Veröffentlicht: 29.07.2023. Rubrik: Kinder und Jugend
Die dreisten Fünf
Eine Episode aus dem Räuberlatein
Es trug sich zu, dass in dem kleinen Fürstentum entlang des Gebirgszuges eine wilde Räuberbande ihr schändliches Unwesen trieb.
Anfangs raubten sie nur die Kirchen der Gemeinden aus, später dann überfielen sie Wochenmärkte und stahlen die Einnahmen der Handwerker und Marktweiber und zuletzt überfielen sie die abgelegenen Gehöfte der Bauern.
Erst als sich ein erstes Opfer wehrte und dabei sein Leben verlor, erkannte der Fürst, dass er handeln musste.
Der alte Fürst bat den Hauptmann seiner Garde zur Audienz in seine Gemächer.
"Hauptmann Lorenzo, ihr ahnt bereits, warum ich euch rufen ließ?"
"Ich denke ja, mein Fürst."
"Es bedrückt mich, dass in meinem Land eine Räuberbande umherzieht und mein Volk verängstigt. Selbst der Kaiser ließ bereits anfragen, was ich dagegen zu tun gedenke, um dem Treiben Herr zu werden."
"Wir sollten die Kerle aufspüren und in den Kerker werfen."
"Wenn's nur so leicht gänge. Wir wissen nicht wieviele Mann der Bande angehören und wo sie hausen. Und ob diese Kerle Zuträger aus der Bevölkerung haben."
"Mein Fürst, ich möchte ihnen gern helfen, aber meine Garde hat zu wenige Männer, um euer Land großflächig abzusuchen."
"Ich weiß Lorenzo. Wir bräuchten eine sehr gute Finte, um die Bande zu erwischen."
"Vielleicht habe ich ja eine Eingebung", sprach Hauptmann Lorenzo.
"Ich möchte es in Gottes Namen hoffen", flehte der Fürst.
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Der Hauptmann inspizierte seine Garde.
Es waren zumeist ältere Soldaten, welche mit Säbel und Gewehr gut umzugehen verstanden.
Jeder von ihnen nahm es in der Not mit zwei Gegnern gleichzeitig auf und alle waren dem Fürsten treu ergeben.
Wenn er die Garde jetzt abzog, dann bestand die Gefahr, dass der fürstliche Sitz ohne Schutz zurück bliebe und das wäre töricht.
Also ließ er nach den Freijägern schicken, welche seiner Aufforderung zügig nachkamen.
Diese mit dem Gewehr geübten Männer sollten Lorenzo bei der Suche nach den Räubern unterstützen.
Und Lorenzo hatte auch ein Fünkchen Hoffnung, dass einem der Jäger vielleicht irgendwo ein Versteck aufgefallen ist.
Das verneinten die Grünröcke jedoch.
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Doch wie das Leben so spielt, wurde das Räuberversteck ganz durch einen Zufall entdeckt.
Ein altes Weiblein, ihr Rücken war schon krumm, suchte den Waldboden nach Pilzen ab und stieß mitten im Wald auf eine Hütte.
Da die Abenddämmerung bereits eingesetzt hatte, drang durch die Fenster der Hütte Licht nach außen.
Neugierig schaute die Alte durch die Scheiben und gewahrte im Inneren eine Hand voll finstere Burschen, die dem Weine lautstark zugeneigt waren.
Ihr Gelächter und das Geschwätz drang so laut nach außen, dass das Weiblein selbst mit ihren alten, beinahe schon tauben Ohren jedes Wort verstand.
Man amüsierte sich über einen gelungenen Raubzug, der reichlich Beute eingebracht hatte.
Dem Weiblein wurde Himmelangst zumute und so verließ sie, so schnell ihre alten Füße sie tragen konnten, diesen Ort im Wald und erreichte noch vor Anbruch der Nacht ihr bescheidenes Heim.
Am nächsten Tag eilte sie zur Residenz des Fürsten und berichtete ihm das Erlebte.
Der Fürst freute sich über diese Nachricht, denn endlich wusste man, wo man die Räuberbande aufgreifen konnte.
Jetzt musste nur noch ein Plan her wie man der Räuber habhaft werden konnte, ohne große Verluste bei den eigenen Leuten zu erleiden.
Da hatte die Fürstin bereits eine gute Idee.
Sie kannte wiederum ein kräuterkundiges Weib, das in der Stadt als Heilerin praktizierte und allerei Tinkturen herzustellen vermochte.
Sie ließ einen Soldaten nach ihr schicken, damit sie ein betäubendes Mittel herstellen könnte, womit die Räubersbrut auf einen Schlag in einen tiefen Schlaf versetzt werden kann.
Die Heilerin erfüllte gern den Wunsch der Fürstin.
Das betäubende Elixier wurde einem, mit Wein prall gefüllten Schlauch zugegeben, der dann auf einen Lastenesel verladen werden sollte.
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Ein Gardist wurde als Weinhändler eingekleidet.
