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geschrieben von Sun-Go.
Veröffentlicht: 14.08.2023. Rubrik: Abenteuerliches


Der Mann, der sich Arzt nannte

Nephtir saß wie immer auf seinem Schaukelstuhl und rauchte genüsslich seine Pfeife. Es war ein herrlicher Tag. Die Sonne schien, es war ein blauer Himmel, die Kinder tobten auf den Wegen und der Tag schritt weiter so herrlich friedlich voran. Verträumt wie der alte Mann war, merkte er nicht, dass schon seit geraumer Zeit jemand vor ihm Stand und ihn anstarrte. Geschockt lies er die Pfeife aus dem Mund fallen und die heiße Asche brannte auf seinem Unterarm. Er fluchte leise in seinen grauen Bart, während er versuchte die betroffene Stelle mit seinem Wasser, welches er zum trinken bereitgestellt hatte, zu kühlen. Plötzlich hörte er die Person vor ihm etwas murmeln.
„Was habt Ihr gesagt?“, fragte er, leicht verärgert. Er musterte die Person vor ihm. Sie war recht groß, und komplett in schwarz gekleidet. Die dicke Ledertracht sowie die Schnabelmaske und der Hut schienen für solch ein schönes und vor allem warmes Wetter unangebracht. Die Person räusperte sich, und mit einer kalten, männlichen Stimme sagte sie: „Interessant, habe ich gesagt. Ihr wart so verträumt, dass ich schon befürchtet hatte, Ihr hättet Euch angesteckt. Doch scheint es eher Eure leichte Lebensart, verbunden mit der richtigen Schwingung Eures Stuhls zu sein, welcher Euch in diese Lage gebracht hat.“ Nephtir war sichtlich verwirrt. Angesteckt? Redet der von Heuschnupfen? „Ähm, naja. Ich denke so kann man das sagen. Verzeiht, wenn ich Euch ignoriert haben sollte. Kann ich Euch irgendwie helfen?“ Der Mann schien verblüfft, zückte sofort aus seiner Arzttasche ein Notizbuch und einen Stift und begann wild drin rumzuschreiben. Sobald er einen Satz zu Ende geschrieben hatte murmelte er jedoch etwas, von wegen es sei falsch oder er müsste noch mehr Nachforschungen darüber machen und strich aggressiv den Satz wieder durch. Wieder räusperte er sich: „Ähem. Ja. Tatsächlich könntet Ihr mir von Hilfe sein. Ich habe erfahren, dass in der Nähe ein Ort sei, in dem eine schlimme Krankheit ausgebrochen sei, wodurch die nicht infizierten Menschen hierhin fliehen mussten. Könntet Ihr mir etwas mehr Auskunft darüber geben?“ Misstrauisch hob der alte Mann dem Fremden gegenüber eine Augenbraue hoch: „Ja, ich kenne einige, die aus der Stadt geflohen sind.“, sagte er: „Seid Ihr ein Forscher?“ Er konnte es nicht richtig erkennen, doch er meinte, dass sich die Augen des Fremden, welche man nur schwer durch die Gläser der Schnabelmaske erkennen konnte, weiteten, als dieser sagte: „Ich bin Arzt. Und versuche eine Heilmethode gegen Krankheiten zu finden. Als ich von dieser Krankheit hörte, habe ich versucht eine neue Kur zu kreieren, und würde diese gerne ausprobieren.“ Nephtir bemerkte, wie die dick behandschuhten Finger des Mannes leicht zuckten. Er schaute ihn an, nickte und zeigte auf eine kleine Hütte am Rande des Weges: „In dieser Hütte wohnt Faisal. Er kommt aus dem Dorf. Er schaut immer wieder auch bei den verbleibenden Leuten des Dorfes nach. Er wird Euch bestimmt begleiten, wenn Ihr ihm erklärt, was Ihr vorhabt.“ Sobald er von den Besuchen Faisals erzählte, merkte Nephtir, wie der Arzt anfing unruhig zu werden. Er murmelte etwas in seine Maske und schaute in Richtung der Hütte. Nephtir meinte kurz ein Leuchten in seinen Augen gesehen zu haben. Schnell wandte sich der Mann ihm zu, bedankte sich und ging schellen Schrittes auf die Hütte zu.

