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geschrieben von Bergen.
Veröffentlicht: 04.04.2022. Rubrik: Unsortiert


Kaleb

Kaleb
von Mark Bergen

„Wie nennt man das nochmal, wenn einem ein Traum bewusst ist und man in ihm handeln kann? Irgendwas mit Lu… Luz… Ich kenne das Wort. Ich hatte doch mal eine Eselsbrücke dafür. Moment! Ah, ja … Luzides Träumen! Ich kann sogar darüber nachdenken, obwohl ich in einem Traum sein muss. Wach bin ich bestimmt nicht, denn ich kenne diese ganze Umgebung nicht, noch weiß ich, wie ich hergekommen bin. Irgendwie habe ich mich eben noch wie im Delirium bewegt, so als hätte ich nur am Rande etwas mitbekommen. Ich meine, Stimmen gehört - oder besser - gefühlt zu haben, die mich irgendwie gezogen haben. Vielleicht war es der Übergang in den Traum. Jetzt empfinde ich alles so klar und sehe alles so deutlich vor mir. Ich wache bestimmt gleich auf. Und dann … Und dieser Hunger!!! Wie kann ich Hunger haben, wenn ich träume? Und wo bin ich? Warum ist alles um mich herum so gigantisch?“
Kaleb muss irgendwie geschrumpft sein, weil alles so überdimensioniert ist. Also muss es ganz klar ein Traum sein. Doch es fühlt sich so echt an: das Körpergefühl, das Atmen, der Geschmack der Luft, der Duft der Umgebung. Nein, das ist eher als Gestank zu bezeichnen. Er schaut an sich herunter und seine Gliedmaßen an, so gut es geht: „Fell!“ ruft es in seinem Kopf. Hellbraunes, getigertes Fell an seinem ganzen Körper mit einer etwas aufgehellten Fläche am Bauch. Und einen … SCHWANZ??? Er kann seinen wie einen Staubwedel aussehenden Schwanz auch seicht bewegen, ohne mit dem Arsch wackeln zu müssen. Ihm wird jetzt nicht nur übel vor Hunger. Das ist so absurd. Was vorher seine Hände und Füße gewesen waren, sind nun Tatzen. „ Ich bin eine Katze! Eine Katze im Traum! Diese ganze Sache hier ist so unglaublich und auch ein bisschen angsteinflößend. Ich brauche einen Spiegel! Ich muss mich sehen! Wasser! Irgendwo muss eine Pfütze oder sowas sein!“
Der Boden ist zwar feucht, aber eine Pfütze ist hier nicht zu sehen. „Doch! Dort drüben bei den Tonnen!“
Was für ein Traum. Es ist eine Drecksgegend hier! Übervolle blaue und schwarze Säcke gesellen sich zu halb geöffneten, stinkenden Mülltonnen, die an einer Mauer kauern, von der der Putz blättert. Die Traumgegend an sich ist ihm wirklich absolut nicht bekannt. In solch einer Örtlichkeit hält er sich im wirklichen Leben nicht auf. Warum kann der Traum nicht in Rom oder in Venedig spielen? Und es ist dunkel. Kein Stern am Himmel. Schwer zu schätzen, wie spät es ist. Gibt es überhaupt so etwas wie Zeit in solch einem Zustand?
Sein Magen drückt. Er zieht sich in Wellen zusammen. Es ist nicht auszuhalten.
Kaleb hört ein Rascheln. Es dringt klar an sein linkes Ohr. Wie automatisch dreht sich sein Kopf in die Richtung der Geräusche. Sein Blick wandert an den großen, dunklen Säcken vorbei, wandert über die Brackwasserpfütze hin zu einem der großen Müllbehälter, an dessen Fuß ein kleines Etwas hockt. Es bewegt sich hektisch, hat einen grau-braunen, flaumigen Körper. Fell! „Eine Maus!“ schießt es durch seinen Kopf. Sie hat etwas in ihren Pfoten, nagt gierig an etwas herum. Er mochte eigentlich nie Mäuse. Eigentlich hasste er sie. Sie sind eklige, schmutzige Tiere. Sie hausen in Löchern, machen überall hin, fressen dreckige, verdorbene Dinge. Ihre Neugeborenen sehen aus wie Würmer. Aber jetzt? Jetzt gerade ist es irgendwie anders, lustvoller. Es drängt ihn zu etwas, was er eigentlich verabscheut. Aber jetzt reizt es ihn: Töten. Kaleb will töten. Und er will essen. Er will schmecken. „Na und? Was soll`s! Es ist ein Traum! Ich spiele mit!“ Kalebs Herz klopft! Die Vorstellung eines weichen, warmen Körpers in seinem Mund schwirrt in seinem Kopf herum, trotz seiner normalerweise anderen Gefühle für die Tierchen. Ein mit Leben pulsierender, mit Säften gefüllter Körper, der etwas angeritzt, z.B. mit scharfen Zähnen, seinen süßen, roten Sirup freigibt, welcher dann in Kalebs Mund strömt.
