Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
13xhab ich gern gelesen
Diese Geschichte ist auch als .pdf Dokument verfügbar.
geschrieben 2025 von Andreas Mettler (Metti).
Veröffentlicht: 24.04.2025. Rubrik: Fantastisches


Laktoseintoleranz gegen Mondlicht

Laktoseintoleranz gegen Mondlicht

Die dicken Handschuhe. Der Verband, der seinen Kopf vollständig verdeckte. Genauso, wie in dem alten Buch, das ich letztes Jahr gelesen hatte.

Neugierig näherte ich mich der Rezeption.
„Dann bräuchte ich nur noch Ihren vollständigen Namen“, hörte ich die Conciergistin sagen.
„Herbert Georg Wels“, sagte der vermummte Mann.
„Wells!“, mischte ich mich in den Dialog ein. „So wie der alte Science-Fiction Autor?“
„Nein, nur mit einem L“, widersprach er mir. „So wie der Fisch, der das Aquarium sauber leckt.“
„Einmal die Treppe hoch und dann die erste Tür links.“ Die Frau reichte ihm den Schlüssel. „Frühstück gibt es ab zehn Uhr dreißig.“
„Danke. Sorgen Sie bitte dafür, dass ich nicht gestört werde. Ich bin Wissenschaftler und möchte mich mit meinen Studien befassen.“
„Sie sind der Unsichtbare! Richtig?“, sagte ich, bevor er die Treppe aufwärts stürmen konnte.
„Wegen meinem Verband, meinen Sie?“, antwortete er lachend. „Ich habe eine Laktoseintoleranz gegen Mondlicht. Heute Abend ist Vollmond.“
Das stimmte. Und dennoch war mir klar, dass er nicht die Wahrheit sagte.

„Wir müssen ihn zwingen, uns seine wahre Gestalt zu zeigen“, erklärte ich. Mittlerweile hatte ich eine Traube von wissbegierigen Menschen um die verschlossene Tür des Unsichtbaren versammelt. „Bevor er schlimme Dinge mit uns anstellt.“
Der untersetzte Mann mit der Glatze klopfte energisch mit der Faust an die Tür. „Lassen Sie uns rein, sonst brechen wir gewaltsam ein.“
„Ui“, murmelte ich.

Nach wenigen Sekunden konnten wir hören, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte. Die Tür einen Spalt weit geöffnet, stand der geheimnisvolle Mann vor uns. Sein Gesicht immer noch vollständig in Verbandsmaterial verhüllt. Auf dem Tisch konnte ich drei dicke Bücher und verschiedene Flaschen mit bunten Flüssigkeiten erkennen. Die dünne Frau steckte hektisch einen Fuß in den Türspalt.

„Und jetzt erzählen Sie uns mal keine Märchen“, sage ich, während wir die Tür weiter nach vorne schoben. „Laktoseintoleranz gegen Vollmond. Halten Sie uns nicht zum Narren. Es gibt doch Laktase Tabletten.“

Der Mann wich zurück in sein Zimmer und stolperte über einen Stuhl. Dabei löste sich ein Ende seines Verbandsmaterials.
„Schnell!“, rief ich. „Wir reißen ihm das Zeugs von Gesicht. Dann werden wir sehen, dass er der Unsichtbare ist!“

Wir wickelten ihm die Mumifizierung vom Kopf. Lage um Lage. Was zum Vorschein kam, verblüffte uns alle: Eine Nase, zwei Ohren und ein Mund. Ein ganz normales Gesicht. Der untersetzte Mann zog ihm einen Handschuh aus. Eine Hand mit etwas zu kurz geschnittenen Fingernägeln wurde sichtbar.

Der (nicht mehr so ganz) geheimnisvolle Mann stöhnte wortlos.
„Er hat uns die ganze Zeit zum Narren gehalten“, sagte ich. „Er ist gar nicht der Unsichtbare.“
Dann formte der Mann seine Lippen. Aber es war nichts zu hören. Er fing heftig an, zu gestikulieren. Seine stummen Mundbewegungen wurden immer wilder.
„Jetzt weiß ich, was mit dem los ist“, sagte die dünne Frau. „Die Bandagen, die Handschuhe und all das. Er ist nicht der Unsichtbare. Er ist der Unhörbare. Und jetzt lasst uns die Verbandssachen wieder um seinen Kopf wickeln, damit wir hören, wie ihm das passiert ist.“


counter13xhab ich gern gelesen
Titelbild: erstellt mit Grok (x.com)

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

geschrieben von Metti am 24.04.2025:

Ich hatte vor einiger Zeit die Titelbild-Funktion auf dieser Webseite deaktiviert, weil es immer wieder Probleme mit dem Urheberrecht der hochgeladenen Bilder gab.

