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5xhab ich gern gelesen
geschrieben von rubber sole.
Veröffentlicht: 25.04.2025. Rubrik: Satirisches


Verwandelt

Als ich den Eingangsbereich der Schönheitsklinik, malerisch am Ufer eines pittoresken Sees in Oberbayern gelegen, betrat, war ich sofort vom gediegenen Flair beeindruckt. Mir war klar, das ist ein Ort voller Frieden, an dem der Aufenthalt nicht mit einem Termin beginnt, sondern mit Ruhe und wertgeschätzter Ästhetik. Auf stilvollen Plakaten warben strahlende Gesichter für kunstvolle Eingriffe, für Verwandlung in eine ästhetische Vollkommenheit – genau das, was ich mir erhoffte.

SatirepatzerSatirepatzerNach vielen Jahren unsteten Lebenswandels als Unterhaltungskünstler, ich war Tragedian, ein Spezialist der schwarz-humorigen Spielart der weit verbreiteten Zunft der Comedians, der in besten Zeiten die Hallen großer Säle gefüllt hatte, fühlte ich mich verbraucht. Nicht nur mental, nein, ich litt auch körperlich unter den Folgen extremer hedonistischer Ausschweifungen, die sich zudem markant in meinem äußeren Erscheinungsbild spiegelten – diese Makel sollten verschwinden. Ein auf mich wie ein chemisch gereinigt wirkender Arzt, mit einer Gesichtshaut wie Pergament im Hochsommer, untersuchte mich gründlich, sah mich eindringlich an, dann nickte er wissend. Man müsse ein wenig hier anheben, da entspannen et cetera, alles sanfte Eingriffe mit großer Wirkung; so bereitete er mich auf die Spezialbehandlung vor. Ich wählte die Option 'Absolute Verwandlung – hin zu wahrer Schönheit' -, die besten Resultate daraus würden für eine großangelegte Medienkampagne verwendet werden. Und es wurde gut, sogar sehr gut. Erste Ergebnisse waren schon nach wenigen Wochen deutlich zu erkennen – ich wirkte äußerlich entspannt, seelisch war ich auf den chirurgischen Eingriff vorbereitet. Diese innere Ruhe langweilte mich aber bald, mein gut ausgebildeter Hang zu 'kreativen' Assoziationen arbeitete unermüdlich im Hintergrund, der präfrontale Cortex wurde humoristisch befeuert. Ich dachte bald wieder wie ein aktiver Tragi-Comedian mit einer ausgeprägten Neigung zur Ironie. Dieses Gefühl musste ausgelebt werden.

Am Tag des eigentlichen Eingriffs kam ich früh, doch nicht, um mich sofort vom chirurgischen Kompetenz-Team behandeln zu lassen. Ich trug ein Set aus feinstem Silikon über meiner originalen Haut, organisiert aus dem Fundus eines befreundeten Maskenbildners. Diese dünne Hautfolie hatte ich mir kunstvoll über das Gesicht spannen lassen. So trat ich ein, ließ mich filmen, vermessen und für den Auftritt präparieren. Das Endergebnis sollte in der Medienkampagne der Klinik, 'Die schönster Gesichter des Landes', mit veröffentlicht werden. Wochen später wurde die neue Kampagne publik gemacht; mein neues Antlitz, makellos, künstlich, glänzend, strahlte in allen Medien, vielfach bewundert als einzigartige Kunst.

Einige Zeit später. Ich hatte einen Live-Auftritt in einem überregionalen TV-Sender organisiert; das Publikum wartete gespannt auf das Ergebnis des 'schönsten Menschen des Landes', wie öffentlich angekündigt worden war. Zu sehen war dann ein perfekt inszeniertes klinisches Setting, das aber in der Naheinstellung der Kamera unerwartete Ansichten zeigte: Deutliche Ränder an den Seiten meiner Wangen waren zu erkennen. Als ich spielerisch mit den Fingern daran zog, entstand unverkennbar der Eindruck einer Puppe - und das als angekündigtes Ergebnis einer chirurgischen Exklusivbehandlung in einer Schönheitsklinik. Und ich ging einen Schritt weiter, ich trennte die Kunsthaut von der natürlichen, was letztlich zur Sicht auf mein eigentliches Aussehen führte: ein von Natur aus leicht schiefes Gesicht mit einer etwas zu groß geratenen Nase. Für mich erfreulich: Durch die Entspannungsbehandlung am Beginn des Klinikaufenthalts glich mein Aussehen nicht mehr dem eines Dummys mit hoher Pflegestufe.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Babuschka am 25.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
Lieber rubber,
habe ich das jetzt richtig verstanden? Die Schönheitsklinik hat die Silikonhaut behandelt und die originale Haut darunter so belassen, wie sie war?

Eine originelle Idee, sehr gern gelesen.
LG Babuschka




geschrieben von rubber sole am 25.04.2025:

Danke Babuschka. Du weist auf einen Schwachpunkt in der Geschichte hin: Der Erzähler wird aufgrund seines makellosen Äußeren direkt in die PR-Abteilung gelotst - ohne chirurgischen Eingriff. In der Tat, das kann man verständlicher beschreiben.
lgrs




geschrieben von Bad Letters am 26.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
Die Spuren des Lebens von meinem Antlitz zu tilgen, würde mir nie einfallen, rubber und wer sich freiwillig unters Messer legt, sollte wohl eher einen Psychiater aufsuchen.

MfG
Bad Letters




geschrieben von Sandra Z. am 28.04.2025:

Hallo rubber sole,
ich hab die "Moral von der Geschicht" leider nicht verstanden, möchte aber trotzdem ein wenig "rummeckern" :-)
"Pergament im Hochsommer" klingt für mich irgendwie nach einem doppelten Superlativ. Ich glaube, trockener als Pergament geht nicht.
Und wie genau muss ich mir einen "Dummy mit hoher Pflegestufe" vorstellen? Dazu will mein Gehirn leider kein Bild generieren :-) LG, Sandra




geschrieben von rubber sole am 28.04.2025:

>Sandra Z.

Hallo Sandra,
Falls Du den Sinn dieser Geschichte nicht verstehst Sandra, ganz einfach wörtlich nehmen. Schade, dass ich bei dir keine Bilder erzeugen kann, diese Geschichte überfordert dein Vorstellungsvermögen offensichtlich. Sich Pergament in der Sommersonne vorzustellen, ist nicht schwierig: Das schlichte Bild, das Du für dich vor Augen hast, ganz einfach eine Verfallstufe weiter denken; da ginge noch was. Ein Dummy mit einer hohen Pflegestufe ist sicher kein genormter Begriff, und ist wohl auch nicht bei der Pflegeversicherung gelistet. Hier entspricht er in etwa dem Aussehen eines Dummys nach erfolgtem Crashtest – ein häufig veröffentlichtes Bild in Medien.
lgrs


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