*

Faisal lag im Bett mit seiner Geliebten Gwyneth im Arm. Es war warm in der Hütte, und die beiden hatten beschlossen einen faulen Tag zu machen. Das Licht der Sonne schien durch ein paar Löcher in der Tür und beleuchtete den Raum genug, dass man sich nicht sorgen musste, gegen etwas zu laufen. Die beiden kuschelten, als die friedliche Stille von einem starken Klopfen, nein schon fast Hämmern, an der Tür unterbrochen wurde. Die beiden schauten sich an, überlegten, ob sie antworten sollten, als das Klopfen noch heftiger wurde. Also setzte Faisal sich seufzend auf, zog sich ein Oberteil an und ging schlurfend zur Tür: „Ja, ja. Ich komm ja schon. . . JA!“ Als er die Tür aufmachte staunte er nicht schlecht. Vor ihm stand eine großgewachsene Person, in einer schwarzen ledernen Robe, das Gesicht von einer knochenfarbenen Schnabelmaske verdeckt. „Ihr müsst Faisal sein. Ich brauche Eure Hilfe. Wir haben keine Zeit. Kommt mit mir, ich erkläre alles auf dem Weg.“ Mit diesen Worten packte er Faisal kräftig am Arm und zerrte ihn förmlich nach draußen. Dieser fing an sich zu wehren und versuchte ihn abzuschütteln, doch der Griff war so fest, dass er meinte, sein Arm würde gleich bersten: „Lasst das, Ihr tut mir weh! Was soll das überhaupt? Wer seid Ihr?“ Der Mann ignorierte seine Wehr und war mit ihm schon am Hauptweg angelangt, als Gwyneth rausstürmte und versuchte die beiden aufzuhalten. Der Mann drehte sich zu ihr um und betrachtete sie schnell von oben bis unten. Dann packte er Faisal an beiden Schultern und sah ihm durch die Maske tief in die Augen: „Habt Ihr mit dieser Frau geschlafen?“ Faisal und Gwyneth, verwirrt und entrüstet über diese direkte Frage antworteten nicht. Der Mann schüttelte Faisal an den Schultern und wiederholte die Frage nochmal deutlicher: „Habt Ihr miteinander geschlafen?“ Von dem Ernst des Mannes verblüfft antwortete Faisal mit ja. Der Mann hob seine Hände von Faisals Schultern und schüttelte langsam seinen Kopf. Er murmelte in seine Maske und Faisal meinte Worte wie „Später“, „nicht die Quelle“ und „Zeit“ zu verstehen. Der Mann schaute ihn an, trat ein paar Schritte zurück und machte eine kleine Verbeugung, als er sich plötzlich gelassen und entspannt, aber dennoch mit einer dem Wetter unpassenden Kälte vorstellte: „Mein Name ist Malus. Und ich bin Arzt. Ich habe erfahren, dass Ihr aus dem Dorf entflohen seid, welches von einer Krankheit heimgesucht wurde. Ebenso habe ich erfahren, dass Ihr jenes Dorf immer wieder mal besucht. Ich meine eine Heilmethode gegen die Krankheit zu haben und würde Euch gerne in das Dorf begleiten um es auszuprobieren.“ Danach richtete er sich von der Verbeugung wieder auf, auf Faisals Antwort wartend. Dieser blickte verdutzt drein. Nach kurzer Zeit fing er sich aber, und nickte: „Na gut Malus. Dann werde ich Euch begleiten. Ich hoffe Ihr könnt meinen Dorfbewohnern helfen.“ Malus verbeugte sich wieder: „Das hoffe ich auch. Ich werde mein Bestes versuchen. . .“