Das reicht! Kaleb kann nur noch an die Maus denken. Er ist halb angeekelt, halb erregt von dieser Lust, die ihn durchflutet. Ruhig! Er muss sich kontrollieren, will er sich ihr Leben einverleiben. Kaleb fühlt sich, trotz dieser so realen inneren und äußeren Wahrnehmung, halb als Beifahrer seiner selbst. Wie in einem Avatar. Wie real solch ein luzider Traum sein kann. Es ist wirklich unfassbar. Sein Körper schleicht sich nun sanft und geduckt in Richtung des quirligen Sirup-Gefäßes. Trotz der Anspannung und Erregung wundert er sich über seine weichen Bewegungen. Sein Körper agiert wie von allein. Fantastisch! Es fühlt sich fantastisch an! „Es wittert mich nicht! Es bemerkt mich nicht!“ freut er sich. Nun ist er nah genug. Seine Bein- und Armmuskeln spannen sich an. Er setzt zum Sprung an … „Noch nicht! Noch nicht! Warte!“ schreit sein Raubtiergehirn. „Warte … warte … JETZT!“ Mit einem Satz wird Kaleb durch die Luft katapultiert. Er spreizt seine Pfoten, zieht seine Zehen zurück, seine Krallen fahren aus. Zu kurz! Der Schwung reicht nicht! Er kommt zu früh auf den Boden zurück und rutscht in Richtung der Maus. Sie wiederum quiekt, springt hoch und rennt in eine dunkle Ecke. Kaleb ist jetzt rasend vor Wut und springt der Maus hinterher. Wo ist sie hin??? Wo ist sie hin? Ihm war so, als wenn sie hinter die große Tonne geflüchtet ist. Er springt im Bogen um die Tonne und steht nun vor dieser Mauer. Es ist dunkel in dieser Ecke. Für seine Augen ist das kein Problem. Dieser Traum ist aufregend. Er schaut nach links, schaut nach rechts. Und da – rechts unten - fällt ihm das Loch auf und er weiß nun, wo sie ist. Dieses Loch stinkt förmlich nach Maus. Dort müssen Hunderte leben. Und sie sind nun gewarnt. Keine Chance! Diese Enttäuschung tut weh. Und was noch weh tut, ist sein Magen!
Zumindest kann er sich in dem Brackwasser ansehen, auch wenn es trüb ist. Gar nicht mal so übel. Dafür, dass er in der realen Welt nicht wirklich hübsch ist, kann er sich im Traum echt sehen lassen. „Ich bin echt eine stattliche Mietze.“ Es kommt ihm nicht in den Sinn, sein Geschlecht herauszufinden und geht automatisch davon aus, dass er sein männliches in seinem Traum übernommen hat.
Doch was ist das? Rechts über ihm vernimmt er ein kurzes … Flattern. Er schaut in die Richtung des Geräusches, sieht einen Baum, fokussiert seine Augen und sieht das Federknäuel, das auf einem Ast hockt, seine Flügel streckt und sie wieder langsam zusammenlegt. „Ja! Du gehörst mir!“ freut sich Kaleb und schleicht auf den Baum zu. Seltsamerweise hat er keine Hemmungen oder Befürchtungen, sondern klettert wie selbstverständlich den Baum hoch. Seine Krallen verhaken sich in die Rinde, als wäre das völlig normal. Stück um Stück gelangt Kaleb höher und rückt seinem Opfer damit immer näher. So langsam gefällt ihm das alles hier. Der kleine Vogel sitzt auf einem dicken Ast, der hinter Kalebs senkrechten Kraxelpfad liegt. Der Baum steht neben der Mauer mit dem Müll und dem Mauseloch und hinter ihm ein Mehrfamilienhaus mit mehreren Balkonen. Es muss fünf bis sechs Stockwerke hoch sein. Der Ast mit dem ahnungslosen Fleischklops ragt sehr nah an einem Balkon im vierten Stock heran. Er ist gleich erreicht. Ganz vorsichtig und leise klettert Kaleb um den dicken Stamm herum und setzt seine Tatzen auf den Ast mit diesem kleinen Opfer. Wie es wohl schmeckt? Ja, wie schmeckt so ein Vögelchen eigentlich? Vielleicht wird er es gleich erfahren. Laaaangsaaaam … Nächste Pfote. Jetzt Hinterläufe. Links. Rechts. Kalebs Herz klopft. Er weiß, dass er sich nicht überschätzen darf und schleicht näher heran. Der Vogel sitzt mit dem Rücken zu ihm und hat ihn noch nicht bemerkt. Kaleb ist bereits ganz nah. Er hält seinen Atem an und schleicht in Zeitlupe näher. NEIN! Jetzt hat ihn das Federvieh bemerkt! Es will mit ausbreitenden Schwingen gerade abspringen, um sich Schwung für den Flug in Richtung Sicherheit zu holen. Jetzt oder nie! Kaleb springt und landet mit der rechten Vorderpfote auf einer Schwinge, mit der linken auf dem Rücken des Opfers. Alles passiert wie in Zeitlupe. Dann beißt er zu! Der ganze Kopf des Vogels verschwindet in seinem Rachen und sein linker Reißzahn bohrt sich in den Hals. Der Körper schaut aus Kalebs Maul heraus. Die Federn geben ein grässliches Mundgefühl, aber der warme Saft, der nun aus dem Hals tropft, ist köstlich. Eigentlich sollte er noch nicht sterben. Eigentlich sollte er vom Baum gestoßen werden. „Eigentlich sollte ich ihm auf dem Boden beim Sterben zuschauen, während ich mit ihm spiele, ganz so, wie eine richtige Katze.