Veröffentlicht: 26.06.2025. Rubrik: Menschliches
Der Egoist
Ein Mensch ist überzeugt er werde,
ach nein, er ist´s bereits: der Mittelpunkt der Erde.
Grammatikalisch belegt – ganz ohne Hohn –
„Ich“ ist in der ganzen Welt die erste Person.
( ein ) gebildet und auch souverän,
für Mitmenschen sehr unbequem,
suhlt sich Mensch in Erfolg und eignem Glück
vergisst das „Wir“, schaut nicht zurück.
Was geht’s mich an? Ich hab`s geschafft,
auch wenn nicht nur mit eigner Kraft.
Lässt hinter sich ein Trümmerfeld.
Hat Schwachen gern ein Bein gestellt.
Genießt es, wenn im Dreck sie liegen,
verhöhnt sie, meint er könnte fliegen.
Liebt Partys, schnelle Autos, lügt,
nur wehe, wenn man ihn betrügt.
Da hört er auf, der Spaß. Er pocht auf sein Recht.
Nennt Paragrafen und Gesetze, der „tolle Hecht“.
Vergisst, dass mit derselben Masche,
er sich gefüllt hat seine Tasche.
Der Mensch erkennt den Preis der Gier.
Sein Gegenüber lacht: „ Wie Du mir, so ich Dir.“
Denn jeder trägt ein kleines Ich,
das flüstert: „Denk zuerst an dich.“
Es sucht nach mehr, nach Macht, nach Glanz,
vergisst dabei den Lebenskranz.
Es baut sich Mauern, hoch und kalt,
aus Stolz, aus Angst, oft mit Gewalt.
Doch wo das Wir in Stille schweigt,
wird alles, was das Ich erreicht,
zu fadem Rausch, von kurzer Dauer,
ein Turm aus Glas, gebaut auf Trauer.

