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geschrieben von Wossi van Kitzelmaus.
Veröffentlicht: 10.09.2018. Rubrik: Unsortiert


Jamiro der Pechhund 2

Gismo

Wie auch du, bin ich nicht hier geboren. Allerdings kann ich mich nicht mehr an viel erinnern, was passierte, bevor ich hierher kam. Vieles weiß ich nur noch Bruchstückhaft. Anderes weiß ich von hörensagen. Aus dem Ganzen habe ich mir dann auch einiges zusammen gereimt.
Ich bin auf einem Bauernhof zur Welt gekommen. Naja, es war kein richtiger Bauernhof mehr, aber es gab außer vielen Hunden auch noch ein paar Pferde und auch Hühner. Das Dorf kann nicht groß gewesen sein. Da ich aber nie den Hof verlassen habe, weiß ich das nicht genau.
Übrigens haben mich meine damaligen Menschen immer Gismo gerufen. Meinen jetzigen Namen erhielt ich erst später von Frauchen.
Das erste an das ich mich erinnern kann, ist ein dunkler Raum, der sich in so etwas wie einem Keller befand. Zumindest lebten die Menschen hier eine halbe Treppe über uns. Neben der Treppe zur Tür war ein kleines Tor. Hinter dem Tor ging es ein paar Stufen nach unten und dann nach rechts in unseren Unterschlupf. Zum Anfang war Mama meist bei und und passte auf uns auf. Später war sie auch viel bei den erwachsenen Hunden und kam nur noch zum Säugen.
Die meiste Zeit haben wir geschlafen. Wenn wir wach waren, spielte ich mit meinen Geschwistern.
Ab und an kamen auch fremde Menschen. Komischerweise sind wir dann vorher immer zu den Menschen nach oben gebracht worden. Dort kamen wir in eine große Holzkiste im Schlafzimmer. Wenn ich mich recht erinnere, wurde die Holzkiste von den Menschen immer Wurfkiste genannt. Ich habe mich immer gewundert, warum das so ist, habe es aber nie verstanden. Die fremden Menschen kamen dann ins Schlafzimmer und sahen uns zu. Teilweise nahmen sie auch einen von uns auf dem Arm und streichelten ihn. Wenn diese Fremden dann wieder weg waren, durften wir wieder nach unten.
Zwischen diesen Besuchen hatten wir Freizeit und konnten machen, was wir wollten. Besonders als wir etwas größer wurden. In der Zeit machten wir den Hof unsicher. Aber auch die angrenzenden Gebäude wurden erkundet. Nur in den Wohnbereich durften wir nicht. Aber auch auf dem Hof erlebten wir unsere Abenteuer. Eines Morgens, der Regen hatte gerade aufgehört und der ganze alte Hof war mit Pfützen übersät, tobten meine Geschwister und ich in den Pfützen. Es war einfach toll, wenn man in die Pfütze sprang und das Wasser weg spritzte.
Leider war aber der Grund dieser Pfützen teilweise glitschig. So rutschte ich weg und landete mit der Nase im Dreck. Ich sah richtig gut aus. Natürlich lachten meine Geschwister mich aus. Ich selber fand das gar nicht schön, machte aber gute Miene zum bösen Spiel.
Als dann aber auch die Hühner anfingen zu gackern, fand ich das gar nicht mehr lustig. Knurrend rannte ich auf ein Huhn zu und verjagte es. Laut schimpfend flog es auf. Landete aber ein Stückchen weiter wieder und gackerte weiter. Wütend rannte ich hinterher. Wieder flog es ein Stück und machte dann weiter, als wäre nichts gewesen. Erneut rannte ich hin, es flog ein Stück und gackerte.
Zwar war mein Gemüt schon etwas abgekühlt, aber die Sache begann Spaß zu machen. Immer wieder scheuchte ich das Huhn hoch, das laut gackernd ein Stück weiter wieder landete. Auch meinen Geschwistern schien das Spiel zu gefallen. Auf jeden Fall fingen sie ihrerseits an, Hühner zu jagen. Das war ein lustiges Geflatter und Gegacker.