“ Aber wenn Kaleb ihn jetzt loslässt könnte er eventuell mit letzter Kraft fliehen und die ganze Mühe wäre umsonst gewesen. Außerdem ist da noch der Hunger. Also bleibt er unter den Pfoten und zwischen den Reißzähnen gefangen, bis seine verzweifelten Bewegungen – das Flattern mit dem freien Flügel und die vergeblichen Versuche, sich aufzubäumen – schwächer werden, bis der kleine Körper schließlich ganz erschlafft. Der Ast ist breit genug, um ihn direkt an Ort und Stelle auszuweiden. Zudem gibt es unten bestimmt Futterneider in dieser Gegend, die ihm die Beute streitig machen könnten. Kaleb geht ganz in seiner Rolle als Katze auf. Sein Maul entlässt den Vogelkopf. Er dreht den Körper geschickt mit den Pfoten auf die Rückseite und öffnet mit seinen Zähnen den Bauch. Sogleich quillt der rote Saft heraus, Organe treten hervor, verbreiten ihren Duft und schauen neugierig aus ihrem Gefängnis in die Welt hinaus. Das Fleisch ist zart und feucht und warm und schmeckt nach … nach …. Hühnchen! So schmeckt ein Vogel also. Irgendwie hätte er es sich denken können. Und genau hier kommen ihm wieder Zweifel. Der Geschmack ist so real. Jetzt drängt es förmlich in sein Bewusstsein, dass sich alles so echt anfühlt. Aber wie sollte das möglich sein? Wie sollte das möglich sein, dass er in dieser Gestalt steckt und darin existiert? Nein, es kann nur ein Traum sein. Er spielt einfach mit, wacht dann irgendwann auf und befindet sich im normalen Leben wieder. Das Blut rinnt an seinem Kinn hinab. Kaleb labt sich bis er selig und zufrieden vom Kadaver ablässt und ihn vom Ast stößt. Das Geräusch des Aufpralls ist leise, selbst für Katzenohren.
Kaleb streckt sich. Er ist aber noch viel zu aufgeregt über seinen Erfolg, um sich auszuruhen. Die Zweifel sind wieder in irgendeinem tiefen Verlies seines Gehirns weggeschlossen. „Sobald ich aufgewacht bin, muss ich mir alles aufschreiben und Piotr erzählen“. Kaleb hat einen Kollegen, Piotr, der Psychologie studiert hat. Der hält ihn eh für verrückt, was aber nicht schlimm ist, da beide bei ihrer Arbeit sehr gut miteinander auskommen und Beide nie dem Kollegenkreis Geheimnisse verraten würde. Und Geheimnisse, von denen Piotr weiß, gibt es massig. Es ist sogar so, dass Kaleb sich freut, wenn Piotr mit ihm Dienst hat. Das verspricht immer eine entspannte Schicht zu werden, auch wenn ihre Klienten – junge Menschen – schon sehr anstrengend sein können. Es kommt oft zu Konflikten unter ihnen in den Wohngruppen, bei denen immer schlichtend eingegriffen werden muss. Piotr ist in solchen Fällen nicht nur ein versierter Moderator. Es ist auch meistens „seine“ Katze dabei, die die jungen Leute durch ihre unschuldige Art entzückt und nach einem Streit durch ihre Schmuseattacken von ihren aufwühlenden Gefühlen ablenkt. Eigentlich ist es nicht wirklich seine Katze. Sie ist irgendwann aufgetaucht und hat sich entschieden, hier in der Einrichtung zu bleiben. Das Tier wird zwar von verschiedenen Personen versorgt und ist sehr zugänglich, hat aber ein ganz besonderes Verhältnis zu Piotr und sucht immer seine Nähe, wenn er hier ist. „Sie sieht übrigens genauso aus wie ich jetzt. Ich habe in meinem Traum ihre Gestalt angenommen. Unser Unterbewusstsein ist schon faszinierend.“ Als er mal von einem übergewichtigen und sehr großen Jugendlichen bedroht wurde, war er froh, dass Piotr ihn mit seiner ruhigen und sehr selbstbewussten Art von seinem Vorhaben, Kaleb vom Kinn bis zum Hoden aufzuschlitzen, abhalten konnte. Nach der Einweisung mit richterlichem Beschluss in die geschlossene Psychiatrie, einer Anzeige bei der Polizei und der Beurlaubung Kalebs, um von Seiten des Arbeitgebers intern zu klären, ob es auch Fehlverhalten von ihm gab, wurde der Junge dann in die Forensik überwiesen. Der Arbeitgeber stand grundsätzlich hinter Kaleb, kritisierte jedoch, dass er sich nicht eher zurückgezogen hat und es so zu der „Eskalation“ kam, was wiederum Frustration bei ihm auslöste.
