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3xhab ich gern gelesen
geschrieben von Marianne Lubos.
Veröffentlicht: 12.02.2024. Rubrik: Unsortiert


Missverstandene Turnübungen

Missverstandene Turnübungen 

„Du musst was für dich tun, du musst Kalorien verbrennen! Gehe doch mal in ein Fitnessstudio, da sind auch ältere Menschen, die so gebrechlich sind wie du. “ Wenn das keine Motivation war, es war das Jahr 1991. Fitnesscenter schossen aus dem Boden. Offensichtlich wurden die neuen Bundesbürger als zu unsportlich eingeschätzt.
Turnen unter dem Motto „Medizin nach Noten“ gab es nicht mehr und Jane Fonda war out. Unter dem Motto „Vom Sieger heißt siegen lernen“ begab ich mich in die heiligen Hallen. Ein wunderschönes Ambiente mit Bildern an der Wand, auf denen Modelle in der Konfektionsgröße 34 zu sehen waren. Was für ein Albtraum! Mir stellte sich die Frage: warum sind diese Menschen hier? Ich war trotzdem bereit! Mit einem orangen Schweißband und entsprechenden grünen Leggings betrat ich den Tresen. Auf der anderen Seite stand eine durchgestylte Trainerin, deren Muskeln durch das Hemdchen lugten. Sie beäugte mich einige Minuten, um mir dann den Vorschlag zu machen, einen Dreijahresvertrag abzuschließen mit den Worten „Es gibt viel zu tun, packen wir es an!“
„Wollen sie erst einmal heute schnuppern?“ Meine Frage: „An wem bitte?“ Sie verdrehte die Augen und zeigte mir den Kursraum.
Mit einer Matte unter dem Arm ging ich auf einen leeren Platz. Kurz vor der Berührung mit dem Boden wurde ich von einem verbitterten alten Mann darauf hingewiesen, dass es schon seit vielen Jahren seine Turnstelle sei. Auch wenn ich keinen Namen auf dem Boden entdecken konnte. Dadurch stolperte ich rückwärts prompt auf eine frische 80-Jährige, die in Größe 34 einen Spagat machte. Um sich aufzuwärmen. Nur raus hier, aber da ging die Tür auf und ein gut aussehender Trainer in einem Muskel-T-S-Shirt in den besten Jahren begrüßte uns fast zärtlich. Ich zog automatisch meinen Bauch ein, der diese eine Welle nach oben drückte. Um mich kurz vorzustellen, ging ich auf ihn zu, was offensichtlich Verwirrung stiftete. 
„Mein Name ist Nanne und ich turne hier ab heute.“ 
Dann sollten wir uns ein Elastikband nehmen. Wir wurden darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Farben eine Bedeutung haben. Bei der ersten Übung haute ich mir das rote Band voll ins Gesicht. Mehrere Streifen verzierten meine Wangen. 
Dann erschallte laute Technomusik, nach der wir Tanzschritte machen sollten. Mehrere Male schubste ich die linken und rechten, dünnen Nachbarinnen aus der Reihe.
Sofort kam der Trainer, um sich um mich zu kümmern. Das gefiel mir so gut, dass ich nicht aufgab, sehr zum Verdruss der anderen Teilnehmerinnen. 
Die nächste Übung auf dem Rücken liegend dabei die Beine spreizen, atmen oder war es hecheln? Trieben mir Schweißperlen auf die Stirn. 
Anschließend kam die Anweisung, einen Hund zu machen.
Hund bedeutet, Hintern in die Luft, zwischen Fingern und Zehen Beine ausgestreckt. Waren es Minuten oder Stunden? Dann sollte das Bein angehoben werden. Ich hatte keine Hundetüte mit und verließ den Kursraum. 
Ein Servicemitarbeiter wies mich anschließend an den sehr speziellen Trainingsmaschinen ein.
Da es bei bestimmten Übungen mit Gewichten zu Geräuschen kam, die nicht von den Geräten kamen, zog ich mich zurück.
Der Entschluss, die Sauna zu besuchen, stand auf dem Plan. Dort saßen unbekleidete Menschen eng aneinander gereiht.
Ein völlig nackter Mann mit einem Piercing an seinem Säckchen betrat die Sauna. Seine Frage an uns Anwesenden lautete: "Seit ihr einverstanden, wenn ich einen Aufguss mache und danach wedel?" Ich traute mich nicht zu fragen, womit er wedeln möchte. Er drehte sich im Kreis und dabei schlenkerte seine Kette aktiv umher. Jetzt einen Magneten dabei zu haben, wäre doch der Knaller.
Hier laufen offensichtlich noch ganz andere Kontakte in der Sauna. 
In der Garderobe schnatterten die Anwesenden im Alter von 25 bis 85 über Themen, mit denen ich nichts anfangen konnte. Ich hatte weder, Erdbeeren - Zuchini - Mohrrübenbeete auf dem Balkon. Meine Kochrezepte ließen sich an einem Finger abzählen. Ach Fotos von meinen Enkelkindern konnte ich nicht herum geben.

Dann ging ich noch mal allein in den Kursraum. Die bunten Yogamatten hingen matt herunter. Was an den Stangen hing, waren nicht nur bunte Bänder, Decken und Gummiseile.
In der Ecke lagen Stäbe aus Holz. Überall kullerten kleine und große Bälle herum.
Das ist ein Haus zum Treffen für einsame Herzen mit gesundheitlichen Einschränkungen, schwirrte es in meinem Kopf.

Am nächsten Tag habe ich den Vertrag gekündigt. Ich bin eine anständige Frau!

Meine aktuelle sportliche Betätigung ist jetzt, Aqua turnen. Das ist der Wahnsinn, ich bin im Wasser leicht wie ein Seepferdchen. Mein Bauch und meine Brüste hopsen aus dem Wasser und sind dabei glücklich. Am schönsten sind die Übungen mit der Nudel. Wenn ihr wisst, was ich meine. Das warme Wasser umspielt meinen „dünnen“ Körper und ich freue mich auf Nudeln mit Gorgonzola. 

counter3xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Jens Richter am 14.02.2024:

Hallo Marianne,
Deine Exkursion in das Fitnesscenter hast Du sehr authentisch beschrieben.
Ich habe den Text sehr gern gelesen.
Genauso stelle ich mir den Aufenthalt darin vor, was der Grund ist, dass ich um die Muckibuden einen großen Bogen mache.
Viele Grüße von Jens




geschrieben von Ernst Paul am 15.02.2024:

Ich hatte vor, nach den gestressten Weihnachtstagen, der Silvesterparty, zwei darauffolgenden Geburtstagsfeiern und dem erhobenen Zeigefinger meines Arztes, endlich ein Fitnesscenter aufzusuchen, doch Du nimmst mir mit Deiner Geschichte jegliche Lust. Gern gelesen. m.f.g. e.p.

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