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4xhab ich gern gelesen
geschrieben 2017 von Christine Todsen.
Veröffentlicht: 22.11.2017. Rubrik: Menschliches


Der Einkaufszettel

Markus freute sich auf das Wochenende. Übermorgen war der erste Advent. Er schloss die Bürotür hinter sich und eilte durch die schon weihnachtlich geschmückten Straßen nach Hause. Anja würde bereits dort sein, da sie früher Feierabend hatte als er. Und in etwa einer Stunde würde auch Lara eintrudeln, die den Nachmittag bei einer Freundin verbrachte, um für die Schule etwas vorzubereiten. Nächstes Jahr würde sie, wenn alles klappte, schon Abitur machen. Wie die Zeit verging…

Als Markus die Wohnungstür aufschloss, wunderte er sich, dass seine Frau ihn nicht wie üblich in Empfang nahm. War sie etwa noch nicht zurück? Aber ihr Auto hatte vor dem Haus gestanden. Da… jetzt hörte er Laute aus der Küche. Sie klangen wie ein Schluchzen. Er lief hin und sah Anja mit verweinten Augen am Küchentisch sitzen. Bevor er etwas fragen konnte, sagte sie: „Lara nimmt Rauschgift.“

„Was sagst du da? Das ist unmöglich! Wie kommst du darauf?“

Sie hielt ihm einen Zettel hin. „Den habe ich auf dem Fußboden gefunden. Er muss ihr aus der Tasche gefallen sein.“

Markus betrachtete das Stück Papier. In der fast noch kindlichen Schrift seiner Tochter stand darauf:

Kopierp. – Bürokl. – Zahnp. – Taschent. – Rauschg.

Offenbar handelte es sich um einen Einkaufszettel. Hinter jeden Eintrag hatte Lara ein Häkchen gesetzt, wohl um anzuzeigen, dass der Kauf erledigt war.

„Kopierpapier, Büroklammern, Zahnpasta, Taschentücher“, versuchte Markus die ersten vier Abkürzungen zu deuten.

„Das gibt’s alles im Kaufhaus“, sagte Anja, „aber wo und wie kommt sie an …?“ Sie mochte das Wort nicht aussprechen.

„Wir werden sie fragen, wenn sie nach Hause kommt.“ Markus zwang sich zur Ruhe, obwohl auch er innerlich aufgewühlt war. Seine Lara! So fröhlich, so begabt. Er konnte sich nicht vorstellen, dass sie Drogen nahm. Aber da war der Zettel…

Sie hörten, wie die Tür aufgeschlossen wurde. „Hallo!“, rief Lara ahnungslos. Dann, als niemand ihr entgegenkam: „Mama? Papa? Wo seid ihr?“

„In der Küche!“ Der Klang von Anjas Stimme signalisierte der Jugendlichen, dass etwas nicht stimmte. Verwirrt ging sie zur Küchentür und erblickte ihre Eltern, die sie traurig ansahen. „Lara, sag uns die Wahrheit“, forderte Markus sie auf, „was für Drogen nimmst du, und seit wann?“

Völlig verdutzt starrte das Mädchen ihn an. „Drogen? Ich?“

„Dieser Zettel lag hier“, sagte Anja und zeigte ihn ihrer Tochter. „Du hast Rauschgift gekauft. Wo?“

Lara, immer noch verständnislos, las die Wortfragmente auf dem Zettel. Dann bekam sie einen Lachanfall.

„Das ist überhaupt nicht zum Lachen!“, empörte Markus sich.

„Doch!“, prustete Lara. „Ich zeige euch, was ich gekauft habe. Eigentlich sollte es eine Überraschung für Sonntag werden…“

Sie lief in ihr Zimmer. Anja und Markus folgten ihr auf dem Fuß. Aus einer Schrankecke holte sie ein Päckchen hervor und gab es ihrer Mutter mit den Worten:

„Du hast doch neulich von der Adventszeit in deiner Kindheit erzählt und gesagt, du hättest gern wieder so einen schönen Rauschgoldengel…“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Svenson am 25.11.2017:

So viele schöne alte Dinge geraten in Vergessenheit. Von manchen habe ich noch nie gehört. Wörter kommen und gehen. Gut, wenn sie sich in einer Geschichte finden.

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