*

Faisal und Malus machten sich auf den Weg zum gut 15 Kilometer entfernten Dorf „Torkhe Bygda“. Bevor die Krankheit ausbrach war es ein einfaches Dorf mit rund 200 Einwohnern. Die meisten der Siedler waren Fischer und ernährten sich ausschließlich von Fisch und anderen Gütern, welche der nahe liegende Fluss zu bieten hatte. Doch die Krankheit raubte vielen die Kräfte und die, die sie hatten wurden schnell schwach, dürr und fingen an aus dem Munde zu bluten. Der blutende Mund war das erste Anzeichen der Krankheit. Als die zwei sich dem Dorf langsam näherten, fiel Malus auf, dass je näher sie kamen, ein dichter Nebel auftrat. Faisal erklärte ihm, dass dieser Nebel schon vor dem Dorf existierte und viele ihn als eine Art Schutzgeist wahrnahmen, da Plünderer und andere Leute mit bösen Absichten in ihm schnell verloren gingen und daher das Dorf nie erreichten. Viele glaubten daher auch, dass die Krankheit ein Zeichen von Zorn des Schutzgeistes sei, da sie ihn auf irgendeine Weise verärgert haben müssen. Malus hörte den Geschichten von Faisal aufmerksam zu und machte sich immer wieder Notizen. Als sie das Dorf endlich erreichten schien es wie verlassen. Der Nebel war hier, durch die Häuser und Hütten, etwas dünner, was das Sehen erleichterte. Sobald sie einen Fuß ins Dorf gesetzt hatten, begann Malus mit diversen Werkzeugen Proben zu nehmen. Nach einiger Zeit wandte er sich zu Faisal: „Und wo sind die Exempl…. Die Opfer der Krankheit?“ Faisal zeigte auf ein größeres Haus in der Dorfmitte. „Da die Kranken sich nicht mehr gut bewegen können haben sich alle übrig gebliebenen im Rathaus versammelt. So können sie sich gegenseitig helfen ohne lange Wege gehen zu müssen.“ Als sie vor das Rathaus traten hörte man von innen schon leichtes hüsteln und röcheln. Die große Rathaustür schwang auf und man sah mehrere dutzend Leute rumsitzen und liegen. Sie sahen zum größten Teil einfach nur mager und blass aus, wenn man die roten Blutflecken um den Mund herum nicht beachtete. Faisal nahm seinen schweren Lastrucksack vom Rücken und holte Essen und Trinken zum Vorschein. Er begann hastig es zu verteilen. Währenddessen betrachtete Malus die Kranken und stellte einigen ein paar Fragen. Das Essen schien den Leuten genug Kraft zu geben, um sich zu bedanken und sich zu wundern, wer der Fremde war. Faisal erklärte den Dorfbewohnern, dass Malus gekommen sei, um Ihnen zu helfen und sie zu heilen. Die Nachricht löste eine Welle der Freude aus und viele gingen zu Malus um sich schonmal vorab bei ihm zu bedanken. Nachdem die Vorräte geteilt wurden, rief Malus Faisal, um mit ihm das Weitere zu besprechen. Er verlangte einen Saal für sich und die Kranken alleine, wo er jeden einzeln behandeln konnte. Faisal half ihm, solch einen Raum einzurichten und die Dorfbewohner machten, auf Malus‘ Wunsch, einen weiteren Raum klar, in dem die Behandelten sich ausruhen durften. Als es soweit war, holte Malus seinen ersten Kranken und verschloss die Tür, um bei der Behandlung nicht gestört zu werden. Es dauerte gut 20min, als er wieder rauskam, die Person um seine Schulter gestützt, schlafend. Sie sah wieder recht lebendig aus und die Leute jubelten vor Freude, endlich geheilt werden zu können. Also machte sich Malus an die Arbeit und behandelte jeden Dorfbewohner. Am Ende des Tages schliefen alle in dem Schlafsaal und Faisal bedankte sich nochmal persönlich bei Malus, dass er dem Dorf geholfen hat. „Nein. Ich habe zu danken. Durch euch habe ich viel neues Wissen erhalten, welches mich meine Arbeit als Arzt noch präziser und besser ausführen lassen wird.“, antwortete dieser. Faisal hatte für den Fall der Fälle ein paar Flaschen Met mitgebracht und lud Malus auf einen Umtrunk ein. Dieser zögerte zunächst, doch auf Faisals wiederholte Bemühungen ihn zu überreden lies er sich dann doch irgendwann ein. Beide saßen vor dem Schlafsaal an einem Lagerfeuer und tranken, aßen und erzählten Geschichten. Malus erzählte, er käme aus seiner Heimat, mit der Lebensaufgabe, die Kranken dieser Welt zu heilen und die Seuche zu vernichten. Auf Faisals Frage, welche Seuche er meint, lachte er nur, als sei dies die dümmste Frage die ihm jemals gestellt wurde. Der Mond leuchtete hell über dem Dorf, als das Lagerfeuer seine letzte Glut glimmen lies und man aus dem Schlafsaal Geräusche hörte.