Doch plötzlich fiel mich ein buntes Federknäuel an. Es hackte und kratzte auf mich ein. Total erschrocken nahm ich reißaus. Aber es ließ sich nicht abschütteln. Flatternd folgte es mir und hackte und kratzte weiter. Erst als ich voller Panik unseren Keller erreichte, ließ es endlich ab.
Ich verkroch mich hinter einem Holzstapel hinter unserer Wurfhöhle und kam lange Zeit nicht heraus. Was immer für ein schreckliches Monster mich da angefallen hatte, es sollte mich nicht noch mal bekommen.
Einige Tage lang traute ich mich kaum auf den Hof. Bei jeder kleinen Bewegung erschrak ich. Nach und nach wurde ich aber wieder mutiger. Zusammen mit meinen Geschwistern erkundete ich wieder den Hof.
In einer Ecke des Hofes befand sich ein Misthaufen. Dieser war einer unserer beliebtesten Spielplätze. Er roch zwar sehr streng, aber es gab immer leckere Sachen zu entdecken. Die Menschen hier warfen alles mögliche her. Die Pferdeäpfel waren schon richtig lecker. Aber die Küchenabfälle, die hier teilweise landeten, waren noch viel besser. Und wer diese Leckerbissen entdeckte bekam alles. Daher durchstöberten wir fast täglich den Haufen. Allerdings musste wir auf die erwachsenen Hunde Rücksicht nehmen. Sie waren nun mal im Rang höher.
Aber auch als Aussichtspunkt war der Mistberg super. Von oben konnte man den ganzen Hof und die angrenzende Straße überblicken. Wie oft habe ich da oben gelegen und den Ausblick genossen.
Auch einige Tage nach dem Angriff des Hahns lag ich wieder dort, als ein streunender Hund um die Ecke kam. Er näherte sich schnüffelnd unserem Zaun von der Seite des Haufens, auf dem ich lag. Diese Seite war vom Hof her nicht einsehbar, da der Mist die Sicht versperrte. Daher konnte nur ich ihn sehen. Ich war neugierig auf den Fremden und ging langsam hinunter. Ich musste mich vorsichtig durch einen Haufen Metallteile schlägeln, um in den schmalen Gang zu kommen, der den Zaun und die Misthaufenwand voneinander trennten. Als ich diesen Stapel hinter mir hatte, hatte der Fremde den Zaum erreicht. Auch er hatte mich nun entdeckt. Beide gingen wir schnüffelnd aufeinander zu. Er roch irgendwie ganz anders als meine Artgenossen auf dieser Seite des Zauns. Aber er roch auch faszinierend. Ihm schien es ähnlich zu gehen. Daher näherten wir uns immer weiter. Bald waren wir Nase an Nase. Um ihn noch besser beschnüffeln zu können, zwängte ich meinen Kopf durch ein kleines Loch im Zaun.
Plötzlich knallte es in der Nähe. Kurz dannach noch mal. Wir sahen uns beide erschrocken an. Als dann auch noch ein dritter Knall kam, begann der Fremde laut zu kläffen, kniff den Schwanz zwischen die Beine und sah zu, dass er davon kam.
Auch ich versuchte das Weite zu suchen, aber ich hing fest. Das Loch, in dem ich steckte, war zu klein, um den Kopf schnell herauszubekommen. So kämpfte und kämpfte ich. Aber ich kam nicht rückwärts. Panik erfasste mich. HILFE! Aber keiner bekam meine Misere mit. Mich sah ja keiner. Verzweifelt versuchte ich weiterhin zurückzukommen.
Irgendwann kam ich dann doch mit einem Plop frei. Durch den Schwung der Befreiung verlor ich das Gleichgewicht und überschlug mich nach hinten. Völlig verstört nahm ich Reißaus. Dabei musste ich natürlich auch durch den Metallhaufen. Aber ich nahm mir begreiflicher Weise nicht die Zeit, vorsichtig zu laufen. Und es kam, wie es kommen musste. Ich rempelte gegen einige der Stützen des Haufens und dieser stürzte laut scheppernd über mich zusammen.
