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Diese Geschichte ist auch als .pdf Dokument verfügbar.
geschrieben 2018 von Wintitsch (Wintitsch).
Veröffentlicht: 24.10.2018. Rubrik: Spannung


"Fremd"

 
 
 


Inspiriert durch Colter Wall's "Kate McCannon" und die eigene miseriöse Damenwahl...
 
 
 
 
"Trennung unserer Herzen und Tod unserer Träume"
(aus einem Lied von Michael Kurth)
 
 
 
1
 

Der wahrscheinlich größte Fehler meines Lebens war wohl, mich auf diese Frau einzulassen.
Ich glaub, auch wenn sie ein bisschen speziell war, aber wenn wir es bei einer "Freundschaft plus" belassen hätten, hätten wir viel Spaß haben können.
Aber es ist anders gekommen.
Ich hab mich in die Frau verliebt.
Das war der Anfang vom Ende.
Und jetzt sitz ich lebenslänglich im Gefängnis, und befürchte, dass es tatsächlich eine lebenslängliche Freiheitsstrafe wird, anstatt der obligatorischen 15 Jahre.
Ich hab demnächst meine Anhörung, aber das Ding ist, dass ich es nicht einen Zentimeter bereue.
Nicht, weil ich von Natur aus gewalttätig bin, oder es mir an Gewissen oder Reflexionsvermögen mangelt, sondern eher, weil ich ab einem gewissen Punkt keinen anderen Ausweg mehr gesehen habe, und trotz aller vergangenen Zeit und Gelegenheit, alles immer wieder von vorne bis hinten und wieder zurück zu durchdenken, während meiner nunmehr fast 15 Jahre Aufenthalt hier, es immer noch nicht tue.
Und für jemanden, der seine Tat nicht bereut, sehen die Chancen auf Bewährung leider eher dürftig aus!

2


Wie gesagt, bin ich grundsätzlich überhaupt kein gewalttätiger Mensch.

Wenn ich Ihnen jetzt wenigstens sagen könnte, dass ich ausgeklinkt bin, die Kontrolle verloren hab', dass es nur EINEN Tag, EINE Stunde, EINE Sekunde, EINEN Moment gab, in dem ich die Beherrschung verloren hab', und nicht mehr ich selbst war...
Aber so war es nicht.
Es war eine organisch gewachsene Entscheidung, zu der ich SUKZESSIVE gekommen bin.
Insofern war es leider keine Affekthandlung, sondern eher geplant und wohl durchdacht!
Ansonsten wäre der Prozess wohl auch anders verlaufen.
Ich hab gesagt, ich hätte keinen anderen Ausweg mehr gesehen, aber vielleicht gab es tatsächlich niemals einen anderen, von dem Zeitpunkt an, zu dem Katja und ich jene, für uns beide schicksalhafte, Schwelle zwischen Platonie und emotionaler Bindung überschritten, und so gewissermaßen unser beider Herzen Todesurteil unterschrieben haben.
Ohne es zu merken, oder auch nur zu ahnen, haben wir damals wohl schon den Point of no Return passiert.
Vielleicht taten wir das aber auch schon am Tag unseres Kennenlernens.
Vielleicht gab es diesen Punkt aber auch nie, schlicht aus DEM Grunde, dass wir beide möglicherweise unser gegenseitiges Schicksal waren, und somit, bösartig formuliert, dieser Punkt mit unser beider Geburt bereits hinter uns lag, oder etwas anders formuliert, es so in den Sternen stand und von vornherein unvermeidlich war...
Hätten wir aber nicht zunächst eine wundervolle und wirklich, wirklich tolle Zeit gehabt, hätte dieses Drama niemals entstehen, und es irgendwann wirklich, wirklich, WIRKLICH hässlich werden können!!!


3


Wir haben uns geliebt!
Wir haben uns TATSÄCHLICH geliebt!
Das hab ich nie bezweifelt!
Vielleicht, war es das einzige an Katja, was ich NIE bezweifelt habe.
Und vielleicht, war es die einzige echte Liebe, die ich jemals hatte.
Die Liebe, die ich für diese Frau empfunden habe, und im Grunde immer noch empfinde, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, war die tiefste Erfahrung, das tiefste und einschneidendste Gefühl und Erlebnis, das mir jemals zu teil wurde, und vielleicht...
...bzw. sogar recht wahrscheinlich...
...ging es ihr da genauso wie und mit mir...
 

