Vorsichtig brach er die blühende Pracht am unteren Ende ab, sodass der Bruch wie ein Schnitt wirkte, so sauber als wäre er von einem Skalpell verursacht worden. Aus der Nähe betrachtete er seinen Fund. Es war SEINE große Entdeckung, das wusste er. Das War alles, was ein Forscher begehren konnte. Eine unentdeckte Weite. Er drang in eine "Galaxie" vor, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hatte. Absolute Glückseligkeit in einem einzigen Moment.
Die Sonne begann ihren Aufgang wie eine glänzende Perle, punktartig am Horizont. Unter hohem Tempo züngelten die Strahlen über die Fläche des Mondes, um die Schatten zu verdrängen, die sich wie ein dunkler Mantel über das Land geworfen hatten. Das helle Licht blendete ihn im Augenwinkel und legte sich wie eine angenehme Wolldecke auf seine kalten Wangen. Ein Morgen, jedoch ohne "Grauen", sagte er sich.
Langsam begann das kühle Blau in seinen Händen zu Staub zu zerfallen und im Wind Stück für Stück zu verwehen. Vom Fußmarsch und den Strapazen erschöpft, fühlte er schlagartig Müdigkeit über sich hereinbrechen.
"Nur ein kurzes Nickerchen, bevor ich weiter gehe", dachte er, bevor er langsam begann seine Augen zu schließen.

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