Zum Glück wurde ich dabei nicht verletzt. Ich war ja schon fast durch gewesen. So konnte ich mich freikämpfen und meine Flucht fortsetzen. Bebend und zitternd erreichte ich mein Versteck und verkroch mich dort. Erst viel später fand Mama mich dort und lockte mich hervor. Aber trösten lag nicht in ihrer Natur.
Seit diesem Tag hatte ich ein Knalltrauma. Vielleicht wäre es auch gar nicht so weit gekommen, wenn es nicht Kinder aus der Nachbarschaft mitbekommen hätten. Diese machten sich nun ein Spaß daraus, in der Nähe des Grundstücks Knaller zu zünden, wenn wir Welpen draußen waren.
Besonders arg trieben sie es, als wenig später weder die Menschen noch die erwachsenen Hunde auf dem Hof waren. Ein vermummter Junge näherte sich dem Zaun. Das weckte einerseits meine Neugier, andererseit war ich doch etwas ängstlich. Beide Gefühle kämpften noch in mir, als der Junge einen Knallfrosch aus der Tasche zog und entzündete. Naja, ich war mit meiner markanten weiß-schwarzen Zeichnung nicht gerade unauffällig. Daher erkannte der Typ sein Ziel sofort und warf den Knallfrosch zu mir herüber.
Der Funkenflug der Zündschnur machte mich neugierig. Es sah toll aus. Gerade wollte ich ihn genauer untersuchen, als sich direkt vor meiner Nase die erste Ladung entlud und der Frosch auf mich zu sprang. Ich ergriff schnellstens die Flucht, aber das Teil sprang mir hinterher. Mit Entsetzen musste ich feststellen, das die Kellertür zugefallen war, so dass ich nicht in mein Lieblingsversteck konnte.
‘Was nun?’ dachte ich. Zwar hatte der Frosch aufgehört zu knallen, aber die Panik hatte wieder mal von mir Besitz ergriffen. Gefolgt von schallendem Gelächter versuchte ich hinter den Misthaufen zu fliehen. Doch ein weiter Knaller versperrte mir auch diesen Weg. So floh ich in den Stall und verkroch mich im Stroh einer Pferdebox. Draußen hörte ich den Bengel lachen.
Tief im verbuddelt versuchte ich, nach draußen zu lauschen. Aber mein klopfendes Herz überdeckte alle Geräusche. Plötzlich stupste mich eine weiche Nase ein. Petra die Haflingerstute hatte mich gefunden.
“Was machst du denn hier in meiner Box?”,fragte sie etwas grantig.
“Ich verstecke mich.”, antwortete ich kleinlaut.
“Wovor? Zumal dich jeder sieht, wenn du deinen dicken Po rausgucken lässt.”
“Wie, man hat mich gesehen? Ich konnte doch nichts mehr sehen, also muss ich doch unsichtbar gewesen sein.”, sagte ich etwas naiv, “Ich verstecke mich vor dem Jungen da draußen?”
“Dem Jungen, der da draußen lachen? Warum versteckst du dich denn vor dem?”
“Er lacht über mich. Ich habe solche Angst vor dem Geknalle, dass ich weggelaufen bin, wie ein Hase, als er mich mit Knallern bewarfen. Und darüber lacht er jetzt.”
“Hm” machte Petra.
“Hm was?”
“Naja!”, sagte sie gedehnt “Vor einem Knaller wegzulaufen ist ja auch nicht sonderlich mutig. Ein Pferd wie ich, darf das schon. Aber du willst mal ein großer gestandener Hunderüde werden, vor dem andere Hunde und auch Menschen Respekt haben. Da darf man vor so etwas nicht wegrennen. Auch wenn du Angst hast, musst du dich dem Feind stellen. Zeit zum Ängstigen ist erst, wenn die Gefahr besiegt ist.”
“Du hast gut reden. Ich habe doch nun mal so große Angst. Was wenn ich dabei sterbe?”
Petra lachte. “Sorry mein kleiner Freund, aber von einem Knaller ist noch keiner gestorben. Verletzen vielleicht, aber bestimmt nicht sterben. Aber du hast recht,” fügte sie wieder ernst hinzu “ich habe da leicht reden. Ich bin ein Pferd und somit ein Fluchttier. Ich kann dir erklären, wie du richtig fliehst, aber nicht, was du machen musst, um deine Angst zu besiegen. Das musst du selber herausfinden oder andere Hunde fragen. Hast du schon mal deine Mama gefragt? Oder die anderen großen Hunde. Gibt ja ein paar auf dem Hof.”
