Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
3xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 28.07.2023. Rubrik: Unsortiert


Organspender

Vormittags in der Fußgängerzone einer mittelgroßen Stadt. Irgendwo im Land. Beliebig austauschbare Kulisse. Umrahmt von identischen Ladengeschäften. Viele vergleichbare Warenangebote. Immer gleiche Markenlogos. Dazwischen Einkaufende aller Schichten und Altersgruppen, lärmende Schulkinder tollen herum.

Zwischen Sparkasse und Drogeriemarkt sitzt ein Bettler auf einer schmuddeligen Matte. Seine ramponierte Kleidung lässt auf Obdachlosigkeit schließen. Dazu ungepflegte Haare und ebensolcher Mehrtagebart. Neben ihm ein Hund. Der wirkt sympathisch. Mit treuem Hundeblick. Ein besonderer Blickfang, die Augenpartie unter zottligem Fell. Wie von einer überdimensionierten Brille eingerahmt. Seitlich davor ein graues Pappschild mit krakeliger Schrift. Gegen Not. Daneben eine Blechbüchse für Spenden, in der sich wenige Geldstücke verlieren. Ab und zu ist das metallene Klappern von einzelnen Münzen zu hören, die in die Dose fallen. Viele Passanten gehen achtlos vorbei, blicken weitläufig darüber hinweg. Manche machen einen Bogen um den Bettler mit Hund. Man sieht Ihnen an, sie fühlen sich unangenehm berührt. Nur selten kommt es zu einem Gespräch. Wohlwollende Aufmerksamkeit existiert kaum. Falls überhaupt, eher von erkennbar einfachen Menschen als von Gutsituierten.

In dieser Szenerie fällt einer auf. Ein Mann mittleren Alters in maßgeschneidertem Anzug mit hochwertigen dunklen Lederschuhen. Trägt eine Dokumentenmappe in der Hand. Es ist ein Arzt, ein Herzchirurg auf dem Weg zum nahen Kongresszentrum. Er verharrt und mustert den Bettler. Ein Blick ohne medizinische Expertise auf Menschen, so etwas geht bei Ärzten nicht. Der mittelalte Wohnungslose macht einen robusten Eindruck, wirkt erstaunlich gesund. Der Arzt fingert ein Geldstück aus der Tasche und wirft dieses in die Büchse. Bedankt wird die Aktion durch ein devotes Lächeln. Angedeutet. Dann geht der Arzt seines Weges.

Später am Tag. Bereits nach Ladenschluss. Bei Anbruch der Dunkelheit. Der Mediziner betritt das nahe Parkhaus. Im schwachen Licht sind nur noch wenige Fahrzeuge zu erkennen. Er geht zu seinem SUV einer Nobelmarke. Unweit davon belädt eine Person einen Mittelklasse-Kombi. Es ist ein Mann mittleren Alters mit Langhaar und Mehrtagebart. Der Arzt stutzt. Diese Person erkennt er wieder. Trotz dessen veränderten Aussehens. Statt schmuddeliger Kleidung, nun salopper Freizeitlook. Dazu der Hund auf der Rückbank. Ein Langhaarmischling mit unverwechselbarer Zeichnung um die Augenpartie. Es ist der Bettler vom Vormittag. Zweifelsfrei. Als der Arzt auf diesen zugeht, besteigt der das Fahrzeug und fährt zur Ausfahrt.

Der Mediziner hat ein Anliegen. Möchte etwas klären. Er folgt dem Kombi. Entdeckt diesen auf dem Parkstreifen vor einer Bankfiliale. Durch die Außenscheibe ist ein freier Blick in den Servicebereich mit Geldautomaten möglich. Er sieht den Fahrer des Kombis einen größeren Geldbetrag einzahlen. Dann generiert dieser per Tastatur eine Überweisung. Der Arzt sieht nachdenklich zu. Wendet sich dann ab. Er bleibt neugierig. Verifiziert später Namen und Anschrift des Halters über das Auto-Kennzeichen.

Sonntags darauf. Vormittag. Besuch beim Obdachlosen, Bettler, Hundehalter, Kombifahrer, Geldeinzahler. Eine Wohnung in gutbürgerlicher Umgebung. Beruf Landschaftsgärtner. Der Verfolger stellt sich vor. Dr. med. M., Fachrichtung Kardiologie, Herzchirurg. Der Wohnungsinhaber schreckt entgeistert zurück. Versteht den Grund des Besuchs nicht. Nach einer knappen Aufklärung, erfolgt die zögerliche Bitte, einzutreten. Dann folgen Erläuterungen von ihm. Weitschweifig und verunsichert. Kramt dabei unzählige Belege hervor. Alles Einzahlungen auf ein Fremdkonto, auf immer das gleiche Konto. Empfänger: Welthungerhilfe. Insgesamt hat er einen ansehnlichen Betrag erschnorrt. Als vermeintlich Obdachloser. Alles in seiner Freizeit oder im Jahresurlaub. In Fußgängerzonen diverser Städte. Weit verstreut übers Land. Dafür lebt er.

Sozial-Diagnose des Dr. M.: Altruismus mit ausgeprägtem Helfersyndrom. Ein Organspenderausweis, unaufgefordert vorgezeigt, verstärkt diesen Eindruck.

counter3xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

Weitere Kurzgeschichten von diesem Autor:

Rufus