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geschrieben von anif_ares.
Veröffentlicht: 27.10.2021. Rubrik: Historisches


Die Neuerzählung der Medusa

Medusa, die einzige sterbliche Tochter der Geschwister Keto und Phorkys, war von solch einer Schönheit, die selbst manche Göttin im Olymp erblassen ließ. Von Zyklopen über Harpyien bis hin zu Göttern, von allen Gestalten und Kreaturen der griechischen Geschichte wurde ihr der Hof gemacht. Medusa hingegen zeigte keinerlei Interesse für ihre Verehrer. Die Spiele der Götter mit den Sterblichen widerten sie an und die Grausamkeit manch einer Kreatur widerstrebte ihr zutiefst.

Aber Medusa war nicht nur schön, sie war auch schlau und wusste vor allem um die List und Tücke der Götter bescheid. Nicht selten hatte der Gott Zeus Frauen in den Hinterhalt gelockt und ausgetrickst, indem er seine Gestalt änderte. Asteria, einer Titanide, begegnete er in Form eines Adlers und Europa, die Tochter des phönizischen Königs Agenor, begattete er als Stier. Medusa, die all das und noch viel mehr über die Götter wusste, versteckte sich so gut es ging vor eben diesen.

Ihrer Schönheit also verdankte sie ein Leben in stetiger Unruhe, denn sie blieb nie lange an einem Ort. Sie war in Delfi gewesen und hatte sich auf der Insel Leuke versteckt. Auf der Insel Ogygia hatte sie einige Wochen mit der Nymphe Kalypso verbracht, ehe sie weiter zum Berg Abas gezogen war. Einmal sogar brachte ihre Reise sie sogar bis nach Atlantis.

Auch Poseidon, Bruder des Zeus und Gott des Meeres, hat ein Auge auf Medusa geworfen. Er beauftragte sowohl Nereiden als auch Okeaniden mit der Bewachung des Meeres. Die Meernymphen hatten ihm sofort Bericht zu erstatten, sollte Medusa in den Gewässern gesichtet werden. Medusa hatte Atlantis zwar verlassen, noch bevor Poseidon sie zu fassen bekam. Der Meeresgott hatte es sich aber zum Ziel gesetzt, Medusa mit all der ihn zur Verfügung stehenden Kraft ausfindig zu machen.

Medusa versteckte sich in der Zwischenzeit im Tempel der Athena. Sie war die Göttin der Städte, der Weisheit und des Kampfes, und Medusa fühlte sich sicher im Schutz dieser Göttin. Poseidon aber hatte von seinem Bruder Zeus längst erfahren, wo Medusa sich versteckte. Aber er wusste, Athena würde ihm nicht ohne Gegenwehr gewähren lassen. Daher entschloss er sich, sie auszutricksen.

Poseidon machte Athena die Schutzherrschaft über die Stadt Attika streitig. Sie stritten und kämpfen so lange, bis der König Attikas entschied, dass die beiden Götter den Menschen Attikas ein Geschenk machen sollten. Der Gott mit dem besseren Geschenk, sollte die Herrschaft über Attika erlangen. Poseidon, dem alle Meere der Welt gehörten, brauchte nicht noch eine zusätzliche Stadt, über die er herrschen musste. Daher erfüllte er die Aufgabe nur halbherzig: Mit seinem Dreizack stieß er in einen Felsen und ließ eine Quelle sprudeln, die aber nur Salzwasser hervorbrachte.

Athena hingegen, der die Schutzherrschaft über Attika und seine Bewohner ein großes Anliegen war, überlegte und suchte lange nach dem passenden Geschenk für die Menschheit. Sie war so sehr in ihre Aufgabe vertieft, dass sie Poseidons Verschwinden nicht bemerkte. Während Athena also den ersten Olivenbaum pflanzte, der der Stadt sein Holz und seine Früchte schenken sollte, verwandelte sich Poseidon in einen Stier und suchte Medusa auf.

Wie von Zeus angekündigt, traf er sie im Tempel der Athena – dank ihm nun schutzlos – an. Er entschied, dass sich keine sterbliche Kreatur einem Gott entziehen darf und vergewaltigte Medusa noch im Tempel.
Athena kehrte nach ihrem Sieg über Poseidon in ihrem Tempel zurück und musste dort mitansehen, wie Medusa – die mittlerweile ihre Freundin geworden war – von Poseidon vergewaltig wurde. Sie konnte nichts mehr tun, um das Geschehene rückgängig zu machen. Und Poseidon bestrafen konnte sie auch nicht mehr, denn der hatte den Tempel schon längst verlassen und war ins Meer zurückgekehrt. Und selbst wenn Athena Poseidon bestraft hätte, es hätte das Leid ihrer Freundin nicht gelindert.

Medusa, verzweifelt und hoffnungslos, klagte Athena auch an diesem Tag ihr Leid. Ihre Schönheit war ihr Leben lang nur ein Fluch gewesen, der sie von Ort zu Ort hetzte. Sie flehte Athena um einen Schutzzauber an: Medusa wollte nie wieder weglaufen müssen und sie wollte nie wieder verletzt werden. Athena, die selbst auch Medusas Schönheit erkannt hatte, erfüllte ihr schweren Herzens ihren Wunsch. Sie schenkte Medusa Schlangenhaare, eine lange Zunge und glühende Augen. Von der ursprünglichen Schönheit der jungen Frau war nicht mehr viel übriggeblieben. Dafür war sie nun aber geschützt, denn ein Blick in ihr Gesicht reichte aus, um einen Mann in Stein zu verwandeln.

Athena, zu anfangs traurig über die verlorene Schönheit, stellte letzten Endes aber doch fest, dass Medusa nun glücklicher war. Sie konnte frei leben, ohne weglaufen und sich verstecken zu müssen. Und diese Freiheit war die hellste aller Schönheiten.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von BjarneP am 05.01.2023:

Ich mag die Idee, dass Athena Medusa ihr aussehen zum "Schutz" gab, anstatt sie damit zu bestrafen. Aber ... ich meine, sie war auch diejenige, welche Perseus das Spiegelschild gab, mit welchem er Medusa letztendlich umgebracht hat, also ... hmm.

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