4

 
Vielleicht...
So gut wie alles an Katja besteht aus "vielleicht", "eventuell", "möglicherweise"...
Das ist/war Teil ihrer Persönlichkeit(sstörung).
Es fiel ihr unfassbar schwer, Stellung zu beziehen, wobei eine solche Wendung impliziert, dass sie es gekonnt hätte, aber sich aus irgendeinem Grunde weigert oder ihr "lediglich" die Kraft dazu fehlt.
Ich glaube aber, sie hat es nie gelernt.
Diese (vermeintliche) Tatsache bedang wahrscheinlich auch ihre notorische Uneinsichtigkeit.
Sie WUSSTE es einfach nicht besser!
So wie ich das sehe, bestand ihr Krankheitsbild sowohl aus einer generalisierten Angststörung als auch paranoiden und histrionischen Anteilen.
Ich kann diese Dinge mittlerweile ohne Groll und Vorwurf sagen.
Sie war halt, wie sie war, und war ihren Lebensumständen, Erfahrungen und ihrer Erziehung unterworfen.
Ist ja auch alles ok.
Jeder hat das Recht, so zu leben, wie er bzw. sie es möchte, und für angemessen und richtig hält.
Ich glaube, für sich genommen, waren wir beide, auf unsere Weise, jeweils ganz passable Menschen.
Nur die MISCHUNG war ein tödlicher Cocktail!...
 

5

Vielleicht hätte ich es bzw. sie unter Kontrolle halten können, wenn ich mich nie emotional auf sie eingelassen hätte.
Ich hab' mich im Nachhinein so oft gefragt, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass ich mich ausgerechnet in DIESE Frau verliebt habe.
Im Grunde, hat sie mir nie gut getan, und im Grunde war sie mein Untergang.
Wir waren ja soooo verschieden!
Aber wahrscheinlich mach ich mir da auch was vor, wenn ich sage "Freundschaft plus", und "unter Kontrolle halten".
Wahrscheinlich war Katja in dem Sinne "außer Kontrolle".
Niemand hätte sie jemals kontrollieren können.
Doch ich denke, auf der anderen Seite, hab ich genau das so an ihr geliebt.
Gleichsam hat mir diese ihre Eigenschaft wohl mein Genick gebrochen.
Paradox!
Wie die Liebe an sich...
 

6

 
Ich möchte noch ein bisschen näher auf ihre Persönlichkeitsstörung(en) eingehen.
Katja war ein Mensch...
Schwer zu beschreiben...
Vielleicht muss ich bei "null" anfangen... 
Katja war, so glaube ich, ein Mensch, der überhaupt nicht wusste, wer er war.
Sie ist sich selbst nie so nah gekommen, dass man so etwas von ihr hätte behaupten können.
Ganz vereinfacht gesagt, hat sie sich selbst nicht getraut, und somit auch keinem anderen.
Ich glaube, sie ließ nicht nur mich, sondern NIEMANDEN an sich ran.
Sie wusste wahrscheinlich noch nicht mal wie das geht, oder was das bedeutet.
So ein Verhalten bietet natürlich auf der einen Seite eine (zumindest scheinbare) Sicherheit.
Auf der anderen Seite kann es sehr, sehr einsam machen...
Sie ging automatisch sofort in Abwehrhaltung, sobald auch nur die Spur einer MÖGLICHEN Zurückweisung in der Luft lag.
Sie können sich denken, was geschah, wenn tatsächlich mal sowas wie Kritik kam.
TEMPERAMENT hatte sie!
Aber vielleicht ist es ihr paradoxerweise bei einem nahestehenden Menschen wie mir, noch schwerer gefallen sich zu öffnen, als bei einem Freund oder vielleicht auch nur Bekannten.
Verrückt, oder?
Sag ich ja!
 

