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3xhab ich gern gelesen
geschrieben von Sandra Z..
Veröffentlicht: 10.05.2025. Rubrik: Unsortiert


Oldschool

Am Samstag ist es wieder soweit - meine Enkeltöchter brauchen mich! Die Eltern gönnen sich eine kleine Auszeit, während ich die Gören einen Tag lang betreuen darf.

Der Nachmittag im Garten vergeht wie im Flug. Ich sitze entspannt unter dem Sonnenschirm und muss lediglich sicherstellen, dass keins der mir anvertrauten Kinder, drei eigene und vier Nachbarskinder, im Planschbecken ertrinkt. Die Älteste fungiert dabei als meine persönliche Assistentin und sorgt für ein harmonisches Miteinander, während sie mir zwischendurch Einblicke in ihren straffen Zeitplan gewährt:
"Denk dran, Oma, um fünf fangen wir an aufzuräumen, damit wir noch in Ruhe was essen können, bevor der Film anfängt!"
Punkt 18 Uhr sitzen die drei einträchtig auf der Couch und die Oma serviert Schnittchen mit Gurkenscheiben. Danach soll es natürlich noch Popcorn geben, wie es sich für einen richtigen Kinoabend gehört. Doch leider ist die Oma mit den vielen Knöpfen an der Mikrowelle völlig überfordert, worauf die Große die alte Popcorn Maschine und ein Glas Maiskörner aus dem Küchenschrank kramt und erfolgreich die Produktion startet. Inzwischen schlüpfen die Mädels in ihre Schlafanzüge und versammeln sich erwartungsfroh vor dem kürzlich angeschafften Smart-TV. Die Große zappt routiniert durch das schier endlose Menü mit all seinen Apps und Zusatzfunktionen und findet im Handumdrehen den gewünschten Film. Endlich Ruhe im Karton!

Nach dem unvermeidlichen Happy End gelingt es mir fast auf Anhieb, die Bande Richtung Bad zu lotsen, lasse mir aber vorher noch die Handhabung des super schlauen Fernsehgeräts erklären.
"Was willst du denn gucken, Oma?"
"Da kommt ein Film um 20.15 Uhr, im ZDF. Den würde ich gerne sehen!"
Meine Enkelin schaut mich erst eine Weile nachdenklich an und bringt mich dann auf den letzten Stand:
"ZDF? Also das nutzen wir eigentlich gar nicht mehr."
Trotzdem finden wir nach längerem Suchen schließlich zum live TV und mein persönlicher Kinoabend scheint gesichert - war doch gar nicht so schwer!

Nach dem Zähneputzen und einer wilden Kissenschlacht quetschen wir uns wie die Ölsardinen zu Viert auf eine Matratze und die Große befiehlt ihrer neuen Freundin:
"Alexa, spiel uns Musik zum Chillen!"
Sogleich erfüllen tibetische Gesänge, Klangschalen und sanftes Trommeln das Kinderzimmer. Wir kraulen uns gegenseitig den Rücken und kommen langsam wieder runter. Geschafft! Ich beglückwünsche mich zu dieser Glanzleistung und lasse meinen Gedanken freien Lauf, als die Große erneut das Wort ergreift:
"Oma ... Wie viele Männer hast du gehabt, bevor du den Opa getroffen hast?"
Schlagartig bin ich wieder hellwach.
"Das ist aber schon sooo lange her. Ich kann mich gar nicht mehr richtig erinnern!", fabuliere ich, um Zeit zu schinden, während ich im Kopf 1 + x zusammenzähle.
"Ich glaube, es waren vier!", antworte ich schließlich in der Hoffnung, eine adäquate Zahl gewählt zu haben.
"Und wie hießen die?"
"Also da war ein Thomas, Andreas, Michael und Karsten. Und einer hieß Olaf."
"Das waren jetzt aber fünf, Oma! Hast du mit den rumgeknutscht?"
"Ja, hab ich!", antworte ich wahrheitsgetreu, "aber nicht mit allen auf einmal!"
Die Mädels prusten laut los und verdrehen die Augen.
"Und warum hast du die nicht geheiratet?"
"Da war ich doch noch viel zu jung!"
"Die Mama war 26 bei ihrer Hochzeit!", schaltet sich die Mittlere ein.
"Hast du dem Opa gesagt, dass du ihn liebst?"
"Ja, schon, aber das muss man nicht immer sagen. Das spürt man einfach!"
"Aha ... Und warum hast du dann den Opa geheiratet?"
"Keine Ahnung ... Wahrscheinlich, weil wir uns so gut verstanden haben und fast nie gestritten haben."

Danach ist endlich Zapfenstreich. Die Mädels verschwinden in ihren Zimmern und ich navigiere den smarten Fernseher zum live TV. Die Übung gelingt auf Anhieb, nur die Lautstärke lässt sich nicht verstellen. Eine ganze Weile teste ich erfolglos alle möglichen Tastenkombinationen und gebe schließlich entnervt auf. Stunden später kommt mein Mann nach Hause.
"Und wie war's? Hat alles geklappt?"
"Fast. Kannst du mir vielleicht mal zeigen, wie diese Fernbedienung funktioniert? Diese Scheißtechnik treibt mich mal wieder in den Wahnsinn!"
"Gib her das Teil! Warum stellst du dich immer so an? Diese Taste ist doch nicht zum Drücken sondern zum Schieben!"
"Danke Dir, mein Schatz, wenn ich dich nicht hätte!"
"Und warum grinst du jetzt so?"
"Ach nichts ... Mir ist nur eben wieder eingefallen, warum ich dich geheiratet hab!"

counter3xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Jens Richter am 10.05.2025:
Kommentar gern gelesen.
Hallo Sandra, schöne Geschichte aus dem Leben.
Hab ich gern gelesen.
Deine Enkelinnen, einfach brillant.
Viele Grüße von Jens




geschrieben von Bad Letters am 11.05.2025:
Kommentar gern gelesen.
herrlich Sandra! ich bin sehr gerne Papa, bezweifle aber, ob ich zum Opa tauge.

MfG
Bad Letters




geschrieben von Sandra Z. am 11.05.2025:

Hallo Jens,
freut mich sehr, dass dir meine Geschichte gefallen hat.
Ich finde, von unseren Kindern und Enkelkindern können wir eine Menge lernen (nicht nur im Umgang mit der modernen Technik :-)). Leider werden die jungen Menschen in unserer Gesellschaft meist unterschätzt und verlieren auf dem Weg ins Erwachsenenalter oft ihre Neugier und Offenheit. Das liegt meiner Meinung nach auch an unserem veralteten Schulsystem. Da müssen wir als Eltern und Großeltern unbedingt gegensteuern *lol*
Liebe Grüße, Sandra

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