“Nein habe ich nicht. Ich trau mich nicht.”, sagte ich schüchtern.
“Du bist mir ‘ne Marke.” schnaubte Petra leicht verächtlich. “Nun, du bist ja noch recht jung. Kommt bestimmt alles noch. Jetzt leg dich erstmal hin und versuche etwas runter zu kommen. Vielleicht findest du ja auch eine Mütze Schlaf.”
Damit wandte sie sich ihrem fressen zu. Da ich mich eh nicht aus der Box traute, tat ich, was sie mir geraten hatte und versuchte mich zu entspannen.
Ich freute mich, dass mal jemand nett zu mir war. Daher besuchte ich Petra nun öfter und wir wurden Freunde. An unser Gespräch musste ich in meinem Leben noch oft denken. Es hat mir sehr geholfen. Dank ihr fing ich an, mich meinen Ängste zu stellen und einen Weg zu suchen, wie ich sie besiegen konnte. Die Angst vor dem Knall wurde ich zwar nie los. Aber für die anderen Ängste fand ich eine gute Lösung. Aber dazu später.
Im Laufe dieser Geschehnisse wurde ich immer älter und die Zeit meines Auszuges kam näher. Das wusste ich damals natürlich nicht. Zumindest wusste ich nichts von so einem Auszug, wie er kommen sollte. Doch ein Auszug bahnte sich an. Meine dortigen Menschen wollten nämlich den Hof verlassen und wir Tiere mussten da nun mal mit.
Ein anderer Umzug hatte bereits stattgefunden. Zusammen mit meinen Geschwistern wurden wir mittlerweile als groß genug befunden, keine Wurfhöhle mehr zu brauchen. Diese wurde nun von einer anderen Hündin mit ihren frisch geworfenen Welpen bewohnt. Meine Familie musste nun bei den Großen mit wohnen. Mein Vater drangsalierte und bedrängte uns ganz schön. Mama war das recht egal. Ihr ging es nicht gut und sie wollte ihre Ruhe. Da auch mein Lieblingsversteck nun für mich nicht mehr erreichbar war, versteckte ich mich oft bei Petra.
Eines Tages kam ich gerade nach einem Besuch bei Petra aus dem Stall, als ich sah, dass die Haustür weit offen stand. Sicherlich war ich mittlerweile schon hier und da mal im Bereich der Menschen gewesen, aber immer nur kurz und unter Aufsicht. Dabei war es so spannend da. Es gab so viel zu untersuchen und zu erforschen. In ihrer Küche roch es immer lecker nach Essbaren. Manchmal lag auch etwas auf dem Boden, was dann ganz schnell verschwand, wenn es eßbar war. Es gab da aber auch viel zu spielen. Dinge zum rumtragen oder zerren. Bälle konnte man rumschubsen. Auch Schuhe lagen da rum.
Einmal versuchte ich diese Stinkedinger zu fressen. Als dann aber einer der Menschen dazu kam, gab es kräftig mit dem Schuh einen drüber. Das tat ganz schön weh. Ab dem Tag machte ich einen großen Bogen um Schuhe.
Nun aber stand die Tür weit offen und keiner schien zu kontrollieren, ob ich hineinging oder nicht. Das war meine Chance endlich mal alles in Ruhe zu erkunden. Zumal es anscheinend noch keiner mitbekommen hatte.
So schlich ich mich vorsichtig die drei Stufen zur Haustür hinauf und durch diese ins Haus. Rechts die Schlafzimmertür war zu. Auch die Treppe nach oben war leider durch ein Babygitter versperrt. Außerdem hörte es sich an, als würde oben gearbeitet. Wahrscheinlich wurde wieder was abgebaut. Aber links die Tür zur Küche war offen. In der Küche standen auf dem Boden einige bereits abgebaute Hängeschränke wild und teilweise gestapelt herum. Auch Werkzeug und eine Bohrmaschine lagen auf dem Boden. Ich stupste einen Schraubenzieher an, der unter den Küchenschrank rollte. Auch mit dem anderen Werkzeug spielte ich ein bisschen. Aber nichts konnte mich begeistern.
