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geschrieben 2020 von Feather007.
Veröffentlicht: 13.07.2021. Rubrik: Spannung


Zerstörung

Zerstörung
Ich sah nichts mehr außer Rauch und Feuer. Ich konnte erkennen, wie immer mehr der gewaltigen Macht des Feuers zum Opfer wurde und die Sicht immer unklarer wurde. Doch dennoch konnte ich meinen Blick nicht von dem Geschehen abwenden. Der Qualm stieg sogar bis zu uns hinauf und brannte mir in den Augen. Kein Lebewesen war weit und breit mehr zu sehen, keiner konnte es überleben. Es war gigantisch und faszinierend und genau das machte mir Angst. Ich hatte Angst, vor was wusste ich selbst nicht genau. Es waren einfach zu viele Gefühle. Schmerz, Angst und Trauer und zugleich auch ein angenehmes Gefühl, das sich immer weiter in mir ausbreitete, was genau es war wusste ich nicht, doch ich hielt mich daran fest. Es war mein schimmerndes Fünkchen Hoffnung zwischen all den grauen und dunklen Gefühlen, die in mir tobten. Uns wurde immer wieder gesagt, wir wären sicher hier, doch ich spürte es. Ich spürte, dass nicht alles gut war, auch wenn ich versuchte es auszublenden. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass mir die Tränen über die Wangen liefen, bis mir ein älterer Mann, der neben mir kauerte, ein Taschentuch reichte. Ich konnte in ihm all meine Gefühle wiedergespiegelt sehen und mir wurde klar, dass wir es nicht alle schaffen konnten.
Die Erde brannte nun schon seit Wochen, niemand zählte inzwischen mehr die Zeit, seitdem es losging, sie rechneten wann es enden sollte. Ob sie wirklich Hoffnung hatten oder es uns, den wenigen Überlebenden der Tragödie, nur vorspielten wusste ich nicht, doch ich war nicht die einzige an diesem jämmerlichen Ort, die nicht wusste wie es weitergehen würde. Würden wir überhaupt überleben? Was wenn wir überleben würden, wir waren gerade einmal eine Handvoll und wir waren die einzigen? Und mit jeder Minute, in der wir in diesem Flugzeug saßen und den brennenden Planeten ansahen sanken unsere Überlebenschancen. Ich wischte mir mit dem Taschentuch die Tränen vom Gesicht und versuchte all die schlechten Gefühle einfach runterzuschlucken. Es gelang mir nicht. Ich sah wieder aus dem kleinen Fenster des Jets und beobachtete das rote Treiben Kilometer unter mir. Unsere Heimat war tot. Ich hatte gar nichts mehr. Jemand begann eine Wasserflasche rumzugeben und bekam dankende Gesichter, der Mütter, die vergeblich versuchten ihre kleinen Kinder zu beruhigen, als Antwort. Mein Mund war ausgetrocknet und trotz unserer Höhe hatte ich das Gefühl den Rauch in der Luft zu riechen. Als die Flasche bei mir ankam war noch ein kleiner Tropfen in der Flasche, doch ich konnte nicht trinken. Ich war wütend. Woher meine Wut kam wusste ich selbst nicht genau, doch ich begann mit der Flasche auf das kleine Fenster einzuhauen. Ich wollte endlich die Luft in vollen Zügen riechen und fühlen, um mir nicht mehr vormachen zu müssen das alles wäre unreal. Das Fenster gab nach und es zog sich ein Sprung über das ganze Material, im nächsten Moment rissen sie mir die Flasche aus der Hand und mich vom Fenster weg. Sie drückten mich wieder auf den Boden neben den alten Mann, der mich mitleidig lächelnd ansah. Doch ich bekam was ich wollte, ein Luftzug. Er war nicht frisch und angenehm, sondern rau und zerstört. Es war nicht mehr die Luft, die ich kannte. Meine Wut war zwar wieder etwas abgeschwollen, doch ich fühlte mich nur noch elendig. Ich hätte das nicht tun sollen, was war mit mir los gewesen. Ich spürte die Blicke des Mannes neben mir auf mir ruhen, doch ich traute mich einfach nicht ihn anzusehen. Ich wusste, dass ich in seinem Blick nur Mitleid sehen würde und das konnte ich in diesem Moment einfach nicht gebrauchen. Doch dann hörte ich seine Stimme, sie war rau und durchdringend. Er hatte die ganze Zeit kein Wort gesprochen, doch nun sprach er mich direkt an. Seine Frage durchbohrte mich förmlich, es war eine simple und normale Frage, dennoch löste sie ein Chaos in mir aus. „Wie geht es dir?“, er sprach es nicht aus als wäre es eine reine Höflichkeitsfrage aus Mitleid, er sprach es aus als könnte er tief in mich hineinsehen, doch ich kannte diesen Mann nicht, ich konnte ihm nicht erklären wie es mir ging, also musste ich lügen: „Gut“, ich glaubte es mir selbst nicht, doch es musste als Antwort genügen. Ich wendete meinen Blick wieder dem Fenster zu, auf dessen Außenseite sich eine dunkelgraue Rußschicht gebildet hatte. Doch die Sicht war nicht ganz verdeckt, es war noch genug Sicht, um das wilde Toben verschwommen erkennen zu können. Es schien unberechenbar und unbesiegbar. Mit diesem Blick Meilen nach unten, starb das letzte Fünkchen Hoffnung in mir zu überleben. Es war schon ein Wunder, dass ich überhaupt eine, der Personen war, die in diesem Flugzeug saßen und lebten. Wir waren am Flughafen in Chicago angekommen, als sich das Feuer wie ein rotes Band immer enger um uns zog. Ich dachte es war