*

Faisal, aufgeregt seine Freunde gesund und munter zu sehen lief hinein, während Malus weiterhin unbekümmert sitzen blieb und an seinem Met trank. Als er den Saal betrat, merkte er freudig, wie bekannte Gesichter umhergingen. Er rief sie: „Leute, bin ich froh euch wieder so munter auf den Beinen zu sehen!“ Die Dorfbewohner starrten ihn gleichzeitig an, sobald sie seine Stimme gehört haben. Langsam schlurften sie auf ihn zu, was ein leichtes Unbehagen in ihm auslöste: „W-Was ist los mit euch? Sagt doch etwas?“ Malus Stimme ertönte hinter ihm, wodurch er aufsprang: „Sie können nicht reden. Das ist ein Preis, für die Heilung.“ Er hatte die Arme hinter seinem Rücken verschränkt. „Ich verstehe nicht, was hat das Reden mit der Gesundheit zu tun? Wie sollen Sie ohne Stimme mit Ihrem vorherigem Leben weitermachen?“, wunderte sich Faisal, welchem langsam dämmerte, dass hier vielleicht etwas Furchtbares geschehen ist. „Sie müssen nicht wie früher weitermachen. Ich habe ihnen ein heiles Leben gegeben. Ohne Krankheit, ohne Furcht. Sie müssen nicht essen, nicht trinken, nicht denken“, zum ersten Mal hört man ihn kichern: „. . . ist das nicht wunderbar?“ „Also habt Ihr sie zu willenlosen Zombies gemacht?“, fragte Faisal aufgebracht und zückte seinen Dolch. Das Wort „Zombie“ schien Malus nicht zu gefallen. Denn als er es hörte sprangen plötzlich drei Dorfbewohner Faisal an, packten ihn und hielten ihn fest. „NENN SIE NICHT SO!“, schrie Malus, danach atmete er tief ein und wieder aus: „Sie sind geheilt. ICH habe sie geheilt. Aber natürlich kann ich von einem Kranken nicht erwarten, dass er die Heilung versteht.“ „K-Krank? Ich bin doch nicht krank! Ihr seid krank!“, schrie Faisal. „Seid nicht albern. Ich bin Arzt. Ich, bin die Heilung. Und jetzt hört auf Euch zu bewegen, ich werde auch Euch heilen…“. Mit diesen Worten holte er hinter seinem Rücken eine Sichel und ein Skalpell hervor und machte sich ans Werk.

*

Es war ein herrlicher Sonnentag, und Nephtir saß wieder einmal in seinem Schaukelstuhl und rauchte seine Pfeife. Als er kurz davor war, wieder in einer seiner Tagträume zu verschwinden, hörte er ein leises, fröhliches Summen. Aus der Richtung des Dorfes sah er eine einzelne Gestalt, in schwarz gekleidet und mit Schnabelmaske. „Ach, der Arzt“, grüßte er ihn: „Habt Ihr es geschafft?“ der Mann stoppte bei ihm, verneigte sich theatralisch, als hätte er eine Bühnenshow abgelegt und sprach: „Ja. Mein Werk ist vollbracht. Die Dorfbewohner sind geheilt. Die Krankheit wird das Dorf nicht mehr heimsuchen.“ „Das ist ja fantastisch!“, meinte Nephtir: „Dann nehme ich an, Ihr zieht weiter?“ Der Mann richtete sich auf: „Bald. Ich muss die frohe Nachricht noch Faisals Geliebten überbringen. . .“

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