geschrieben 2025 von Matthias Stilke (CaptainX).
Veröffentlicht: 19.04.2025. Rubrik: Fantastisches
'ne Menge Ärger - Teil 2
'ne Menge Ärger - Teil 2
Die Leichen lagen in zwei Gruppen. Drei mehr oder weniger parallel dicht nebeneinander, zwei etwas weiter entfernt. Alle lagen auf dem Rücken, die toten Augen gen Himmel gerichtet. Die Drei hatten ihre Gewehre über die Schultern hängen und lagen halb auf ihnen. Tracy betrachtete genau die kleinen Einschusslöcher zwischen den Augen, auf die Ortzz deutete.
Ben ging zu den beiden anderen Leichen. Diese wiesen keine Wunden in der Stirn auf.
»Wie sind die hier gestorben?«, rief er Ortzz zu. Dieser erkundigte sich bei dem Major und antwortete dann: »Das wissen wir noch nicht. Unsere Experten haben die Beiden noch nicht untersucht.« Das war bestimmt nicht ironisch gemeint (Vargr haben nur wenig Sinn für Ironie) - trotzdem musste Ben lächeln. Sicherlich verfügte diese grobe Fußtruppe über kein forensisches Spezialistenteam in weißen Schutzanzügen und spezieller Laborausrüstung.
Auch diese Soldaten trugen die gängige Militäruniform. Ihre Gewehre lagen jedoch neben ihnen. Tracy schlenderte zu ihm herüber und zeigte auf die Brust der Toten. Mittig auf Höhe des Solar Plexus wies die Uniform ein kleines, rundes Brandloch auf - kaum zu sehen in dem groben Gewebe der Uniform.
Ben nickte bestätigend und anerkennend. Tracy hatte für derlei Dinge ein gutes Auge. Sie nahm eines der Gewehre auf und blickte in die Patronenkammer. Die leere Hülse steckte noch in der Lademechanik. Dann drehte sie die Waffe und roch am Lauf: »Diese Waffe wurde eindeutig noch vor wenigen Stunden abgefeuert.«, resümierte sie. Benjamin machte das gleiche mit der anderen Waffe mit dem selben Ergebnis.
Er stellte sich die Situation vor. Der Lage von Körpern und Waffen zur Folge, hatten die Beiden vermutlich kurz vor ihrem Tod in Richtung der anderen drei Leichen geschossen - auf was auch immer. Er ging der vermuteten Geschossbahn hinterher - direkt durch Rrghorrgo's Stab. Sie endete an der Betonmauer, der Rückwand der Sackgasse. Diese war von Wind, Wetter und Feuchtigkeit zersprungen. Auf Augenhöhe zeichnete sich ein heller, anscheinend frisch abgeplatzter Bereich ab. Auf dem Boden darunter lag ein leicht deformiertes Projektil. Er hob es auf und ging zu Tracy zurück. Sie begutachtete das kleine messingfarbenes Metallstück sorgfältig von allen Seiten: »Jepp. Das ist eine der Kugeln, die von hier abgefeuert wurden. Ziemlich massiv das Ding. Hat beim Aufprall in der Wand kaum gelitten. Den größten Teil der kinetischen Energie hat wohl die Mauer absorbiert. Aber wo ist die andere?«
Benjamin zuckte mit den Schultern. Er ging erneut die Flugbahn ab, inspizierte dabei aber penibel den Boden. Dicht bei den drei Leichen fand er im Dreck ein deformiertes Messingetwas. Ben hielt es ins Licht und Tracy und Thora gesellten sich zu ihm. Tracy pfiff durch die Zähne: »Wow!«
»Ist sie das?«, fragte Ben unsicher.
»Yeah. Total hinüber. Muss gegen etwas sehr hartem geknallt sein.«
Ben sah sich um: »Was könnte das gewesen sein?«
Tracy schüttelte den Kopf: »Mann, das ist ein stabiler Vollmantel einer speziellen Messinglegierung. Es gibt vermutlich auf diesem Planeten nur wenige Materialien, die so einer Kugel derart widerstehen können aber bestimmt nicht hier in dieser Gosse.«
Da war etwas dran, aber Ben wünschte sich, sie würde sich in der Öffentlichkeit etwas gemäßigter ausdrücken. Immerhin war Garrghkha der Heimatplanet von vielen Milliarden Vargr und sie nur Gast hier.