7

 
Selbstentfremdung ist, glaube ich, das Wort, das sie am ehesten beschreibt, bzw. ihr vordergründigstes Problem in einem Wort auf den Punkt bringt.
Wenn ich sage, dass sie gar nicht wusste, wer sie war und solcherlei Dinge, meint das im Kern "Selbstentfremdung".
Aber sie hat es, wie gesagt, wahrscheinlich nie anders gelernt.
Ich hab ihre Eltern nie kennengelernt, aber vielleicht waren die da ähnlich gestrickt.
Höchstwahrscheinlich nicht so extrem, wie Katja, aber tendenziell...
Oder vielleicht hat auch nur ein Elternteil gereicht.
Das kenn ich z.B. von mir!
Meine Mutter war sich selbst auch ziemlich fremd.
Aber mein Vater war Trinker, deswegen war eben trotzdem meine Mutter meine erste Bezugsperson.
So wies ich dann bis zu einem gewissen Alter tatsächlich eine ähnliche Problematik auf.
Irgendwann hab ich mich dann aber abgenabelt und eigentlich mit der Zeit sogar ins komplette Gegenteil entwickelt.
Heutzutage würde ich mich eher als hochsensibel, bzw. politisch korrekt formuliert "hochsensitiv" und überempathisch bezeichnen.
Sowohl in Bezug auf mich selbst als auch auf andere.
Aber so kann ich eben Katjas Denkweise tatsächlich aus einem bestimmten Blickwinkel heraus etwas verstehen und hab vielleicht sogar (unbewusst) einen gewissen Hang zu solchen Frauen...


8


Sie hat gelächelt, als ich sie erschossen hab!
Die scheiß Schlampe hat gelächelt, als ich sie erschossen hab!!
Entschuldigung.
Bei diesem Thema geht's mit mir durch.
Ich hatte so sehr gehofft, dass zumindest im Angesicht des Todes mal ein authentischer Gefühlsausbruch von ihr kommt.
Nicht im Sinne von Abwehrhaltung, sondern das alles, was sie sich immer gedacht, aber nie gesagt hat, alles was sie hinterm Berg gehalten hat, alles was sie wirklich für mich gefühlt und über mich und uns gedacht hat, einfach aus ihr raussprudeln würde!!
Aber nichts dergleichen.
Sie stand einfach nur da, sah die Pistole, sah zu mir, wieder zur Pistole, kurz zur Seite...
Und bevor sie ihren Kopf wieder drehte, um mir in die Augen zu sehen, machte sich dieses hämisch-überlegene, allwissende Lächeln oder ich möchte schon fast Grinsen sagen, auf ihrem Gesicht breit.
Ich werde diese Fratze nie vergessen!
In dem Moment hab ich die Nerven verloren.
Wenn ich ruhig geblieben wäre, hätte ich ihr mit vorgehaltener Pistole vielleicht noch ein paar Fragen stellen können.
Aber diese Möglichkeit war in jenem Moment dahin.
Es machte einmal laut "Peng", und ein Teil ihres Gehirns, Blut und ein paar Knochensplitter verteilten sich auf dem Küchenboden, den Armaturen und den Fenstern hinter ihr, wobei eins dieser Fenster nahezu zeitgleich zum "Big Bang'', von der, aus ihrem Hinterkopf ausgetretenen Kugel durchschlagen wurde.
Ein zweites "Peng" und dasselbe Spielchen nochmal in einem etwas anderen Winkel.
Diesmal begleitet vom dumpfen Aufprall ihres leblosen Körpers mit Fallrichtung Sauerei.
Ihre Augen waren augenblicklich leer geworden, als der erste Schuss ihre Stirn traf und darauf ihren Frontallappen durchbohrte, welcher übrigens für die Persönlichkeit und das Sozialverhalten verantwortlich ist (Wussten sie das?).
Aber ihr Grinsen hatte sie immer noch.
Ich ging zwei Schritte auf sie zu, beugte mich ein bisschen vor, und ehe ich mich versah, hab ich mein ganzes Magazin in ihr ehemals so hübsches Gesicht investiert.
Ich wollte es zerstören!
Ich wollte dieses Grinsen zerstören!
Aber es war immer noch da!
Wenn auch nur so eben angedeutet, in dem Rest, der von ihren Gesichtszügen noch übrig war.
Wenn auch nur zu erahnen, weil man weiß, dass es einmal da war...
Wenn auch nur in meinem Kopf...
ABER es war da!!
Es war immer noch da, und es wird wahrscheinlich auch immer da bleiben!
Es wird nie wieder weggehen!


