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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2020 von Rio Colorado.
Veröffentlicht: 21.11.2020. Rubrik: Persönliches


Rio Colorado

Sie schaute nach Oben und da war es: das Lächeln, was die letzten Wochen so selten und deshalb umso kostbarer geworden war. Das Laufen hatte sich gelohnt. Ich war in der wohl hässlichsten Stadt der Welt im größten Busbahnhof des Landes und sah sie zwei Stockwerke unter mir mit diesem Lächeln im Gesicht aus meinem Blickfeld verschwinden. Der Abschied kurz vorher war eigenartig unpersönlich gewesen und unter lauter argwöhnischen Blicken vonstattengegangen. Sie, mit den schwarzen, kurzen Haaren, geflochten zu vier engen Zöpfen auf ihrer Kopfhaut, eindeutig eine Indignia küsste mich flüchtig. Mich, blond, groß mit meinem auffallend hellem Hautton beugte mich zu ihr runter und wir beide hatten Tränen in den Augen. Das war wohl alles, was die Schaulustigen in uns sahen, die letzten gemeinsamen Monate war nur in unseren Köpfen präsent. Meine Augen verfolgten sie, als sie die Rolltreppen herunterfuhr. Soweit es ging folgte ich ihr, bis es nicht mehr ging, dann das Lächeln und dann; weg.

Wie ihr euch vorstellen könnt ist dies kein Anfang. Irgendwie ist es ein Ende, denn seit diesem Lächeln am Busbahnhof in Lima habe ich sie nicht mehr gesehen. Und trotzdem so richtig ein Ende ist das auch nicht, sonst würde ich hier ja nicht sitzen und diese Geschichte runterschreiben. Doch wo ist das Ende und wo ist der Anfang? Starte ich damit, wie in Berlin in meiner stressigen Abizeit mal wieder so viel in die Brüche ging? Oder mit einem Auswahlseminar bei einer Organisation, die Freiwilligendienste anbietet. Mit der Nachricht „Wir würden uns sehr freuen, wenn du ab dem kommenden Sommer im Projekt Rio Colorado in Peru mit dabei bist!“? Mit einem Abschied und einem sehr nervösen Hallo in Nauta, ein kleines Städtchen im Peruanischen Regenwald? Sie erzählte mir immer, schon an diesem ersten Abend wusste sie, dass sie sich in mich verlieben würde. Oder fange ich doch erst bei den gemeinsamen Tagen am Rio Colorado, einen der Beiden Flüsse in "Rio Colorado" an, wo wir Wäsche wuschen, im kühlen Wasser badeten und uns langsam kennenlernten?

Vielleicht fange ich mal so an: Dies ist eine wahre Geschichte.
Ich heiße Lisel, bin momentan Studentin (mal wieder Ersti) und dabei, Dinge in Worte zu fassen, die schon eine ganze Weile darauf warten aufgeschrieben zu werden. Ich habe drei Geschwister, die mir wirklich sehr wichtig sind, mit manchen Ausnahmen tolle Eltern, auch wenn man das von außen vielleicht manchmal anders beurteilen würde. Wie schon angedeutet lief in meinem letzten Schuljahr noch mal alles richtig gut aus dem Ruder. Mit meiner depressive Mutter und ihrer Trennung von Stiefvater Nummer vier, einem sehr tollen Menschen, der endlich mal etwas Stabilität in die Familie um meine Mutter gebracht hatte. Gekrönt wurde das Drama dann vom sehr plötzlichen Tod von Theos Vater, Theo mein kleiner, damals neun Jahre alten Bruder. Morgens ging Uwe (Stiefvater Nummer 3) ins Bad und viel dann einfach um. Doch um das ganze Drama soll es jetzt gar nicht gehen. Nur um die Folgen davon, nämlich dass ich entschied, dass mir ein Jahr raus aus Deutschland wohl mal ganz guttun würde. Ein Jahr Zeit für mich, wo ich lernen würde mich vom Familienstress Zuhause zu distanzieren. Der Schlüssel dazu hieß "Rio Colorado", nach dem kleinen Fluss der am Rand der Holzhäuser längsplätschert. "Rio Colorado" ein kleines Projekt in einer indigenen Gemeinde im Amazonas Regenwalt, welches regelmäßig Freiwillige aus aller Welt aufnimmt. Ich hoffe niemand von euch schreit jetzt STOPP, wo ist in deiner Selbstvorstellung denn, dass du lesbisch bist? Dazu könnte ich gleich drei Dinge sagen: Erstens bin ich nicht lesbisch, ich bin nur nicht so wählerisch wie manch andere mit dem Geschlecht von Menschen in einer potenziellen Liebesbeziehung. Zweitens wusste ich zu dem Zeitpunkt davon auch selbst nichts, auch wenn es im Nachhinein auch schon früher kleine Momente gab, wo ich es hätte verstehen können. Und drittens, und das ist am aller wichtigsten: ich bin wer ich bin und definiere mich nicht darüber, wen ich liebe. Oder habt ihr von heterosexuellen Menschen schon mal gehört: ich definiere mich über mein Heterodasein? Ok, also weiter geht´s mit der eigentlichen Erzählung...

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