Glück, dass das Flugzeug direkt wieder abheben konnte, doch inzwischen war ich mir nicht mehr so sicher, ob ich nicht einfach hätte aufgegeben und mich den Flammen zum Opfer geben hätte sollen. Die Menschen saßen allein schon zehn Stunden im Flugzeug, um von München nach Chicago zu kommen und nun war unsicher wie lange wir noch hier oben verharren müssten. Während des Fluges hatte sich die Situation verschlimmert und ich konnte genau beobachten wie der rote Teufel langsam, aber sicher mein Leben zerstörte, alles und jeden den ich hatte, meinen Planeten. Keiner saß nun mehr regulär auf den Sitzen auch wenn wir stets darum gebeten wurden uns anzuschnallen. Doch was sollte das schon bringen, dann würde ich eben sterben, vielleicht war es einfach das Beste, inzwischen wollte ich gar nicht mehr kämpfen und überleben. Bei dem Anblick des roten Feuerballs, der einst mein zu Hause gewesen war, stiegen mir erneut die Tränen in die Augen. Für mich war es immer noch surreal mein ganzes Leben förmlich brennen zu sehen. Es war das schlimmste Gefühl auf der Welt. Das dachte ich, dabei begann es gerade erst immer schlimmer zu werden.
Von den Menschen in dem Flugzeug kannte ich niemanden. Es war das erste Mal, dass ich sie wirklich so richtig realisierte. Es waren Menschen die genauso verzweifelt und verängstigt aussahen wie ich mich fühlte. Menschen, denen es genauso ging wie mir und die ihre letzte Hoffnung schon vor Stunden verloren hatten. Denn schon vor Stunden waren wir wieder abgehoben, um uns in Sicherheit zu bringen. Doch ich wollte gar nicht in Sicherheit sein während meine Familie, die mich vor einem Tag in München verabschiedet hatte, tot waren. Sie hatten mich verabschiedet für eine kurze Zeit in Amerika nicht für immer. Ich hätte in München niemals in den Flieger einsteigen sollen. Der Weltuntergang stand näher als je zuvor und ich war einfach in einen Flieger gestiegen, um eine schöne Zeit in Chicago zu verbringen. Ich war weggerannt vor meinen Problemen, doch gleichzeitig bin ich ihnen direkt in die Arme gerannt.
Ich bekam den Gedanken nicht mehr aus dem Kopf, dass dies das Letzte war, dass ich fühlen würde, dass diese Kopfschmerzen und der verbrannte Geruch in der Luft die Letzten Dinge waren, die ich überleben würde. Auf einmal wurden meine Gedanken unterbrochen, durch eine aufkommende Unruhe an Board. Zu Beginn verstand ich nicht was um mich herum passierte, da sich meine Gedanken wie vom Rauch benebelt fühlten. Dennoch spürte ich langsam was die anderen Passagiere in eine Solche Panik versetzte. Man versuchte uns zu beruhigen, doch ich merkte, dass sie genauso beunruhigt waren wie wir. Ich wollte tief durchatmen, um einen klaren Kopf zu bekommen, doch die Luft in der Kabine war inzwischen verrußt. Ich wusste, dass diese Verschmutzung nicht an dem eingestoßenen Fenster lag. Ich traute mich nicht aus dem Fenster zu sehen, da sich bestätigen würde was ich schon wusste. Wir sanken. Wir kamen dem brennenden Feuerball immer näher und ich konnte förmlich schon die Hitze um mich herum spüren. Ich hatte von Anfang an gewusst, dass es dazu kommen würde, doch ich wollte es trotzdem nicht wahrhaben. In diesem Moment jedoch realisierte ich, dass ich in absehbarer Zeit sterben würde.
Plötzlich spürte ich ein Tippen auf meiner linken Schulter. Ich schreckte hoch und sah mich um, hatte ich all das etwa geträumt? Nein das war unmöglich. All diese Gefühle schienen so real zu sein, so einnehmend und einfach echt. Doch die Luft um mich herum war nicht verraucht oder heiß und all die Menschen saßen friedlich auf ihren Plätzen. Ich atmete durch, da ich mich nun sicher fühlte. Ich hatte keine Angst mehr. Ich musste lächeln bei dem Gedanken, dass meine Träume so kreativ waren. Und ein warmes Gefühl bestieg mich, als ich mich daran erinnerte, dass ich in wenigen Stunden in Chicago lande würde und dort eine wundervolle Zeit nach dem Abi verbringen würde. Es fühlte sich richtig an hier zu sitzen und die Freiheit zu genießen, die ich mir nach langer Zeit in der Schule redlich verdient hatte. Wieder tippte jemand auf meine linke Schulter und ich wandte mich ruckartig um. Es war ein älterer Mann, der mir auf ungenaue Weise bekannt vorkam. Er sah mich eindringlich an und mir wurde klar woher ich ihn kannte, er war in meinem Traum vorgekommen. Ich zuckte zusammen, als ich ihn wiedererkannte. Er hielt mir ein Taschentuch hin. Es war genau wie in meinem Traum. Doch diesmal waren es Freudentränen, die ich mit dem Taschentuch abwischte und ihn danach dankbar anlächelte. Doch als ich ihn ansah spiegelte sich in seinen Augen Mitleid und Trauer. Er war nicht glücklich wie ich es war. Ich wand mich schnell wieder von ihm ab, da ich mich schlagartig erinnerte.