Dann gibt es da dieses neu eingezogene Pärchen in der Wohngruppe. Sie, Bianca, immer in völlig bunten Shirts und Jeans, unfreiwillige, blonde Dreads, recht klein und mollig mit rundem Gesicht, vom Aussehen und Duft der Dusche nicht zugetan, und er, ebenso ungepflegt, immer im selben T-Shirt und derselben Jogginghose, ebenfalls mit stechendem Geruch. Sie ist fast das absolute Klischee einer Verrückten. Ihren Gedankengängen sind nicht zu folgen, da die Themen so unfassbar rasch wechseln. So kann es sein, dass sie von privaten Einkäufen über irgendwelche kosmischen Kräfte bis zu ihrer Unterwäsche und anderen unappetitlichen Sachen in einem einzigen Schwall berichtet. Ihre gedanklichen Ausschweifungen sind nicht im Zaum zu halten. Und dann ist da natürlich noch er. Roger – so heißt er - ist ein ernster junger Mann von sehr hagerer, mittelgroßer Statur. Seine dunklen, halblangen, fettigen Haare hängen immer halb im Gesicht. Er hat eine seltsam hohe Stimme und eine interessante Rede-Melodie. Gegen Ende jeden Satzes hebt er die Stimme an. Jeder Satz hört sich fast wie eine Frage an. Er redet oder singt (?) aber ganz ruhig, irgendwie unheimlich. Am meisten plappert aber Bianca. Kaleb versucht die Arbeit mit ihnen irgendwie zu vermeiden, was natürlich selten geht, da es oft Krankheitsfälle im Kollegenkreis gibt und er dann Gespräche mit ihnen führen muss. Im Doppelpack.
Und das Gespräch vor kurzem war so … Wie war das nochmal? Es ging um die Planung einer Tagesstruktur. Und als wäre der letzte Gedanke der Auslöser dafür, spulen sich plötzlich die letzten Szenen in seiner Erinnerung ab: Er wollte nach den Interessen der Beiden fragen und ihnen dann Angebote machen. Natürlich gibt es da eine sehr begrenzte Auswahl. Das Paar würde sehr wahrscheinlich sowieso in der Tagesstätte landen, welche dieser Einrichtung angeschlossen ist. Natürlich. Sie führten das Gespräch in ihrem Zimmer im ersten Stock. Kaleb ging die Treppe hoch, klopfte, Roger öffnete und bat ihn mit dieser seltsamen Stimme hinein. Kaleb wurde ein Platz auf einem Sofa vor einem länglichen Tisch angeboten. An der gegenüberliegenden Seite des Tisches stand ebenfalls ein Sofa. Dort saß Bianca, die Kaleb direkt sehr gut gelaunt begrüßte und anfing, von ihrem Urlaub in Belgien zu schwärmen, den sie vor ungefähr zehn Jahren erlebt haben will. Roger setzte sich neben sie. Im verhältnismäßig großen Paarzimmer stand noch ein Bett und die Wände waren mit psychedelischen Postern von irgendwelchen Trance-Ambient-Künstlern, sowie Marihuana- und Pilzbildern vollplakatiert. Überall lagen leere Verpackungen herum, Tabak, Süßigkeiten, Knabberzeug. Das Zimmerklima war tropisch und es roch nach Schweiß, im weiteren Verlauf nach ungewaschenem Fuß und im Abgang nach kalter Zigarettenasche. „Meine Güte!“ dachte sich Kaleb. Er stieg direkt ins Thema ein, weil er sich nicht wohlfühlte und das Zimmer so schnell wie möglich verlassen wollte. Irgendwie machten die Beiden ihm Angst. Kaleb fragte also nach ihren Wünschen. Bianca, mit wüsteren Dreads als jemals zuvor, antwortete … allerdings mit Fragen, die nichts mit dem Thema zu tun hatten, so, als wenn sie gar nicht zuhören würde: „Haben Sie meine Medikamente für das Wochenende gestellt? Roger und ich sind dann kurz bei Freunden. Ist hier was am Wochenende geplant? Haben Sie am Wochenende Nachtwache? “ „Bianca“, stoppte Roger sie leicht genervt, bevor er sich Kaleb zuwendete: „Wollen Sie einen Kaffee?“ Um sie nicht zu beleidigen, nahm Kaleb ihn mit einigem Argwohn an. Er musste sich überwinden. Nur nicht an die hygienischen Bedingungen hier denken! Die Tasse war allerdings sauber. Bianca hatte ein neues Thema gefunden: „Es juckt so … da unten. Ich glaub`, ich muss mal zum Arzt. Kann einer mal den Fernseher anmachen? Haben Sie jetzt am Wochenende Nachtwache oder was?“ „BIANCA!“ wurde Roger lauter. Sie blieb diesmal stumm. Er drehte sich wieder zu Kaleb und sagte etwas bedrückt: „Sie hat sich so verändert. Sie ist total durcheinander. Bevor wir hergekommen sind … herkommen mussten … war sie ganz anders.“ Kaleb hatte ihre Lebensgeschichten in den Akten noch nicht gelesen. „Was ist passiert?