Prhahn stand die ganze Zeit etwas abseits und beobachtete seine menschlichen Berater. Nun trat er an sie heran und Übersetzer bekam wieder Arbeit: »Offizier fragt, ob sie schon etwas herausgefunden haben.«
»Tja, Lieutenant.«, begann Tracy: »Die drei Soldaten wurden von einem feinen Laserstrahl erschossen, aus nächster Nähe, nicht aufgesetzt. Präzise zwischen den Augen. Der Größe der Wunde und dem Verbrennungsgrad nach eine Laserpistole. Die beiden anderen Jungs ...«, sie nickte mit den Kopf in die entsprechende Richtung, »... sind mit der gleichen Waffenart getötet worden, zentral in die Brust, allerdings aus etwas größerer Entfernung.« Sie sah Ben an und er fuhr fort: »Vorher konnten die Beiden noch ihre Waffen abschießen. Eine Kugel verfehlte ihr Ziel und schlug in die Rückwand ein. Die andere traf etwas sehr hartes.«
Thora fragte: »Was hatten die Soldaten hier zu suchen?«
Prhahn rief Major Rrghorrgo heran und knurrte ihn an. Ortzz übersetzte die Antwort: »Es handelte sich um eine ganz normale Straßenpatrouille zur Durchsetzung der Sperrzeit. Er vermutet, dass sie hier jemanden aufgegriffen haben, der hier nichts zu suchen hatte. Es könnte sich um ein fehlgeschlagenes Drogengeschäft gehandelt haben. Auf der Hauptstraße haben wir noch weitere Tote gefunden. Zwei Zivilisten, erschossen wie diese Drei hier.« In vielen Teilen der Metropolen ist Rauschgift ein Riesenproblem.
»Ah. Diese Person erschoss die Drei und dann die anderen Beiden, nachdem diese ihn verfehlt hatten. Dreimal aus kurzer und zweimal aus höherer Distanz. Das passt. Auf der Flucht mussten noch zwei weitere dran glauben.« Thora kam so langsam in Fahrt.
»Hmmm.«, machte Ben: »Aber mit einer Laserwaffe? Und dann so präzise?«
»Mit einer entsprechenden Zieloptik ist das gar nicht so schwer.«, sagte Tracy: »Nur das 'Warum' ist mir nicht klar. Wenn wir es genau nachmessen, werden wir feststellen, dass bei allen drei Soldaten das Einschussloch exakt zwischen den Augen liegt. Für das Endresultat ist diese Präzision nicht entscheidend. Ein, zwei oder drei Zentimeter in jeder Richtung würden am sofortigen Tod nichts ändern. Ich wette, bei den Beiden dahinten ist es genau das gleiche, nur punktgenau im Brustbereich. Selbst ein guter Schütze mit viel Zeit würde sich diese Mühe nicht machen.«
Eigentlich war Tracy eher ein einfacher Mensch, aber in militärischen Dingen machte ihr so schnell niemand etwas vor.
Major Weißfell war jedoch nicht beeindruckt, knurrte vor sich hin und ging wieder zu seinen Stab.
Ortzz übersetzte 'Ich glaube diesen haarlosen Affen kein Wort' mit: »Major ist von diesen Schlussfolgerungen nicht überzeugt.«
»Was ist mit den beiden toten Zivilisten?«, fragte Ben.
»Die liegen bereits auf einem der Transporter, hat mir vorhin einer vom Stab erzählt.«, antwortete Übersetzer: »Sie wurden auf der Hauptstraße nicht weit von hier erschossen. Es handelt sich um Anwohner, beide auffällig wegen Drogendelikten. Aber das trifft auf die Hälfte der Leute hier zu.«
»Hat einer der Anwohner etwas gesehen oder gehört?«
»Gesehen hat angeblich niemand etwas.«, meinte Ortzz: »Zwei Stunden vor Sonnenaufgang haben einige einen oder zwei Schüsse gehört.«
Plötzlich entstand auf der Hauptstraße großer Krach; ein weiterer Dampfradler kam herangefahren und hielt unmittelbar vor der Zufahrt zur Gasse.
