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geschrieben 2019 von Lukas Parax (RealParax).
Veröffentlicht: 25.09.2019. Rubrik: Nachdenkliches


Todesleben

Ein Sonnenuntergang.

Wunderschöne Farben überfluten den Himmel und tauchen ihn in ein einzigartiges Licht. Du stehst auf einem Hügel und beobachtest das Spektakel. Auf diesem Hügel befindet sich außer dir noch ein Friedhof. Lustig, ironischer könnte es nicht sein, denn du stirbst bald. Wann fragst du? Heute. Morgen. In 101 Jahren. Solange wie diese Antwort nicht definiert ist, trifft alles zu. Mit jedem Atemzug und jedem Herzschlag wird die Uhr deines Todeszeitpunktes zurückgesetzt. Solange eben bis die Uhr mal nicht wieder auf Anfang gestellt wird. Aber wer weiß schon wann das ist. Viele Menschen leben in dem Unterbewusstsein bzw. in der unsinnigen Hoffnung, dass das niemals so sein wird. Würde man sie fragen, so würden sie herum drucksend erzählen, dass sie durchaus wüssten, dass sie sterben müssen eines Tages und heimlich hoffen sie, dass dieser Tag niemals kommt. Wer hofft das denn nicht oder? Aber sein wir mal ehrlich, eben diese Menschen gehen doch danach wieder zurück in ihr Leben von dem sie selbst dauernd jammern und erzählen wie schlecht es die Welt und das Schicksal doch mit ihnen meint. Sie gehen um neun Uhr in die Arbeit und haben um fünf Uhr Nachmittags wieder aus. Sie beschweren sich über ihren Chef dem sie vor zehn Minuten noch in den Arsch gekrochen sind um ihren Job zu behalten mit dem sie Geld verdienen welches sie dann für billige Unterhaltung und einmal Urlaub im Jahr ausgeben, damit sie sich von den Strapazen erholen können über die sie das restliche Jahr lang jammern.

Jetzt stehst du aber auf diesem Hügel. Der Sonnenuntergang löst Emotionen in dir aus von denen du dachtest, sie seien vor Jahren verschwunden als du diese Sache getan hast auf die du bis heute nicht stolz bist, du weißt schon. Doch dieses gigantische Spektakel von Rot, Orange und Gelb auf blauem Grund rührt dich fast zu Tränen. Du bist unfähig dich zu bewegen. Du stehst nur da und schaust auf den Himmel, schaust zu bei dieser unnahbar scheinenden Vorstellung. Am Horizont ziehen ein paar Wolken zusammen und das Licht wird langsam schwächer. Wie eine Theatervorstellung bei der am Ende die Vorhänge wieder zugezogen werden. In einer Theatervorstellung kann viel passieren, wie viel wird dann erst auf der Welt an einem einzigen Tag passiert sein?