“, wollte er wissen und nahm einen Schluck aus der Tasse. Der Kaffee schmeckte bitter. Kann Kaffee ablaufen? Außerdem war er handwarm. Roger hatte seinen Kopf geneigt, aber seine Augen waren auf Kaleb gerichtet, was dem jungen Mann einen grimmigen Ausdruck verlieh. „Es hat sich auch bei mir eingeschlichen, aber bei ihr hatte es viel stärkere Auswirkungen“, sagte er mit seiner jetzt wieder fast singenden Stimme. „Was hatte welche Auswirkungen?“ Der junge Mann kam näher und damit auch die Dunstwolke aus Schweiß. Er flüsterte nun: „Es war auf einem Stück Rasen … wie … wie … Bakterien, Sporen oder etwas Ähnliches. Mir wurde schwindelig. Dann kamen die Stimmen …“ „Du hast Stimmen gehört?“, fragte Kaleb und nahm noch einen Schluck vom lauwarmen Kaffee. Er war jetzt ein bisschen gespannt, was wohl kommen würde, zb. Aliens, eine Weltverschwörung, die ganze Bandbreite aller Klischees. Roger kam jetzt in einen Redeschwall, was nicht nur anhand seiner Sprachmelodie etwas Verrücktes an sich hatte: „Ja. Sie sagten, dass sie viele sind und doch wieder eins seien. Und sie wollen wachsen.“ „Wer?“ Doch er hörte die Frage nicht und redete hektisch weiter: „Sie sagten, dass ich zu ihnen kommen soll. Bei Bianca war es dasselbe.“ Bianca nickte jetzt plötzlich ängstlich, als wenn sie an etwas sehr Unangenehmes erinnert würde und sagte nichts. Und dieses Schweigen war wirklich bemerkenswert, wenn man sie kennt. „Sie wollen größer werden, ein Imperium errichten. Sie wollen alles. Und deswegen brauchen sie Neuankömmlinge, Seelen, neue Ichs. Der Körper ist nur das Gefährt, das das Ich zu ihnen bringt. Ein Teil von ihnen dringt in den Körper ein, um die Kontrolle zu übernehmen und das kostbare Ich zu rauben. Der menschliche Körper muss dann, wenn er nicht mehr gebraucht wird, sterben und das Ich freigeben. Es kann auch sein, dass der Körper auf dem Weg zu ihnen schlapp macht. Das ist nicht gut … nicht gut. Es braucht dann einen anderen Unversehrten in der Nähe, der als Ersatzgefährt dienen kann.“ Die Geschichte war so wirre und verrückt, dass Kaleb auf jeden Fall zeitnah einen Arzttermin machen wollte. Aber er bohrte fasziniert weiter: „Und sie, also diese Sporen, sind in der Luft?“ „Nein, sie sind in der Erde. Ich glaube, sie wohnen unter oder in dem Moos. Es war nicht nur grün, sondern hatte so rote Sprenkel“ Kaleb versuchte, behutsam mit diesen zweifellos psychotischen Ideen umzugehen, aber auch ehrlich zu sein: „Hmmm, weißt du, das hört sich ja schon sehr abenteuerlich an. Ich glaube euch, dass ihr davon überzeugt seid. Ich habe allerdings noch nie von solchen Mikroorganismen gehört. Wie soll denn so etwas ins Moos und in euren Organismus kommen? Nehmt es mir nicht übel, dass ich etwas skeptisch bin.“ Nun hob Roger den Kopf und schaute scheinbar durch Kaleb hindurch: „Ich weiß, wie es sich anhört. Wir hätten uns besser die Hände waschen sollen. Wir haben etwas Moos herausgerissen, um es uns wegen diesen roten Farbtupfern anzusehen. Ich habe etwas mitgenommen und in ein Glas getan. Dann sind wir zurückgekommen, um etwas zu essen. Da ist es dann irgendwann bei uns geschehen. So war es bei uns …“ Und dann lächelte er: „Aber in Sie kommen diese Dinger durch unseren Kaffee …“
Kaleb erinnert sich jetzt genau: Er musste würgen. Ihm wurde schwindelig. Sie hatten seinen Kaffee vergiftet! Diese Irren hatten doch tatsächlich seinen Kaffee vergiftet! Er stand auf und wollte sofort einen Brechreiz provozieren, damit die Substanz aus seinem Körper gelangt. Es funktionierte nicht. Roger packte irgendeinen von seinen Armen und wollte ihn festhalten. Kaleb riss sich in Panik los, torkelte die Treppe hinab, um Hilfe zu holen und rief nach seinen Kollegen. Warum hatte er nicht das Diensthandy dabei? Die ersten Treppen kam er stolpernd hinunter. Dann übermannte ihn die Schwäche. Er fiel vornüber die Stufen hinab, überschlug und drehte sich durch den Schwung und prallte hart mit dem Genick auf die scharfen Kanten. Kurz vorm Sturz registrierte er noch Piotrs Katze die danach ohne Zweifel unter ihm begraben sein musste.
