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geschrieben 2025 von Albrecht W.W. (Albrecht).
Veröffentlicht: 25.12.2025. Rubrik: Satirisches


Der kleine Leitfaden für den Prediger, der nicht (positiv) auffallen will

Vorwort:
Zuerst muss gesagt werden, dass ich kein Theologe bin, sondern ein 15-jähriger Junge, der jetzt um Weihnachten natürlicherweise höher frequentiert die Gottesdienste besucht, die ihm aber, von der Musik abgesehen, mittlerweile gehörig auf den Keks gehen. Und dies liegt an der Gewohnheit vieler Pastoren und Predikanten, ihre Predigten so zu gestalten, wie es im folgenden "Leitfaden" geschildert wird.
A.W.W., 25.12.2025

SatirepatzerSatirepatzerAufbau der Predigt:
Herzliche, aber nicht überschwängliche Begrüßung, die die Gemeinde auf keinen Fall zum ersten mal hören darf. Kreativität ist hier nicht gefragt!!!
Ein Weltzustand muss festgestellt und möglichst plakativ vorgestellt werden. Der "Alltagsstress" und die vielen Kriege auf der Welt eignen sich besonders gut. Anschließend muss auf die besinnliche Stimmung im Gottesdienst als Kontrast zur Außenwelt aufmerksam gemacht werden.
Nun ist es Zeit, für die erste theologische Binsenweisheit. Überfordern Sie die Gemeinde nicht mit Neuem. Was die Leute letztes Jahr im Weihnachtsgottesdienst gehört haben, haben sie bestimmt schon wieder vergessen. Dass z.B. Jesus das Licht der Welt ist, kann man gar nicht genug hören.
Nun kommt es zur Ausschmückung der Binsenweisheit. Nehmen Sie Alltagsbeispiele, wenn es ganz hoch kommt, aus Presse und Fernsehen. Aber verstricken Sie sich ja nicht darin, Sätze wie "Gott ist Mensch geworden." theologisch zu erklären. Sie verstehen den Satz wahrscheinlich selbst nicht einmal und die Gemeinde interressiert sich ohnehin bestimmt nicht dafür.
Die letzten beiden Punkte seien so oft zu wiederholen, bis die für die Predigt vorgesehene Zeit abgelaufen ist. Es ist übrigens keine Schande, Binsenweisheiten währens einer Predigt zwei, drei, vier oder auch fünfmal zu wiederholen. Das verleiht Ihnen Eindringleichkeit und einen geheimnisvollen Charme.
Zu enden sei die Predigt mit ein paar letzten Alltagsbezügen und zum Schluss einem entschlossenen "Amen", gegen dessen Sogwirkung die Gemeinde keine Chance hat und in das sie murmelnd einstimmen muss, und mit ganz viel Glück auch wird.


Zum Schluss noch Tipps zur Sprache, Form und Performanz:
Rote Fäden sind eine schöne Sache für wissenschaftliche Arbeiten, literarische und dramatische Texte und eigentliche für jede andere Textform, in Predigten jedoch ist ein logischer Aufbau gänzlich fehl am Platze. Der Gottesdienstbesucher muss aufgrund des willkürlichen Themenwechsels das Gefühl haben, dass er intellektuell nicht mit der Predigt mitkommt und deswegen keinen klaren Gedanken erkennen kann. Das eigentlich kein klarer Gedanke enthalten ist, darf nicht zu erkennen sein.
Einfache und gebräuchliche Metaphern, Repetitionen, Anaphern und endlos lange Aufzählungen sollten zum stilistischen Standardrepertoir eines jeden Predigers gehören. Auch einzelne Stichwörter wie "Licht" z.B. machen sich immer gut und können in einer Predigt gar nicht genug wiederholt werden.
Der letzte, aber fast wichtigste Punkt bezieht sich auf die Vortragsweise. Alles muss mit großem Pathos und mit genügend Kunstpausen vorgeführt werden. Wenn dieser Punkt erfüllt ist, ist es egal, was Sie predigen. Man wird Ihnen eine Beerdigungsrede als Osterpredigt abkaufen, wenn Sie es nur richtig vortragen.

Nun haben Sie genug zum Büffeln und ich freue mich schon auf Ihre hochkarätigen Predigten.

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