Veröffentlicht: 18.03.2023. Rubrik: Nachdenkliches
Wertvoll
Franz aus dem Niederbayerischen stieg in New York in einen Aufzug. Er musste in den 100ten Stock zu einem Vorstellungsgespräch bei einem IT-Riesen. Seine herausragenden Fähigkeiten sprachen sich bis in die USA herum, so wurde er ohne Bewerbung eingeladen.
Eigentlich wollte Franz sich selbständig machen. Doch er wollte sich das mal anschauen. Auch deshalb, was er im Internet über die Firma recherchierte. Die Firma verkaufte ihre Software an alle, die genug Geld hatten. Profit war das einzige Ziel.
Schon in seiner Kindheit entwickelte Franz ein hohes Maß an sozialer Intelligenz. Er liebte seine Heimat, die Landschaft, die Bauernhöfe, das Vieh und die Menschen mit all ihren Fehlern. Franz wollte sein Können seiner Heimat, der Natur zugute kommenlassen. Ja, Geld wollte er auch verdienen, ohne geht es ja nicht. Aber nur Geld verdienen war nicht sein Ding. Du kannst dir eine Melkmaschine dafür kaufen, aber nicht die Zufriedenheit deiner Milchkuh.
Franz bestieg den Aufzug. Bis zum 6. Stock redete von den ungefähr 20 Mitarbeitern keiner ein Wort.
7. Stock: "Zum Glück ist bald Feierabend, dann nichts wie raus ins Wochenende!" "Ja, das wird bestimmt wieder schön!" "Wir fliegen zu unserem Sohn nach LA, der ist Aufsichtsrat eines Pharmaunternehmens." "Das ist aber toll!"
12. Stock: Franz fühlte sich unwohl. Schönschwätzerei und Rumgeprahle. Und dieses freudige zunicken der Anderen.
16. Stock: "Wir wollen zu unserem Landhaus und mit unserem Boot auf den See raus." "Gehen Sie auch Angeln?" "Ja, mein Sohn, gerademal 12 Jahre, hat erst letzte Woche einen Forellenbarsch von einem Meter und 10 KG rausgeholt. Und das ganz allein!" "Da können sie aber stolz auf ihren Sohn sein."
23. Stock: Franz tat der Sohn leid. Wieder so eine arme Sau. Nur Anerkennung bei Erfolg.
53. Stock: Franz hatte schon längst abgeschaltet, als er direkt angesprochen wurde. "Und Sie, was machen Sie Schönes?" "Ich bin Privatdetektiv, ich darf darüber nicht reden!" "Oh, das muss ja ein interessanter Beruf sein?" "Ja, da kommt man viel rum und lernt jede Menge Leute kennen. Aber die meisten erzählen dir wie schön die Welt ist oder was sie alles in ihrem Leben erreicht haben. Langweilig."
58. - bis 86. Stock: Betretenes Schweigen. Einer nach dem anderen verließ den Lift.
87.Stock: Franz war jetzt allein. Er fühlte sich wohl.
100. Stock: Franz stieg aus. Er hörte die freudenstrahlende, gutaussehende Empfangsdame auf ihn einreden, verweilte einen Moment, winkte ihr zu und fuhr wieder runter. Er freute sich auf sein Leben, so wie er es sich vorstellte und war zufrieden, denn er wusste was er wollte..