„Das ist es!“, schreit Kaleb in Gedanken und wieder in der Gegenwart des Traums,“ Sie haben mich vergiftet! Ich bin gestürzt und kann nach so einem Sturz nicht zuhause sein! Ich bin im Krankenhaus, aber hoffentlich nicht im Koma oder … tot? Ist das eine Art Zwischenstopp auf dem Weg ins Licht? Halluziniere ich gerade sterbend? Oder ist es wirklich nur ein harmloser Traum, der mir vorgaukelt im Körper einer Katze zu sein? Oder hat mein Körper „schlapp gemacht“, wie Roger sagte, und dies ist mein Neuer … Nein! Das ist über die Maßen verrückt!“ Kaleb verbietet sich solche esoterischen Phantastereien. „Das darf nicht sein! Wie soll so etwas auch gehen? Es ist technisch unmöglich! Die Beiden sind total übergeschnappt. Dass ich so etwas überhaupt denke! Ich träume. Fertig!“ versucht er sich in Gedanken zu beruhigen. Sein Puls rast. Er hat unbeschreibliche Angst. Er zweifelt wegen des harten Aufschlags auf die Stufen. Hatte es nicht ein Geräusch gegeben, so, als wenn sein Genick …? Und war die Katze, die so aussieht wie er jetzt, nicht in der Nähe gewesen …? Ein neuer Körper, wenn der Alte auf dem Weg zu ihnen schlapp macht …? „Nein! Nein! Ich träume!!!“
Dann hört, nein, fühlt er sie. Sie sind nicht wirklich fassbar oder hörbar. Aber sie sind da, irgendwie … gefühlsmäßig, ja … gefühlte Stimmen, ohne Worte, eher ein Ziehen. Es ist, als würde er gezogen und gleichzeitig gerufen werden. Es ist wie am Anfang des Traumes und zieht ihn vom Ast weg in Richtung des Balkons im vierten Stock. Der Ast ragt dicht ans Geländer heran und Kaleb kann mühelos hinüberklettern. Der Balkon führt an vier Glastüren vorbei, jede für eine Wohnung. Aus drei dieser Türen scheint Licht. Obwohl dieser Drang weiter in ihm zerrt, wird seine Neugier geweckt, und er blickt durch die erste Tür. Es sieht sehr altbacken und aufgeräumt aus. Ein großer Schrank beherbergt viele Gläser, Tassen, Schüsseln aus Emaille. Eine alte Frau mit Brille, weißem Haar und Dutt sitzt in einem Sessel vor einem robusten Tisch und liest ein Buch. Ein großer Fernseher steht direkt vor ihr, ist aber ausgeschaltet. Es arbeitet wieder in Kalebs Kopf. Sie – diese gefühlten Stimmen - ziehen ihn lautlos weiter. Vor dem nächsten Zimmer gelingt es ihm wieder zu stoppen und er sieht einen Jungen, vielleicht fünfzehn, sechzehn, siebzehn Jahre alt. Zwischen seinen aufgesetzten Kopfhörern lugt ein Bürstenschnitt hervor, eine ausrasierte Insel von Haaren auf einem sonst kahl geschorenen Schädel. Solche Frisuren hat Kaleb schon hier und da in den Wohngruppen gesehen. Der Junge spielt auf einer Konsole. Ob es sich um eine Playstation, X-Box oder ein anderes Gerät handelt, kann er nicht sagen. Soweit reicht sein Verständnis nicht. Auf dem Riesenbildschirm ist ordentlich was los - Action pur. Es wird geschossen, was das Zeug hält. Digitales Blut spritzt. „Ob du schon alt genug dafür bist?“ fragt sich Kaleb, bevor ihn diese geheime Macht wieder weiterdrängt. Das dritte Zimmer ist dunkel und kann nicht eingesehen werden. Dafür hört er Stimmen aus dem Vierten, welchem er sich nun zuwendet. Ein älterer, glatzköpfiger, dicker Typ mit blauem Pullover und blankem, behaarten Hinterteil liegt auf einer Couch, rutscht rhythmisch auf einem nackten Körper hin und her und stöhnt: „Jaaaa … Jaaa … Oh! Jaaa … Du kleines Biest! Jaaa … Ihr jungen Dinger braucht Zucht … jaaa … und Ordnung …! Hast dich eben wieder versteckt, was? Ohhhh … Jaaa … Aber der Onkel findet dich immer! Jaaa … Bist jetzt ein richtig Braves, wa? Sowas mag der Onkel!“ Kaleb kann den Körper unter diesem alten, ekelhaft stöhnenden Subjekt sehen. Sie ist völlig entkleidet und muss so zwischen achtzehn bis zwanzig Jahren alt sein. Ihre langen, dunkelblonden Haare rahmen ein hübsches Gesicht ein. Sie ist angeekelt, hat ihren Mund zusammengekniffen und sieht bei ihrer Schändung schluchzend genau in Kalebs Richtung. Der alte Sack schreit jetzt: „GLEICH … GLEICH … Ohhh … Jetzt! JETZT! AHHH …!