Außerdem bereitete man den Esel vor, der den präparierten Weinschlauch aufnehmen sollte.
So wollte man zur Hütte der Räuber ziehen und um Einlass und ein Nachtquartier bitten.
Als günstigster Zeitpunkt musste ein regnerischer und windiger Tag gewählt werden, sodass die Räuber nicht misstrauisch werden würden.
So ein Tag lässt in Deutschen Landen nicht lange auf sich warten.
Als ein Tag mit schlechtem Wetter über dem Land lag, zog der verkleidete Soldat mit dem Esel los.
Er folgte dem Weg, den das alte Weiblein dem Fürsten beschrieben hatte und gelangte in den Abendstunden zur Hütte der Räuber.
Ein Trupp Gardisten unter der Führung von Hauptmann Lorenzo folgte in kurzem Abstand.
Der verkleidete Soldat hämmerte gegen die Tür der Hütte.
"Wer da?", fragte eine rauhe Stimme.
"Gebt mir bitte ein Dach über dem Kopf und etwas Warmes zu essen."
Ein dickbäuchiger Räuber trat vor die Tür und musterte den Weinhändler.
"Was führst du da mit dir?"
"Einen gefüllten Schlauch Wein aus dem Württembergischen. Ich will ihn dem Wirt in der Stadt zum Verkauf anbieten."
"Komm rein", der Dicke zog ihn in die Hütte.
Ein zweiter Räuber nahm den Weinschlauch vom Esel und lud diesen im Haus ab.
Dann führte dieser den Esel hinter die Hütte unter einen Schauer und versorgte das Tier mit einer Portion Heu und reichlich Wasser.
Der Soldat verschaffte sich indessen einen Überblick im Inneren der Hütte.
Es waren fünf Männer, die hier ihren Unterschlupf hatten.
Jeder Einzelne war mit einem Dolch und einer Pistole bewaffnet.
Entgegen der Erwartung des Soldaten wirkte der Hauptraum der Hütte ordentlich und aufgeräumt.
"Wir geben dir was zu essen und ein Dach über den Kopf, aber der Wein gehört jetzt uns.", sprach der Dicke.
"Wo denkt ihr hin", protestierte der Soldat. "Mit dem Weinhandel verdiene ich meinen Lebensunterhalt."
"Du wirst dein Leben verlieren, wenn du uns den Wein nicht überlässt.", sprach ein anderer.
Der Soldat war natürlich nicht auf den Kopf gefallen.
Er musste die Räuber an einen Punkt bringen, wo er sie zu einer Kostprobe ermutigte.
"Was seid ihr nur für Menschen?"
"Räuber!", grölten es feixend aus fünf Kehlen.
"Hört meinen Vorschlag. Ihr kostet einen großen Becher vom Wein und wenn er euch schmeckt, dann kauft ihr den Wein für einen schmalen Taler von mir ab."
"Wir trinken jetzt erst einmal!"
Der Dicke stellte sechs tönerne Becher auf den Tisch.
Er füllte den Wein vom Schlauch in einen Krug um und goss die Becher voll bis unter den Rand.
"Prost!"
Der Dicke hielt den Becher in die Höhe.
Die Räuber stürzten den Wein hinunter und füllten die Becher rasch nach.
"Du trinkst gar nichts?", wurde der Soldat gefragt.
"Doch schon. Nur ich bin ein Genießer und lasse den edlen Tropfen erst einmal atmen."
Die Räuber lachten.
"Habt ihr das gehört? Er ist ein Genießer. Egal, da bleibt mehr für uns."
Der Soldat bemerkte, dass die Räuber müde wurden und kurz darauf einschliefen.
Das Betäubungselixier wirkte.
Er verließ die Hütte und holte Hauptmann Lorenzo herbei, der ganz in der Nähe mit den Leuten wartete.
Man legte die Schlafenden gleich in Eisen.
In der Zwischenzeit war der Morgen angebrochen und man führte die Räuber ab in die Stadt.
Um die Hütte nie wieder für Schmuggler, Räuber und Diebe zugänglich zu machen, ließ Lorenzo diese bis auf die Grundmauern niederbrennen.
Doch was die Beute der Räuber anging, die man in der Hütte trotz gründlicher Suche nicht auffinden konnte, war eine ganz andere Geschichte.
Diese gilt es zu späterer Zeit noch genauer zu beleuchten.
Denn der Schatz der Bande lagerte, tief vergraben, unter den verkohlten Dielen der Hütte.
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In der Stadt angelangt, bewarfen die aufgebrachten Marktleute die fünf Räuber mit ihrem gammlichem Obst und Gemüse, ehe diese im Kerker landeten.
Der tapfere Soldat hingegen wurde wegen seines Einsatzes wie ein Held gefeiert und erhielt vom Fürsten eine Beförderung zum Quartiermeister.
Und so endete an dieser Stelle die Aufzeichnung um die "dreisten Fünf".
Ende