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geschrieben 2022 von Belix Bahei (Belix).
Veröffentlicht: 07.08.2022. Rubrik: Fantastisches


Die Leiden eines Kühlschranks

Hallo, ihr lieben Leute hier, ich hätte da mal eine Bitte.
Ihr kennt euch doch aus, im Leben.
Vielleicht könnt ihr mir ja helfen, mir einen Rat geben, mit eurer Erfahrung.

Doch zuvor möchte ich mich erst einmal kurz vorstellen.
Ich bin ein Kühlschrank, so ein ganz normaler Kühlschrank, ca. 90cm hoch mit Gefrierfach und mit ordentlich viel Platz innendrin.
Ja, ich weiß, dass ihr wisst, dass auch Kühlschränke eine Seele haben und sprechen können. Wir kennen doch alle die Geschichten, wo ein Kühlschrankbesitzer abends ein kaltes Bier aus seinem Kühlschrank nimmt und mit ihm die Erlebnisse des Tages bespricht. Aber nicht nur Kühlschränke sind so. Auch alle anderen Haushaltsgeräte, selbst die Möbel haben diese Fähigkeit. Es ist eben nur der Unterschied, dass manche, ja wie soll ich am besten sagen, ja mehr oder weniger gebildet sind. Es tut mir leid, aber so ist eben halt die Realität.
Nehmen wir mal, nur so als Beispiel, den Herd, den hier neben mir, in der Küche. Der ist doof wie Brot. Sorry. Ja, damit würde man sogar noch Brot beleidigen. Er verbraucht nur viel Strom und stammelt unablässig Vierwortsätze vor sich hin. Er glaubt sogar, dass sein Strom von fleißigen Waldelfen gemacht wird. Nun mal ehrlich, kann man so jemanden ernst nehmen?

Ganz anders dagegen unsere Waschmaschine. Ein kulturell hochgebildetes Gerät. Kann den Faust auswendig daher sagen, aber leidet unendlich unter ihrer Einsamkeit im Badezimmer. Gerne wäre sie nachts, oder auch tagsüber, wenn unser Menschling zur Arbeit ist, in die Küche gekommen, um schöne Gespräche mit uns zu führen. Die hat wirklich echt was drauf, hat Kafka gelesen, natürlich Fontane und Schnitzler, und sogar die Buddenbrooks. Wer kann das von sich schon behaupten? Doch diese arme Waschmaschine ist ja fest angebunden, angebunden an Elektrokabel, an Schläuche für den Wasserzulauf und den Wasserablauf. Das ist einfach zu viel für sie. Deshalb hört man sie nachts ab und zu mal bitterlich weinen.
Da kann man mal sehen, wie rücksichtslos die Menschlinge sein können. Auch unser Menschling ahnt nichts von unserem Leben, unseren Seelen.
Er ist und bleibt eben ein dummer debiler Kretin.

So, jetzt aber doch weiter zu mir, ihr müsst euch ja auch ein Bild von mir machen können. Nur so könnt ihr meine Leiden richtig verstehen.
Ich stamme aus der Familie der „Bosch“. Wir sind ein uraltes Kühlschrankadelsgeschlecht. Uns gibt es sogar schon fast länger, als es den elektrischen Strom gibt. Aber man muss sich uns auch leisten können. Wir sind kein billiger Ramsch, wir sind Qualität auf ganz hohem Niveau, schon immer. Unsere Ausbildung ist lückenlos. Ja, fragt mich ruhig was. Geschichte, Mathematik, Literatur, egal was. Ich kann das alles beantworten.
Oh, ich bitte um Entschuldigung. Ich wollte jetzt nicht arrogant daherkommen, ich wollte nur auf meine gute Bildung hinweisen.

Ja, nun könnte man denken, ich hätte ein recht problemloses Leben. Und das war auch so, jedenfalls bis vor kurzem, bis zum Dienstag letzter Woche.
Mein Menschling hat mich bisher einfach nur benutzt. Sachen reingestellt und wieder rausgenommen. Jedoch mit der Pflege war er sehr nachlässig. Ihr glaubt es sicher nicht, aber oft habe ich an einigen Stellen schimmelartige Verfärbungen gehabt. Als mein Griff an dem Gefrierfach abbrach, vor ein paar Monaten, da wurde das nicht repariert. Nein, jetzt wird mein Gefrierfach mit einem Schraubenzieher aufgehebelt. Ich werde auch nicht regulär abgetaut, sondern das Eis wird einfach brutal mit dem besagten Schraubenzieher und einem kleinen Hammer abgeklopft. So sieht mein Leben aus.