“ Er röchelt. Zwei, drei letzte Stöße mit seinem Becken, bevor sein gesamtes Gewicht auf ihr erschlafft. Er scheint nun fertig zu sein, schwitzt und atmet schwer. „Na, da staunst du, wa? Der alte Hengst kann noch was, wa? Wo guckst du eigentlich hin? Ist das etwa höflich, wegzuschauen, wenn ich dir was beibringe?“ schnauft er. „Lass mich endlich in Ruhe! Geh` weg von mir, du Ekel!“ presst sie weinend hervor und schaut immer noch Kaleb an. Der Kopf des Alten wird nun rot und dreht sich ebenfalls in ihre Blickrichtung: „Eine Katze, wa? Wieso guckst du das Vieh an, wenn ich es dir gerade so richtig besorge? Ich zeig` dir gerade, was der Onkel so richtig gerne hat, und wie dankst du es mir? Weißt du was? Ich fange dir das Katzenvieh. Wo ist mein Jagdgewehr?“
Es wird Zeit, abzuhauen. Kaleb macht Kehrt in Richtung des Astes und will dann auf das Geländer springen, um auf den Baum zu kommen. Er will den gleichen Weg zurück nehmen, beeilt sich aber nicht sonderlich. Kaleb glaubt nicht, dass der Mann ihn wirklich verfolgt, sondern die junge Frau ängstigen will. Das würde jedenfalls zu so einem Drecksack passen. So stellt man sich einen Vergewaltiger und Missbrauchstäter vor. Der wird sich nicht wagen, in einer Wohngegend zu schießen. Außerdem scheint der noch von der eben begangenen Schändung geschwächt zu sein. Alle drei vorherigen Wohnungen sind nun gleich passiert. Ein kleiner Sprung auf das Geländer wird mit diesem Katzenkörper ein Leichtes sein. Es quietscht etwas hinter ihm, was sich wie eine Schiebetür anhört. Der Alte wird doch wohl nicht …? Es gibt einen kurzen, lauten Knall, etwas pfeift an Kalebs linkem Ohr vorbei und schlägt in die noch etwas entfernte, unterste Holzplanke des Balkons. Hinter sich hört er den lauten Schrei der jungen Frau: „ Nein!“ Der Alte ist wahnsinnig! Das darf nicht sein! Kaleb traut sich jetzt nicht bis zum Geländer zu rennen und dann den auf Ast zu springen, weil er Angst hat, es nicht so schnell zu schaffen und so ein gut zu treffendes Ziel darzustellen. Wo soll er bloß hin? Er muss aus der Sicht des Alten verschwinden. Er kann vor Panik nicht mehr richtig klar denken. Hals über Kopf rast er an der allerersten Wohnung vorbei und rechts um die Ecke, wobei er einfach nur hofft, irgendeine Treppe oder ein Versteck zu finden. Das ist ein Fehler, weil sich nun die Länge des Hauses offenbart. Hier führt der Balkon an einer kahlen Häuserwand ohne Türen oder Fenster vorbei, was es etwas dämmrig macht. Das könnte wiederum vielleicht ein Vorteil sein. Der Weg ist aber einfach zu lang. Hätte er doch versucht, über den Ast zu kommen! Aber der Baum ist jetzt versperrt. Kaleb rennt um sein Leben und traut sich nicht, einen Haken nach links zu schlagen, um unter der untersten Holzplanke der Verkleidung ins Ungewisse zu springen. Sein Herz klopft. Er hat wahnsinnige Angst und stürzt vorwärts und vorwärts, bis er das Ende des Balkons sieht. Aber was soll er dann machen? Kaleb schiebt die Entscheidung hinaus, obwohl er weiß, dass er wohl oder übel springen muss, und das hätte er mit einem seitlichen Haken schon längst erledigen können. Die Panik raubt ihm jede logische Schlussfolgerung. Vielleicht hat der Wahnsinnige aufgegeben. Es passiert jedenfalls nichts hinter ihm. Er hat das Ende fast erreicht. Hier führt das seitliche Geländer durch einen Winkel nach rechts wieder zur Mauer. „Mist, ich muss nun doch springen! Bitte, bitte … “ Und es knallt abermals. Dieser Schuss verursacht einen harten Einschlag dicht neben ihm in den Boden. Kaleb zuckt zusammen und überschlägt sich fast. „Ich muss jetzt springen“! Auf einem weiteren Knall folgt ein von hinten kommend und schräg seitlich treffender, heftiger Schlag in Kalebs linker Schulter, der ihn den letzten Weg mitreißt und durch den