9


Fast könnte man sich fragen, für wen von uns dieser letzte Akt in unserer gemeinsamen Geschichte schlimmer war.
Sie hat jetzt ihren Frieden.
Hat endgültige Ruhe.
Vielleicht ist sie auch in der Hölle, aber angenommen, das ist nur ein altes Ammen-Märchen, so hatte sie vielleicht sogar den leichteren Ausweg.
Und nicht zu vergessen (wie könnte ich), ist sie mit einem Lächeln gestorben.
Mich hingegen haben diese Minuten für den Rest meines Lebens traumatisiert und generell muss ich mir jeden Tag Gedanken machen, mit all dem leben und werd sie wahrscheinlich trotz allem niemals vergessen.
Zumindest ist mir das bis heute nicht gelungen!
Aber ich hab ja auch sehr viel Zeit zum Nachdenken.
ZU viel!
Wenn ich mich wenigstens darauf freuen könnte, irgendwann wieder auf freien Fuß zu kommen und somit wieder ein bisschen Abwechslung und Ablenkung in mein Leben käme, aber wie gesagt...
...Bewährung und Bereuung...
 

10

 
Diese Frau ist für mich Zeit ihres Lebens ein Rätsel geblieben, und sogar darüber hinaus.
Und bei aller Ungemach, aber die Option bzw. Frage, ob und wie ich gemeinsam mit dieser Frau leben möchte, ob wir heiraten möchten, ob wir eine Familie gründen möchten, Kinder haben, zusammen alt werden möchten und was das für meine Nerven, für meine eigene seelische Gesundheit, mein vorzeitiges Ableben durch einen Herzinfarkt und eine schier endlose Kette von Eventualitäten bedeuten würde...
All diese Möglichkeiten waren von jenem Moment in ihrer erdgeschössigen Küche mit Blick auf ihren Kräutergarten und den zwei großen Buchen, vorbei.
Die Tatsache, dass ich weder mit ihr noch ohne sie leben konnte, wie in diesem kitschigen U2-Song, war von da an bedeutungslos.
Zumindest um DIESE Dinge musste ich mir nicht mehr meinen Kopf zerbrechen.
Dafür beschäftigen mich heute andere Dinge....
Stellt sich die Frage, wie gut und lohnenswert dieser Tausch war!!?
An manchen Tagen denke ich, ich hab's heute schwerer als damals.
Mein Gefühls-Wirrwarr ist nicht wirklich besser geworden.
Nur die Entscheidung wurde mir durch meine Handfeuerwaffe abgenommen.
Und natürlich hab ich sie gehasst, bzw. tu dies immer noch, aber genauso hab ich sie eben geliebt, bzw. tu auch dies heute immer noch...
Und immerhin, das darf man nicht vergessen, hab ich die Frau ermordet, die mich ruiniert hat, ABER ich hab auch die Frau ermordet, die ich über alles geliebt hab!!
Die einzige Frau, die ich wohl JEMALS wirklich geliebt hab.
(abgesehen natürlich von meiner Mutter)
Dennoch war es der einzig logische, konsequente Schritt!!
Davon bin ich nach wie vor überzeugt!
Mir blieb keine andere Wahl!
Aber genau DAS ist mein Problem!
Es ist einem Außenstehenden schwer zu erklären, was die Liebe zu so einer Frau mit einem Mann macht!
Es fing alles so harmlos an, und ehe man sich versah, waren wir mitten drin, in diesem Strudel aus Wahnsinn, Eifersucht, Paranoia und Misstrauen...
So oft ich diese Geschichte auch durchdenke, sie auseinandernehme und wieder zusammensetze, fällt mir kein Punkt ein, an dem ich hätte anders handeln können.
An dem ich hätte "Stopp" sagen können...
Es ist fast, als wäre diese Frau und alles was dazu gehört...
...ihr Tod, meine Inhaftierung, und die Tatsache, dass ich in dieser Zelle wahrscheinlich sterben werde...
...mein Schicksal gewesen...
...UNSER Schicksal gewesen...
Vielleicht heißt das, dass wir nach dem Tod wieder vereint sein werden!?
 
...
 
 
Oh Gott!!!!!

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Dan Prescot am 27.10.2018:

Ich hätte gerne mehr über seinen Zwang erfahren.




geschrieben von Wintitsch am 30.10.2018:

Dan Prescot: SEINEN Zwang!? "Zwang" im Sinne von Störung? Wahrscheinlich meinst du damit die Tatsache, dass er sich genötigt sah, diesen radikalen Schritt zu gehen. Ich glaub, ich überlass bei meinen Geschichten gerne einiges der Fantasie des Lesers. Insofern hab ich irgendwo bewusst drauf verzichtet, alles bis in's Kleinste auszuformulieren. Aber danke, für die Anregung! Gruß

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