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geschrieben 2024 von Kargut (Kargut).
Veröffentlicht: 07.10.2024. Rubrik: Persönliches


Der Führerschein Teil 3

Im Krankenhaus angekommen folgten erneut Fragen über Fragen. Dafür hielt sich die Zahl und Dauer der Untersuchungen in Grenzen, denn das Röntgengerät war damals noch die einzige Apparatur, mit der sich die Götter in Weiß einen Eindruck vom Inneren meines Körpers verschaffen konnten. Nur das Pflegepersonal war beschäftigt. Mit Pinzetten bewaffnet puhlten sie, in mühsamer Kleinarbeit, Steinchen und Glassplitter aus meinem Körper. Unter den Achseln, am linken Rippenbogen, Rücken und Kopf hatte ich tiefe Schürf- und Schnittwunden, die – bevor sie weiter versorgt werden konnten – gründlich gesäubert werden mussten. Und genau während dieser Prozedur trafen meine Eltern ein. Mein Vater weinte und fragte mit erstickter Stimme: „Wie konnte denn das passieren ?“ Meine Mutter dagegen fragte mit versteinerter Miene: „ Was soll ich Dir morgen noch mitbringen ?“ und zählte, wie bei einem Einkaufszettel, Dinge auf, die sie bereits dabeihatte. Es mag für jeden Außenstehenden schockierend klingen – aber meine Mutter ging mit ihren Gefühlsregungen sehr sparsam um und ich hätte keine andere Reaktion von ihr erwartet - ich war froh, dass sie mir nicht noch eine Standpauke hielt. Sie hatte andere Stärken, aber die passen nicht in diese Geschichte.
Die Diagnosen meiner Verletzungen waren – so wie auch die Untersuchungen – eher oberflächlich. Sicher waren eine Gehirnerschütterung, Nierenquetschungen und unübersehbare Hämatome am ganzen Körper. Erst 20 Jahre später erfuhr ich von einer Brustwirbelfraktur, die auf CT Bildern erkannt und hinterfragt wurden. Ihre Existenz war mir bis dahin nicht bekannt und kann nur auf den Unfall zurückzuführen sein.
Ich war schon immer hart im Nehmen und erinnerte mich während des Krankenhausaufenthalts an eine Feier, zu der ich unbedingt gehen wollte. Hätte ich gefragt, wäre mir der Besuch untersagt worden – also fuhr, bzw trampte ich, ohne zu fragen. So konnte ich immer noch sagen:“ es hat mir ja niemand verboten“. Als ich ins Krankenhaus zurückkam hatte mich offenbar niemand vermisst und ich einen lustigen Abend, auch wenn ein jedes Lachen starke Schmerzen verursachte. Und einen Grund zum Lachen hatte ich allemal: ich hatte überlebt.
Wieder zu Hause verblassten die Blutergüsse, sowie die Erinnerungen an den Unfall. Ich wollte, so bald wie möglich, wieder hinter das Steuer, um meine karge Fahrpraxis nicht komplett zu vergessen. Ein alter, aber fahrbereiter Nissan sollte mir drei Jahre lang dazu Gelegenheit geben.
Bis heute sind ganze drei Dinge nach dem Unfall zurückgeblieben: mein Führerschein, einige Narben und die Erkenntnis: Gas- und Bremspedal bei nasser Fahrbahn nur sehr, sehr vorsichtig zu bedienen. Wenn jetzt der Rest der Welt noch umsichtig im Straßenverkehr unterwegs ist, dann wird mir meine Fahrerlaubnis sicherlich noch viele Jahre gute Dienste erweisen, auch wenn ich in den vergangenen 13 Jahren nur 34.000 km mit ihr zurückgelegt habe.

ENDE

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