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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von Perlmutschmetterling.
Veröffentlicht: 26.04.2022. Rubrik: Unsortiert


Stilles Verlangen

Keshav

Ich trete nach draußen. Der Wind umspielt mein Gesicht und ich muss ein paar mal blinzeln, bis auch meine Augen sich an die kalte Luft gewöhnt haben. Die Kälte tut extrem gut. Obwohl es erst Februar ist, scheint die Sonne schon kräftig durch die vereinzelten Wolken. Ich ziehe scharf die Luft ein, bevor ich mein Telefon zücke und meinen Chauffeur anrufe, um ihn zu bitten, mich abzuholen. Ich schicke ihm meinen Standort und lasse mich anschließend auf den Bürgersteig sinken.

Plötzlich klingelt mein Handy. Ich werfe einen Blick auf den Bildschirm und als ich sehe, wer mich da anruft, beginnt sofort ein Tornado von Gefühlen in meinem Bauch seine Runden zu drehen. ‚Alistair‘ steht in leuchtenden Lettern über dem Telefon-Symbol. Ich schlucke schwer. Ich lasse mein Handy klingeln, nehme nicht ab, aber lege auch nicht auf. Das hat etwas beschäftigtes. Stattdessen öffne ich die Galerie und gehe in einen geheimen Ordner, der mit ‚Schatzkiste‘ beschriftet ist. Ich scrolle durch die paar Bilder von Alistair und mir und Erinnerungen beginnen in mir hoch zu steigen. Nur wir beide wissen, was es mit diesem Namen auf sich hat und das soll auch so bleiben. Nicht, dass ich nicht will, dass jeder von uns weiß. Ich habe bloß Angst vor der Reaktion meiner Eltern auf mein Outing. Ich höre schon von weither das Brummen des Rolls-Royce meiner Familie, als mir von hinten jemand auf die Schulter tippt. Ich springe auf, schalte mein Handy blitzschnell aus und drehe mich ruckartig um, nur um mich sofort wieder der Straße zu zuwenden. Alistair. Natürlich. „Hey.“ sagt er betont locker. Ich höre etwas aus seiner Stimme heraus, dass ich nicht kenne. Etwas, das ich noch nie von ihm gehört habe. Vorsichtig drehe ich mich nun doch wieder zu ihm um. Dann trete ich auf den Fußgängerweg. Alistair geht einen Schritt rückwärts, hält somit den Abstand zwischen uns. Die Sonne verschwindet schon langsam am Horizont und obwohl es noch nicht mal annähernd dunkel ist, gehen die Straßenlaternen an. Wir stehen uns auf dem Fußgängerweg gegenüber und sagen kein Wort. Ich schaue ihn nur an. Ich vermisse Alistair unglaublich. Und ich denke, es geht ihm genauso. Er mustert mich voller Verzweiflung im Blick und alles, was ich will, ist ihn in die Arme zu nehmen. Ihn einfach festhalten und für ihn da sein. Für immer. Anders als beim letzten Mal. Ich weiß nicht, wie lange wir so dastehen, als der Rolls-Royce um die Ecke biegt und ca. 20 Meter von uns entfernt mit quietschenden Reifen zum Stehen kommt. Mein Fahrer muss uns gesehen haben. Alistair und ich sehen uns für einen Moment in die Augen, dann sprinten wir los.

Alistair

Ich bin als erster am Wagen. Hektisch bedeute ich Keshs Fahrer, die Scheibe herunterzufahren. Er tut wie ihm geheißen und sieht mich fragend an. „Sie können wieder nach Hause fahren, ich und Kesh müssen noch etwas besprechen. Ich fahre ihn dann später nach Hause!“ Er nickt nur kurz und zögerlich, dann verabschieden wir uns und er rauscht mit offenem Fenster davon. Ich drehe mich zu Kesh um, der mit schiefem Grinsen hinter mir steht. Ohne ein Wort zusagen schließe ich ihn in die Arme. Er scheint überrumpelt zu sein, doch nach kurzem Zögern legt er auch die Arme um mich. Ich spüre seinen schnellen Herzschlag an meiner Brust und weiß nicht, ob das unserem kleinen Wettrennen oder mir geschuldet ist. Ich genieße den Moment und wünsche mir dabei, dass er nie mehr aufhört. Wir werden von einem Hupen gestört. Ein Auto muss direkt vor uns anhalten, um uns nicht zu überfahren. Ich glaube, wir haben beide vergessen, dass wir immer noch mitten auf der Straße stehen. Keshav zieht mich an der Hand zurück zum Bürgersteig, wo wir uns wieder in die Arme schließen. Schließlich mache ich mich ein Stück weit von Kesh los, um ihm ins Gesicht blicken zu können. Er lächelt, macht sich dann aber komplett von mir los, zückt sein Handy und geht ein paar Schritte von mir weg, bis er schließlich außer Hörweite stehen bleibt. Er scheint eine Nummer auf seinem Handy zu wählen, dann beginnt er zu telefonieren.
Das Telefonat hat ein paar Minuten gedauert, in denen sich Keshavs Gesichtsausdruck immer mal wieder verändert hat. Jetzt steckt er das Handy weg und kommt freudestrahlend auf mich zu. Bevor ich fragen kann, was los ist, drückt er seine Lippen auf meine. Ich bin so perplex, dass ich erst einmal gar nichts mache, bis ich dann schließlich verstehe, was das zu bedeuten hat. Er küsst mich in der Öffentlichkeit. Das kann nur eins bedeuten: „Du hast es ihnen gesagt.“ flüstere ich. Er nickt nur stumm, aber sein Strahlen verrät mir, wie seine Eltern auf die Neuigkeit reagiert haben müssen. Erst jetzt erwidere ich seinen Kuss und ziemlich schnell verwandelt sich das Ganze in eine wilde Knutscherei. Er löst sich von mir, nimmt meine Hand und zieht mich in die Richtung, aus der vorhin der Rolls-Royce gekommen ist. Händchen haltend schlendern wir zusammen in Richtung seines zu Hauses. Inzwischen ist es komplett dunkel. Ich erkenne nur noch Keshs Umrisse und trotzdem kann ich sein Grinsen förmlich hören, als ich ihn nach einem Date frage. Noch vor zwei Stunden hätte ich ihm diese Frage niemals stellen können. Aber jetzt…

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