relativ großen Spalt unter der untersten Holzplanke vom Balkon stößt. Dieser Augenblick des jetzt einsetzenden, heftigen Schmerzes reißt Kalebs Augen auf und bestätigt alle Ahnungen, die er aufgrund seiner Unfähigkeit und auch seiner Angst, das Unfassbare anzuerkennen, verworfen hatte und zeigt ihm mit seiner grotesken Fratze, dass dies die wirkliche Welt ist. Sie war es die ganze Zeit. Die ängstlichen Gedanken, als er sich an das Paar erinnerte, waren berechtigt, der Appell an den gesunden Menschenverstand falsch! Hatte er es nicht gefühlt? Hatte er sich nicht über die so reale Natur seiner Gefühle gewundert? Nun ist er sich sicher! Das eingedrungene Projektil zerstreut jeden Zweifel. Das Unglaubliche ist tatsächlich geschehen! Kaleb ist erwacht in einer Realität, die er zuvor für einen Traum gehalten hatte. Und mit dem offensichtlich vorher präparierten Kaffee nahm es irgendwie seinen Anfang! Trotzdem: Wie ist so etwas möglich???
Dabei ist die Unfähigkeit, seinen Tod, seine Wiedergeburt, diese Gestalt und die Erlebnisse in ihr zu akzeptieren, absolut verständlich. Es sprengt die Vorstellungskraft eines jeden normal denkenden Menschen! Eine unsichtbare, die Gedanken beeinflussende Lebensform verschafft sich mit – warum auch immer - menschlicher Hilfe Zutritt zu seinem Körper, flieht nach dessen Zerstörung in eine neue Verkörperung und nimmt seine geistig-seelische Essenz mit! Das ist zu viel für jeden menschlichen Verstand! Das ist einfach zu viel!
Kaleb fällt … und wird brutal aufgehalten durch das Geländer des darunter liegenden, etwas größeren Balkons. Die Festigkeit seines Nackens wird an der des Eisengeländers geprüft. Eine unfaire Challenge. Es knackt! Zum zweiten Mal wird Kaleb das Bewusstsein und die Existenz auf diese brutale Art genommen, während plötzlich wieder diese Stimmen auftauchen … Er fällt schlaff und hart auf das Eisengeländer des darunter liegenden Balkons. Doch das fühlt er nicht mehr. Leblos fällt der Katzenkörper auf den weichen, bemoosten Rasen.

...

„Wir sind viele. Und doch sind wir eins. Wir leben dicht unter dem Boden, schauen kaum über das Gras hinaus. Nur die Flecken im Moos zeugen von unserer Existenz. Wir wissen, dass wir sind, nicht so, wie unsere seelenlosen Artverwandten um uns herum in den Gärten und den Wäldern. Wir sind uns bewusst. Und wir werden immer mehr. Unsere stärksten Sporen dringen in menschliche Körper ein. In diesen Gefäßen, diesen Körpern, wohnen die Seelen, die zu uns stoßen, die sich mit uns verbinden sollen und die es daher zu befreien gilt. Von Hülle zu Hülle wandern sie. Manche Körper werden als Transportmittel unbrauchbar, und es bedarf eines Neuen, bis sie den Weg zum Muttergeflecht zurückgelegt haben, um der Gemeinschaft des Einen und der einen Gemeinschaft beizutreten. Ob Tier oder Mensch, die zwischenzeitliche Hülle ist uns gleich. Das kostbare Ich ist es, was wir zu uns geleiten wollen, damit es eine von unseren vielen Stimmen wird, die sich zu der Einen vereinen und wir gemeinsam immer größer werden. Ein organisches Imperium entsteht! Wir benötigen nur etwas Trägerstoff, etwa Erdkrumen unter den Fingernägeln oder Flüssigkeit auf der Haut, dem Fell, den Federn. Irgendwann kommen wir durch die Eigenarten des jeweiligen Lebewesens in seine Eintrittspforten. Und von dort können wir auch wieder entkommen, wenn es sein muss. Und die kostbare, seelische Essenz des Menschen nehmen wir mit. Es bedarf nur etwas Körpersaft …
Es ist wieder soweit. Wir, das Muttergeflecht, erwarten nun ein neues Ich. Die Hülle, ein zerstörter Tierkörper, hat es gerade entlassen. Bringt es her! Seid vorsichtig, meine Lieben! Gebt Acht. Es muss noch erwachen, um mit uns kommunizieren zu können. Es interagiert bereits verschlafen mit uns … in uns.
Wach nun auf, Neuankömmling!
Wach auf, Kaleb!“

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