Ein junger Offizier sprang von der Ladefläche, suchte und fand schließlich den Major. Aufgeregt überbrachte er eine Meldung. Nach einigen Zwischenfragen gab Major seinem Stab ein Zeichen und die Gruppe bestieg das Fahrzeug.
Die Menschen blickten Ortzz fragend an: »Es sind zwei weitere Leichen gefunden worden. Zivilisten. Nicht weit von hier.«
»Und?«, fragte Thora ungeduldig.
»Auch diese haben ein Loch zwischen den Augen.«
Prhahn, Ortzz und die Menschen fuhren in ihrem Dampfradler Major Weißfell und seiner Truppe hinterher. Auch diese Fahrt dauerte einige Zeit. Kaum merklich nahm die Gebäudedichte und -höhe ab. Schließlich hielten sie am Rand einer großen Grünfläche, wobei es sich eher um ein Areal spärlichen Grases, verkrüppelten Bäumen und wilden Buschwerk handelte - grau, erdig und ebenso trist, wie die örtliche Architektur, aber irgendwie fehl am Platz hier.
»Das ist denn das? Ein Park?«, fragte Thora, nachdem der Pilot den Dampfmotor in Leerlauf gestellt hatte.
Übersetzer kannte wohl die Bedeutung von diesem Wort nicht und sagte nur: »Das ist ein freier Platz.« Die Menschen waren so schlau wie vorher. Sie stiegen aus und folgten Major und seinen Leuten in das traurige Grüngrau zwischen Müll und zertretenen Pflanzen. Hier und da standen weitere Dampfradler des Militärs. Gruppen von Soldaten waren zu sehen; sie sahen sich verunsichert um und hielten ihre Waffen auf die umgebenden Gebäude gerichtet.
»Hey, Übersetzer.«, rief Tracy: »Was ist hier los? Was ist das für ein Ort?«
Ortzz überlegte kurz: »Das ist Drogenland. Nein. Das ist falsch. Ich kenne das anglische Wort dafür nicht. Manchmal landen hier illegal Schiffe.«
»Oh. Na gut.«, sagte Tracy und sah Thora schweigend an.
Ihre Gruppe gesellte sich zu Major Rrghorrgo und seinen Leuten, die sich im Kreis um einen spärlichen Busch aufgestellt hatten.
In dem Gestrüpp lagen zwei Vargr in Zivilkleidern, beide mit einem Loch zwischen den Augen und anscheinend schon seit mehreren Tagen. Der Verwesungsprozess hatte bereits begonnen. Ein junger Soldat machte gerade bei Weißfell Meldung.
»Sie waren auf Routinepatrouille hier in der Gegend. Einer der Soldaten nahm die Witterung auf und sie fanden die beiden Leichen hier unter Pflanzenresten versteckt.«, übersetzte Ortzz leise: »Sie hatten nichts bei sich, nur etwas Munition.« Der Soldat öffnete eine Klaue und zeigte dem Stab eine Handvoll langer Patronen.
»Einer war ein untergetauchter Drogenhändler, der andere unbekannt. Beide auf die gleiche Art erschossen wie die anderen Vargr auch.«
Major grunzte zufrieden.
»Rrghorrgo fühlt sich in seinem Urteil bestätigt, dass diese Mordserie mit dem hier örtlich organisierten Drogenkartell in Verbindung steht.«, übersetzte Ortzz. Captain Prhahn wollte den Major noch auf ihre Erkenntnisse hinweisen, wurde aber von Weißfell schroff abgewiesen.
Rrghorrgo zog dann unter Mitnahme der beiden Toten mit seinen Leuten ab. Prhahn und Ortzz fuhren mit den Menschen zusammen zum Raumhafen zurück.
Auf der Fahrt bedankte sich Prhahn höflich bei den Menschen für ihre Hilfe und überreichte Thora einige abgegriffene 50-Credit-Noten - die versprochene Aufwandsentschädigung. Alle hatten jedoch das Gefühl, dass diese Angelegenheit damit noch nicht erledigt war.
Fortsetzung folgt ...
Autor: Matthias Stilke
Geschrieben: April 2025

