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geschrieben von As'a hel.
Veröffentlicht: 07.03.2022. Rubrik: Unsortiert


Das Blut Christi

Die Ketzer, die soeben von Bewaffneten in die Arena geführt werden, strahlen Freundlichkeit und tiefe Ruhe aus. Die 144 Männer, Frauen und Kinder werden unter hervorragender musikalischer Begleitung in die Mitte des Platzes gebracht.

Sorgenvoll studiert der Organisator der heutigen Spiele die gelangweilten Gesichter der Adligen auf der kaiserlichen Tribüne, während die verhüllten Tierkäfige langsam aus den Kellern nach oben gekurbelt werden. Die Spiele laufen schon seit Wochen und alle wissen, was als Nächstes geschieht.

Zuerst singen die Kinder, dann stimmen die Frauen und zuletzt die Männer mit ein. Die Hymnen zur Ehre ihres Gottes sind nicht melodisch, aber sie haben etwas Übernatürliches an sich, das nur bei diesen Ketzern zu finden ist. Für wenige Augenblicke vergessen die zehntausenden Zuschauer ihr Essen, Scherzen und Johlen und sehen gebannt auf diese Menschen, die einen Gott preisen, der sie offensichtlich im Stich lässt.

Aufwendig geschmückte, gutaussehende Tänzer entfernen mit Stricken die Tücher über den Käfigen. Die Leiber der Löwen sind abgemagert und voller Narben, Haut und Fell weisen jüngst erfolgte Verbrennungen auf.

Im Publikum befinden sich angeworbene Prostituierte; Männer und Frauen, die jetzt ekstatisch zu stöhnen beginnen. Wellen aus Wollust und Blutgier jagen über die Tribünen und beseitigen alle Hemmungen: Manche Zuseher reißen sich die Kleider vom Leib und gießen Wein in Münder und über Köpfe, einige kopulieren, etliche masturbieren, andere fügen sich tiefe Schnitte mit Messern zu und verreiben das ausströmende Blut auf eigenes und fremdes Fleisch; unzählige Dämonen fahren in Menschen und Tiere und finden neue Behausungen.

Mit lautem metallischem Klang öffnen sich gleichzeitig alle Tierkäfige und die Löwen fliehen aus der Enge in die Arena. Getrieben von Hunger und wahnsinnig von Misshandlung fallen einige Großkatzen übereinander her, die anderen blicken verwirrt auf das Geschehen um sich herum. Die meisten Tiere werden zur selben Stunde wie ihre Opfer getötet, aber manche werden sorgfältig zu Menschenfressern herangezogen, und diese haben gelernt, welchen Menschen man gehorchen muss und welche man fressen soll. Sobald der erste Mensch überwältigt ist, stürzen sich von allen Seiten in rascher Abfolge 70 Raubtiere auf ihre Beute.

Zufrieden betrachtet der als Gott verehrte Kaiser des römischen Imperiums die Ereignisse: Wie einfach es doch ist, denkt der Gottgleiche, den Pöbel mit Unterhaltung zu beherrschen.

Auf einer der Treppen stehen zwei Hauptmänner des imperialen Heeres. Sie sind nicht wegen der Spiele in der Reichshauptstadt, ihr Soldatenleben bietet genug Blut und Tod. Sie kamen hierher, um ehemalige Kameraden zu besuchen, die jetzt als Sklaven- und Tiermeister in den Kellern des Kolosseums arbeiten.

Doch daran denken die beiden schon seit über einer halben Stunde nicht mehr, denn sie brauchen ihre gesamte Kraft, um nicht in Tränen auszubrechen. Die Legionäre haben in zwei Kriegen und zwölf Schlachten gegen alles gekämpft und gesiegt, was diese Welt an
Feindseligkeit aufzubieten hat. Nicht Leid und Tod rühren sie, sondern die Erkenntnis, dass ihr eigener Mut irdisch-niedrig ist, während der Mut jener Ketzer in ihren schwächlichen Leibern himmlisch-göttlich ist; die beiden verlieren ihre erste Schlacht und unterliegen ihren Tränen.

Nach kurzer Zeit haben sie sich gesammelt und ohne ein gesprochenes Wort wissen sie, was zu tun ist: Man sagt, sie lassen sich finden, wenn man es ehrlich meint. Ja, antwortet der andere, lass uns zu ihnen gehen und lernen, was Mut und Stärke wirklich sind.

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