Dann trollte ich mich weiter zum Wohnzimmer, welches hinter der Küche lag. Der Fernseher lief. Es war ein Western drin. Das interessierte mich aber weniger. Viel interessanter war der Teller mit belegten Brote auf dem Tisch. Die rochen sehr lecker und anziehend. Ich vergewisserte mich noch mal, dass ich wirklich allein war. Dann machte ich mich zum Wohnzimmertisch. Der war so niedrig, dass ich problemlos an den Teller heran kam. Aber so richtig traute ich mich nicht. Es war so unheimlich und unglaublich, dass ich hier wirklich allein sein sollte. So viel Glück konnte ich doch gar nicht wirklich haben.
Dann stibitzte ich mir doch ein Brot und flitzte in einen Spalt zwischen Wand und Sessel. Dort verspeiste ich genussvoll meine Beute.
Von dem appetitlichen Happen ermutigt, wollte ich mir ein zweites holen. Doch gerade als ich es hatte und zu meinem Versteck unterwegs war, knallten mehrere Schüsse. Erschrocken ließ ich alles fallen und versteckte mich. Aus dem Versteck heraus versuchte ich zu erkennen, wer da geschossen hatte. Komisch. Da war keiner. Ich roch auch niemanden. Ich schob mich etwas vor, um besser sehen zu können. Aber es war einfach keiner zu entdecken. Ich kroch nun weiter in Richtung Brot. Als ich es fast erreicht hatte, knallte es erneut. Ich fuhr wieder zusammen. Dann entdeckte ich zu meiner Erleichterung, daß die Schüsse aus dem Western stammten. Mutig geworden stand ich auf und holte mein Brot.
“Was machst du denn da?”, erschallte es plötzlich hinter mir.
Ich erschrak. Papa hatte mich mit dem Brot in der Schnauze erwischt. Jetzt gab es Ärger. Leugnen war zwecklos.
“Das kann doch jetzt nicht wahr sein. Hast du denn noch gar nichts gelernt? Menschenessen ist für dich tabu. Ich werde dich ihnen bringen. Ich habe keine Lust, für dich meinen Rücken hin zuhalten.” bedrohlich knurrend kam er langsam näher.
Verängstigt ließ ich meine Beute wieder fallen und wich vor ihm zurück. Dann stieß ich gegen die Wand hinter mir. Ich war in der Wandecke und konnte nicht mehr weiter.
Papa genoss meine Angst vor ihm. Böse lächelnd kam er immer näher. Wo sollte ich nur hin oder was konnte ich machen, um ihn zu besänftigen. Fieberhaft dachte ich nach, aber mir fiel nichts ein. Es war nur eine Frage von Sekunden, bis er mich hatte. Und dann?
Plötzlich krachte es über uns ohrenbetäubend. Wir erschraken beide heftig. Papa war kurzzeitig etwas verwirrt. Diese Chance nutzte ich. Die Beine in die Hand nehmend, stürzte ich mich nach draußen. Doch zu meinem Entsetzen stand im Hausflur die Hausfrau. Zum Glück sah sie mich nicht, da sie Treppauf schaute. Schlitternd schlug ich einen Haken und drehte zur Küche ab. Zwischen den hoch gestapelten Schränken war ein schmaler Durchgang, durch den ich mich nun gerade noch rechtzeitig quetschte.
Aus dem Wohnzimmer kam Papa geschossen und sah sich suchend um. Da er mich nicht sah, hob er die Nase und versuchte mich zu erschnüffeln.
Ich drückte mich tief in meine Ecke, doch was half das gegen eine Hundenase. Papa kam wieder auf mich zu. Allerdings versperrten ihm die Möbel den Weg zu mir. Doch nur für kurze Zeit. Er steckte seine Schnauze in die Lücke zwischen den Schränken und drückte diese einfach auseinander. Bei seiner Größe war das ein Kinderspiel. Es dauert nur etwas länger.