Heute war der glücklichste Tag im Leben eines Menschen, und der Traurigste eines Anderen. Jemand musste so sehr lachen, dass er sich kaum halten konnte. Ein anderer weinte bis er einschlief. Heute hat jemand seinen ganzen Mut zusammengenommen und einen Heiratsantrag gemacht. Und sie hat ja gesagt. Aber auch nein wurde heute jemandem ausgesprochen. Heute wurden Babys geboren. Und es sind Familien durch einen überraschenden Todesfall auseinandergerissen worden. Jemand hat alles verloren. Ein Anderer bekam eine zweite Chance, voller Erleichterung steht er da. Und du? Was ist mit dir? Hast du nicht heute erst wieder einer alten Unart nachgegeben? Wolltest du nicht etwas angehen und hast es dann doch fallen lassen? Hattest du nicht erst grade heute wieder diese Gedanken? Diese Gedanken die sich dir fast jeden Tag inzwischen aufdrängen? Dass da mehr sein muss? Mehr für dich, in deinem Leben. Du hast nur das eine. Und dann hast du sie wieder verworfen. Bist ins Auto gestiegen, zu deiner Arbeit gefahren zu dem selben Job über den du das ganze Jahr lang jammerst. Und dann ist es passiert. Du bist gestorben. Es ging so schnell, du konntest es noch nicht einmal realisieren als es soweit war. Du konntest noch nicht einmal denken 'Scheiße, das wars jetzt'. Dein Leben ist nicht in Zeitlupe an dir vorbeigezogen und hat für dich alle Höhen und Tiefen deines Lebens Revue passieren lassen. Nein, nichts davon ist passiert. Deine Seele wurde mit solcher Wucht aus deinem Körper geschleudert, als dieser zwischen deinem Auto und dem LKW vor dir zusammengequetscht wurde, dass dir für Nichts davon die Zeit blieb. Was ist mit all den Sachen die du in deinem Leben noch erreichen wolltest? All die Projekte die du in Angriff nehmen wolltest. All die offenen Rechnungen die du noch nicht begleichen konntest. All die Entschuldigungen die du jemandem wegen einem unnötigen Streit hättest sagen sollen. All das kannst du jetzt nicht mehr. Auf einem Friedhof vergraben kannst du Nichts davon mehr. Du fragst dich was aus deinem Leben alles hätte werden können. Das Mädchen das du dich nie getraut hast zu fragen ob sie auf ein Date mit dir gehen will. Hätte sie die Mutter deiner Kinder heute sein können? Das wäre wunderschön. Oder hätte sie nein gesagt? Aber was hätte das geändert, jetzt bist du sowie so tot. Hätte also nichts gemacht. Ein Ja hingegen hätte dein ganzes Leben verändern können. Wärst du dann nicht in die Arbeit gefahren sondern zu ihr und den Kindern? Hättest ihnen gesagt wie sehr du sie liebst und dass du jede Sekunde mit ihnen genießen willst?`Nur Gedanken. Alles zu spät jetzt. Was ist mit diesem Traumjob von dir den du nie angenommen hast weil zu wenig bezahlt wurde? Klar die Entscheidung war schwer aber du wolltest dir eben ein gewisses Leben leisten können. Hm Geld. Dein Geld bringt dir jetzt auch nichts mehr denkst du. Da wärst du lieber aktiv gewesen und hättest etwas bewirkt dort wo es deine Leidenschaft wirklich angesprochen hätte. Hättest du dann vielleicht das Leben von zehn, hundert, ja vielleicht sogar Millionen von Menschen verändern können? Zu spät um das nun heraus zu finden. Hätte man sich an dich erinnert noch lange nach deinem Tod? Hättest du dafür gesorgt, dass diese Welt zu einem besseren Ort wird? In deinem Leben hast du ab und zu mal was gespendet, bist mal Fahrrad gefahren als du auch hättest Auto fahren können, das hat dir ab und zu das Gewissen erleichtert. Aber hat es dich wirklich zufrieden gestellt? Bist du jetzt stolz darauf nach deinem Leben? Oder denkst du nur immer wieder was wäre wenn gewesen. Aber du hattest damals einfach nicht den Mut. Wolltest lieber dem gewohnten Alltag nachgehen, anstatt mal was für dich zu riskieren, nur um bloß kein 'Nein' mal vom Leben hören zu müssen. Weil dann hättest du wahrscheinlich aufgegeben, gesagt dass es von Anfang an eine schlechte Idee war überhaupt zu versuchen. Oder hättest du weitergemacht. Nicht locker gelassen. Wärst den schweren Weg gegangen bei dem am Ende aber alles wert gewesen ist. Selbst wenn der Weg das Ziel ist. Leider ist es für dich zu spät. All diese Gedanken schießen in einem Bruchteil einer Sekunde durch dein Unterbewusstsein, kurz bevor du aus deinem Auto geschleudert wirst und sofort stirbst.

Du machst die Augen auf. Du stehst ja immer noch auf diesem Hügel. Die Sonne geht grade noch unter, steht aber schon tiefer. Jetzt heulst du. Du atmest die klare Luft ein und unter deinen Schluchzern wird dir bewusst, dass du dein Leben verändern willst. Nicht weil es jemand verlangt von dir, nicht weil es das Richtige ist oder so ein Quatsch. Nein. Sondern weil du am Leben bist. Du bist am Leben verdammt und es ist das beste Gefühl dieser Welt. Doch vielen erging es genauso wie dir in deiner Vision. Aber soweit möchtest du es nicht kommen lassen. Du raffst dich auf und verlässt den Friedhof, auf dem Hügel, während des Sonnenuntergangs. Und du machst dich auf. Endlich aufgeweckt. Dein Leben zu verändern.

Du blinzelst und hörst auf zu lesen und bemerkst, dass du ja auch am Leben bist...

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Dan Prescot am 26.09.2019:

Gedanken die wohl jeder schon Mal hatte. Schön uusammengefasst., Klasse.

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