Veröffentlicht: 26.04.2025. Rubrik: Menschliches
Bad muss einkaufen (Teil 4)
Das pausenlose Ausweichen vor den Konsumzombis und dem vielen Bücken und Hals recken, um die Waren zu finden, strengen an und ich zolle meiner Süßen innerlich Hochachtung, wie sie das seit Jahren über sich ergehen lässt, ohne auch nur einmal zu murren.
Kawums, und ich sehe plötzlich nur noch Sternchen. Ein Rollator krachte ungebremst in meine Kombination aus Mann und Einkaufswagen. Ja sind wir denn auf der Formel1 Strecke, oder was? Die Oma, die mich mit voller Wucht rammte, ist mindestens so erschrocken, wie ich, was sie aber nicht davon abhält, mir die Schuld zuzuweisen und zu schimpfen wie ein Rohrspatz.
Ich lasse die Tirade erst einmal über mich ergehen, bevor ich zum Gegenangriff übergehe, "Rechts vor links!" sage ich nur und werde verständnislos angeglotzt. "Aha, kein Führerschein, dachte ich mir doch!" schiebe ich nach und "Gute Frau, bevor sie sich so ein Renngerät anschaffen, sollten sie wohl erst einmal dafür Sorge tragen, dass sie damit auch umgehen können!"
"Aber ..." setzt sie an, doch ich lasse sie erst gar nicht zu Wort kommen, da zu befürchten ist, dass sie nicht bereit ist irgendetwas vernünftiges von sich zu geben "Nichts aber, sie haben mir die Vorfahrt genommen und können froh sein, dass ich die Eier noch nicht im Wagen hatte, und jetzt entschuldigen sie mich, ich muss weiter, sonst wird die Milch auch noch sauer!"
Vollkommenen verwirrt und mit weit geöffnetem Mund, lasse ich die Oma einfach stehen und ziehe meiner Wege. Zuerst läuft alles nach Plan, aber irgendwann bemerke ich, das etwas anders geworden ist. Ich höre hinter mir öfter ein Gekicher und habe auch das Gefühl, das es untenrum irgendwo zieht.
Als ich mir daraufhin ans Gesäß fasse, ist der Fall klar, meine Hose ist bei dem Unfall gerissen und jetzt hängt eine Pobacke im freien, da mein Höschen nur äußerst knapp geschnitten ist. Cool bleiben Alter, denke ich mir, kann aber trotzdem nicht verhindern rot anzulaufen.
Was tun? Geht es mir durch den Kopf. Da mir spontan keine Lösung einfällt bewege ich mich und meinen Einkaufswagen von der Haupteinkaufsmeile temporär in eine Seitengasse. Das es ausgerechnet die ist, wo es Kondome und Vaginalcreme zu kaufen gibt, erscheint mir der Situation irgendwie angemessen, denn ich brauche ja einen Überzieher für mein blank liegendes Hinterteil.
Da fällt mir ein, ich habe ja die Einkaufstaschen in der Jackentasche. Ein Verband aus den Stofftaschen ist schnell gebunden und die Schadstelle abgedeckt. Das auf einer Tasche der Aufdruck steht "Catch me if you can" gibt mir zwar zu denken, aber das wird schon kein Mütterchen in die Tat umsetzen wollen.
Es kann also weitergehen. Ich gleiche vorher noch den Inhalt meines Einkaufswagens mit dem Einkaufszettel ab, doch dann setze ich mich wieder zielstrebig in Bewegung. Die nächste Warengruppe wird angesteuert und mit Adlerblick nach dem Gewünschten Produkt abgesucht. Nichts! Also Kehrtwende und noch einmal zurück. Wieder nichts! Ich überprüfe Einkaufszettel und Warengruppe und mein Zerebrum bringt das in Einklang. Noch dreimal fahre ich die Reihe ab, bevor ich sicherheitshalber auch noch die Nebengassen abfahre. Immer noch nichts!
Ich werde doch nicht etwa meine Süße anrufen müssen? Auf keinen Fall, dass kommt gar nicht in Frage. Zuerst glaube ich eine Fata Morgana zu sehen, kneife mich vorsichtshalber, um sicher zu sein, dass ich nicht Träume und tatsächlich, da steht sie. Sie, die ich schon ausgestorben glaubte, dass es sie gar nicht mehr gibt und inzwischen Roboter die Regale auffüllen.
Ich ergreife die Gelegenheit beim Schopf und Stürme auf die Dame zu die gerade im Begriff ist, neue Ware in ein Regal zu füllen. Doch ich bin nicht schnell genug, denn noch bevor ich den Mund aufmachen kann, drängelt sich von der anderen Seite jemand vor und zieht die Aufmerksamkeit der Personalfrau auf sich.
Demütig nehme ich eine wartende Position ein und warte und warte und warte! Gefühlt eine Ewigkeit und als die Dame endlich Zeit für mich hat wirkt sie schon deutlich genervt, ringt sich aber noch ein letztes Lächeln ab "Ja bitte, wie kann ich Ihnen helfen?" Ich bin überrascht, hatte ich doch nicht mit einer so höflichen Ansprache gerechnet.
Ich halte den Einkaufszettel gut lesbar in ihre Richtung "Entschuldigen Sie die Störung, aber ich suche nach diesem Produkt und finde es einfach nicht!" "Das können Sie bei uns auch nicht mehr finden, es wurde Anfang der Woche aus dem Sortiment genommen. Ein Statement der Geschäftsleitung zu den Vorgängen in den USA. Es wurde kurzfristig durch ein Produkt aus europäischer Herkunft ersetzt. Ich kann es Ihnen gerne zeigen."
Die nette Angestellte führt mich zum Regal und entnimmt für mich eine Packung "Mindestens so gut wie das amerikanische Produkt und dabei noch viel gesünder und nachhaltiger!" Donnerwetter, nicht nur das ich das Glück hatte, Personal in meiner Not anzutreffen, es scheint sich tatsächlich auch noch um ein Fachkundiges zu handeln.
Dankend nehme ich der Dame die Packung ab und bedanke mich ganz herzlich für ihre Hilfe. Frohen Mutes ziehe ich weiter durch die Regalreihen und nehme lächelnd zur Kenntnis, dass ich langsam, aber sicher am Ende der Einkaufsliste ankomme. Die gute Laune verfliegt aber schnell wieder als ich zur Kasse gehe und die Schlange davor durch den halben Supermarkt führt, weil von zehn Kassen nur zwei besetzt sind.