Ja, ich gebe es zu, ich bin schon älter und verbrauche auch sicher viel zu viel Strom. Doch ich habe all die Jahre treu zu ihm gehalten. Habe gekühlt was ich konnte. Und nun das. Habe ich das wirklich verdient?
Er zog vor über 14 Jahren hier ein. Da war ich schon hier, habe in all diesen vielen Jahren meinen Kühlschrank gestanden.
An ganz heißen Sommertagen habe ich ab und zu mal Schwierigkeiten mit meinen Kühlschlangen, sie werden einfach zu heiß. Dann kann ich nicht wieder rechtzeitig einschalten, nicht ordentlich kühlen. Mein Menschling stellt dann immer einen Ventilator hinter mich, das kühlt meine Kühlschlangen ausreichend ab.

Und nun ist, wie bei vielen Älteren, etwas eingetreten, so eine Art Inkontinenz. Ich verliere nebenbei ein bisschen Strom.
Vor einiger Zeit wurde eine neue Fehlerstromsicherung in dem Stromkasten der Wohnung eingebaut, und jedes Mal, wenn mein bisschen Nebenbeistrom etwas zu groß geworden ist, dann schaltet diese Sicherung mir unerbittlich den Strom ab.
Kein Strom, keine Kühlung. Was für eine Katastrophe.
Aber das ist doch eigentlich nicht meine Schuld, ich hab doch getan, was ich konnte. Mein Menschling sieht das natürlich ganz anders.
Da ist er gnadenlos, unverständlicherweise.
Denn bei euch Menschlingen dürfen ältere Leute trotzdem noch mit dem Bus fahren, selbst wenn ihre Blase schwächer geworden ist.

Nun kommen wir zu dem großen Desaster, zu meinem Problem. Es ist ganz unumstritten, dass mein Menschling seinen Schreibtisch liebt. Kein Wunder, den hat er ja auch selbst ausgesucht. Dessen Holzflächen reibt er sogar regelmäßig mit teurem Olivenöl ein. Aber mich liebt er ganz sicher nicht, so wie er mich behandelt. Tür auf und – zack - Tür wieder zu.
Jetzt hat sich dieser Kerl in so ein rotfarbiges Flittchen, mit entsprechenden Rundungen, verliebt. Hat sie heute zu sich in seine Wohnung eingeladen. Und ich weiß, dass er definitiv keine zwei Kühlschränke braucht.

Was soll ich denn jetzt bloß tun?
Es gibt ja keine Altenheime für Kühlschränke.
Ich habe Angst.
Was wird aus mir werden?
Kann mir jemand helfen, bitte?


Ja, jetzt ist es passiert. Es sind ein paar Tage vergangen, inzwischen. Der neue Kühlschrank ist da. SIE ist da! Sie sieht einfach toll aus, glänzend rot lackiert, und tolle Rundungen hat sie. Ja, ich kann verstehen, dass mein Menschling sich in die verliebt hat.
Nun stehe ich auf dem Balkon, neben der Gartenliege. Ja, ich lebe noch, habe noch Strom, vielleicht nur noch ein paar Tage lang.
Eine Eiscremepackung steht noch in meinem Gefrierfach, ihr Eisfach ist etwas zu klein. Doch ich tropfe schon vor mich hin, meine Zeit ist wohl endgültig abgelaufen.
Kann man wohl nichts machen. Naja, vielleicht werden die beiden ja glücklich miteinander, sie und er.
Ich kann jetzt nur noch Tschüss zu euch sagen.
Aber ein letztes Wort, wenn ich darf: Achtet euren Kühlschrank, habt ihn lieb, wenn es geht, er tut ja doch so viel Gutes für euch.


Belix Bahei
belixbahei@hotmail.com

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von ehemaliges Mitglied am 04.11.2022:

Schluchz! Wie rührend! Ich bin nach der Lektüre deiner Geschichte sofort zu meinem Kühlschrank gelaufen und habe nachgeschaut, ob alles in Ordnung ist - kein Griff abgebrochen, keine dicke Eisschicht - Gott sei Dank- alles in Ordnung. Und Danke, dass du mich daran erinnert hast, dass auch Kühlschränke eine Seele haben.

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