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3xhab ich gern gelesen
geschrieben von Leandra.
Veröffentlicht: 01.11.2022. Rubrik: Persönliches


Steffi

Steffi

In Steffi war ich so verliebt, wie eine Frau überhaupt verliebt sein kann.
Erblickte ich sie von fern, fühlte ich mich verwandelt wie ein Opfer der Medusa. In schmerzhafte Eifersucht auf jeden Menschen geriet ich, mit dem sie sprach, der sich im Hörsaal neben sie setzte, dem sie ihr wunderbares betörendes unvergleichlich erwärmendes Lächeln schenkte.
Meist saß ich im Hörsaal hinter ihr. Trafen wir uns in der Mensa, bekam ich keinen Ton heraus.
Kam ich ihr so nahe, dass ich ihren Duft wahrnehmen konnte, ihre Körperwärme, die Feinstruktur ihrer Haut, die Details ihrer Augenelemente, ihr Haar in der Einzelheit jedes feinen Teils, das sich um ihren hübschen Kopf legte - lag ich nachts wach vor Sehnsucht.
Die meisten mochten sie gern. Aber kein Mensch, dieser festen Überzeugung blieb ich, wusste die Gunst ihrer Nähe zu würdigen.
Steffi stand nicht auf Jungs, das war bekannt. Trotzdem war mir sehr unwohl, wenn Kommilitonen sich ihr näherten. Wäre sie vielleicht doch verloren, wenn einer von diesen lauten oberflächlichen Geschöpfen sich ihr Interesse sicherte?
Meine Pläne, wie ich an sie herankommen könnte, raubten mir immer mehr Energie und Zeit. Dabei produzierte mein blockiertes Hirn nur wirklichkeitsferne Träumereien.
So hätte es weitergehen können bis ans Ende der Welt. Doch meine Intelligenz durchbrach mein liebeskrankes Herz. Begnadet mit Sinn für Mathematik, stand ich mit dem „enfant terrible“ Statistik auf gutem Fuß. Steffi nicht, die Ehrgeizige...
Wolfgang, Freund meines Vaters, praxiserprobter Statistikgenius, gab mir als netter Studentin gern Nachhilfe. Was er nicht verstand, war mein Anliegen - ich sei doch total fit in diesem Fach...
Meine Stunde kam. Welch ein gewaltiges astrologisches Ereignis muss sie wohl angekündigt haben! Es geschah nach einem Seminar, als Steffi sich konsterniert an den sonst überfliegenden Mario wandte: „Da steige ich nicht mehr durch.“
Es gab jetzt keine Ausrede, ich durfte jetzt nicht kneifen, sonst war alles für immer und ewig vertan. Trainiert hatte ich für diese Chance, fachlich, und auch autogen. Ich versuchte zu lächeln, mein Herzklopfen ließ meine Stimme zittern, als ich dazwischen ging: „Ich erklärs dir, Steffi.“
Schweigen. Eine Unverschämtheit, die anderen so außen vorzulassen. Ich blickte Steffi an, sie mich. Steffi, die ich über alles liebte und verehrte, mochte nicht teilen, wenn es um Erfolg ging. Sie nahm mich zum ersten Mal, glaube ich, wirklich wahr. Sie kalkulierte, ob ich ihr nützen könnte.

Ein Foto aus dieser Zeit, bis heute eine Art "heilige Reliquie" für mich. Ich hole es nur hervor, wenn ich keine Störung an mich herankommen lasse, wenn ich den Gedanken zulassen kann, daß diese Liebe einmalig, einzigartig, der Höhepunkt meines Liebeslebens war.
Steffis kurzes Haar hennafarben, ihre braunen Augen strahlend siegesgewiß unter breiten dichtschwarzen Brauen, die sie gelegentlich zupfte. Ihre sensiblen Nasenflügel waren die wirklichen Indikatoren ihrer Stimmungslage. Ihre Lippen, üppig geschwungen... und verlockend weich.
Minutenlang werde ich jetzt verharren, unsere Küsse erinnernd, fühlend, und es geht nicht ohne dass Tränen aufsteigen.

Im Moment dieser ersten wirklichen gegenseitigen Wahrnehmung lag als Keimling diese unbeschreibliche Intensität unserer Beziehung, nein, unserer Liebe der nächsten Jahre. Für die ersten Minuten existierten die herumstehenden Kommilitonen nicht mehr, bis die sich achselzuckend verdrückten.
Wir tranken einen Tee zusammen, ich glänzte kurz auf in Inferentieller Statistik. Steffi begriff - alles. Verabredung für den Abend im „Mondo“. Der Nachmittag kroch quälend dahin.
Steffi und ich im „Mondo“. Sie redet von Zürich, ich vom Ruhrgebiet. Wir tauschen Heimat aus, mit Worten, Blicken, mit zarten Begegnungen der Finger. Hände berühren Schultern, Hände legen sich ineinander, wollen sich nicht mehr trennen.
Dann, fast abrupt nimmt Steffi ihre Hände zurück und legt sie in den Schoß, schaut ihnen nach und spricht ohne aufzublicken: Katharina... ich habe mich verknallt.
War ich noch auf dieser Erde? Wusste ich überhaupt was es hieß, wenn zwei Frauen sich lieben? Steffi schaute nicht auf. Gab sie mir Zeit?
„Ich liebe dich schon so lange Steffi.“
Ungläubig hebt sie ihren Blick. „Wirklich?“
Tränen rollen aus meinen Augen. Ich nicke nur.

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