Es waren Dinge, an die ich mich nicht erinnern wollte, doch als ich hastig den Vorhang von dem kleinen Fenster wegschob und nach draußen blickte, stiegen mir andere Tränen in die Augen. Es waren Tränen der Verzweiflung und der Hoffnungslosigkeit. Ich blickte aus dem Fenster hinab auf einen unbeschreiblich großen Feuerball, der meine Heimat gewesen war. Ich wollte es nicht glauben. Ich konnte es nicht glauben. Ich begann auf das Fenster einzuhauen, bis meine Hände blutig waren und das Material nachgab. Sofort stieg mir der Geruch nach Rauch in die Nase und die Tränen liefern mir über die Wangen. Ich wollte nicht weinen, doch die Tränen strömten ohne Ende aus meinen Augen. Es war ein stilles Weinen, dennoch war es ein Hilferuf, den keiner verstand. Sie kamen und klebten den Sprung im Fenster zu. Sie redeten auf mich ein, doch die Worte drangen nicht zu mir durch, es war als wäre mein ganzes Gehirn vernebelt und in Watte bepackt. Ich starrte immer noch nach unten und langsam drangen Gedanken in meinen Kopf, die schockierender denn je waren. Alles was ich hatte war zerstört, ich hatte kein Leben mehr. Meine Freunde und Familie waren tot. Doch das schlimmste Gefühl war zu wissen, dass ich all das hier vor kurzer Zeit im Traum schon einmal durchlebt hatte. Ich versuchte mir Hoffnung zu machen und mir einzureden, dass es nur ein dummer Traum gewesen war, doch alles war genau gleich. Als sich die Kabine langsam mit Rußpartikeln verschmutzter Luft befüllte und ich im Fenster den vom Teufel befallenen Planeten langsam auf mich zukommen sah und ich die Unruhe und das Geschrei der anderen Passagiere vernahm, begann ich zu schreien. In diesem Moment realisierte ich, dass ich in absehbarer Zeit sterben würde.

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