Ich selbst benutze diese Funktion noch, ich weiß ja, wo meine Bilder herkommen. Aber irgendwie fühlt sich das ein bisschen dekadent an, wenn ich mir selbst dieses Privileg einräume. Wie seht ihr das?




geschrieben von HanaLores am 24.04.2025:
Kommentar gern gelesen.

Hey Metti, wollte gerade anfangen deine Geschichte zu lesen und dachte sofort, wie dekadent ich dein Bilderprivileg finde^^ Dann scrollte ich nach unten um zu sehen wie lang die Story ist und entdecke deinen Kommentar... hahaha!
Liebe Grüße
Hana




geschrieben von HanaLores am 24.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
oh, und sogar mit muskschem Grok erstellt :)




geschrieben von Rautus Norvegicus am 24.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
Aus der Geschichte: „Er hat uns die ganze Zeit zum Narren gehalten“, sagte ich. „Er ist gar nicht der Unsichtbare.“

Dieser Satz erinnert mich schlagartig an Paul Watzlawick's Erzählung: 'Die Geschichte mit dem Hammer'. Weil: Nicht der Bandagierte hat jemanden zum Narren gehalten, sondern jeder sich selbst, weil irgend etwas unter die Bandagen fabuliert wurde. Das war eben auch so in der Geschichte von Paul Watzlawick. Müsst ihr mal lesen. Es geht darum, dass du dir selber was suggerierst und schließlich daran glaubst (ist auch sehr lustig).

Also: Nicht er hat euch (dich) zum Narren gehalten, ihr habt euch was zusammenfantasiert! Schöne Story, gern gelesen, wobei ich natürlich nicht weiß, wo die tiefere Absicht des Autors gelegen hat, wenn es denn eine gab ;-)





geschrieben von lüdel am 24.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
Schön muminivisiert – das Bild hat mich nicht gestört.





geschrieben von Kargut am 24.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
Lieber Andreas,
ich finde es nicht gut, wenn Du Bilder zu Deinen Geschichten posten kannst und wir nicht. Ich male meine Bilder selbst und habe kein Problem mit der Quellenangabe.
Gruß
Kargut




geschrieben von Metti am 25.04.2025:

@Rautus Norvegicus: Ich lese zur Zeit "Der Unsichtbare" von H. G. Wells und dachte mir: Es gibt viele Geschichten über Unsichtbare, warum gibt es keine Geschichten über Unhörbare? Und das ist daraus geworden.




geschrieben von Metti am 25.04.2025:

@Kargut: Ich poste meine nächste Geschichte mal ohne Bild.




geschrieben von lüdel am 25.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
Unhörbar finde ich gut.
Aus unsichtbar wird unhörbar und aus unübersichtlich wird sichtlich.




geschrieben von Metti am 25.04.2025:

@lüdel: Ein Alternativtitel für die Geschichte, den ich im Sinne hatte war: Offensichtlich unsichtbar. Ein Wortspiel: Sichtlich unsichtbar.




geschrieben von Metti am 25.04.2025:

@HanaLores: Ich weiß jetzt nicht, wie viel Satire in Deinem Kommentar steckt. Aber auch ohne Satire hast Du natürlich recht.

Eigentlich wollte ich das Bild gestern mit Leonardo AI erstellen, aber das war kaputt. Also musste mir der gute Herr Musk was zeichnen.




geschrieben von Bad Letters am 26.04.2025:
Kommentar gern gelesen.
Wer braucht schon ein Titelbild Metti, wenn er lesenswertes aufs Papier bringt. Macht auch nur zusätzliche Arbeit und davon hätte ich bereits genug. Mondlicht kann schon gefährlich sein, zumindest schlafraubend

MfG
Bad Letters




geschrieben von Metti am 26.04.2025:

@Bad Naja, Bücher haben auch einen Einband mit Illustration.

Mehr von Andreas Mettler (Metti):

Ein erbärmlicher Autor
Schon wieder Weltuntergang?
Gendern ist nicht genug!
September-Aktion: Die letzten Tage des Sommers
Typisch Heldenreise