Allerdings waren die Schränke ja teilweise gestapelt. Durch das auseinanderdrücken verrutschten einige der oberen Schränke und begannen zu kippeln. Irgendwann kippte einer herunter und zerschellt krachend vor meiner Nase.
“Was ist denn da los?”, rief die Frau des Hauses und kam in die Küche.
“Evan, was machst du denn da, du verdammter Köter?”, schimpfte sie mit Papa und gab ihm einen Tritt. “Schere dich hinaus, wo du hingehörst und lass die Welpen in Ruhe.” Mit einem weiteren Tritt trieb sie ihn hinaus. Er warf mir noch einen bitterbösen Blick zu, bevor er floh.
“Komm her Gismo, ist dir was passiert?”, fragte sie. Dabei schob sie die Schrankteile beiseite und zog mich hervor. Dann untersuchte sie mich. Mir ging es gut. Daher setzte sie mich ab und schob auch mich hinaus.
Auf dem Hof wartete Papa schon auf mich. Zum Glück stand die Hausfrau noch auf der Treppe und beobachtete uns. Daher wurde ich erstmal nur mit Ignoranz bestraft und Papa stolzierte an mir vorbei, als wäre ich Luft.
Da die Frau natürlich nicht lange dort stehen würde, sah ich zu, das ich weg kam. Ich hatte keine Lust, Papa heute noch mal zu begegnen, daher ging ich nicht zu den anderen Hunden sondern wieder zurück in den Stall.
Die nächsten zwei Tage ging ich Papa aus dem Weg. Daher war ich fast nur bei Petra. Doch am zweiten Morgen nahm mich die Hausfrau zur Seite und nahm mich mit ins Haus. Dort sammelte sie das Stroh aus dem Fell, machte mich etwas sauber und legte mir ein Halsband um. Danach durfte ich sogar ins Wohnzimmer. Ich konnte das Privileg allerdings nicht richtig genießen, da ich nicht wusste, was ich davon halten sollte.
Kurz nach Mittag kamen dann fünf fremde Menschen. Ein Pärchen im mittleren Alter, eine junge Frau sowie ein Junge und ein Mädchen im Tenageralter. Diese kamen in die Küche und setzten sich dort. Sie wirkten recht nett. Dennoch war mir nicht ganz wohl dabei, nun geholt zu werden. Warum auch immer. Sie hatten mir ja nichts getan. Auch fühlte ich mich der Frau irgendwie sehr verbunden.
Die Frau nahm mich vorsichtig auf den Arm und streichelte mich. Jetzt kamen auch Mama und Papa herein. Mama stupste mich kurz an und holte sich dann von den Fremden ihre Streicheleinheiten. Papa ignorierte mich komplett und bestieg die junge Frau. Die Chefin versuchte ihn wegzuziehen, doch Papa war zu stark. Erst als der fremde Mann ihr half, schafften sie es gemeinsam. Papa durfte dann raus. Irgendwie war ich darum nicht böse.
Die Fremden und meine Menschen unterhielten sich eine Weile und tranken dabei Kaffee. Ich konnte die ganze Zeit auf dem Schoß der Frau sitzen, die mit mir schmuste. Geil.
Irgendwann wurde noch etwas Schreibkram erledigt, dann erhoben sich die Fremden. Ich wurde ganz traurig, da ich erwartete, daß ich nun wieder in den Hof kam. Dann wäre das schöne streicheln für immer vorbei. Und ich fand dass doch soooo schön. Aber es sollte ganz anders kommen.
Zu meiner Überraschung behielt mich die Frau auf dem Arm. Das allein verwirrte mich schon. Als die Fünf nun aber auch noch mit mir den Hof verließen und zu einem Auto gingen, packte mich die Angst. Was geschah denn hier? Wurde ich entführt? Doch Mama begleitete mich ja. Alles richtig komisch. Am Tor angekommen drängelte sich Mama dann an uns vorbei und rannte los. Die Hausfrau rief noch: “Haltet sie auf!“, doch es war zu spät. Mama gab Hackengas. Schon war sie um die nächste Ecke verschwunden. Die Hausfrau lief sie rufend hinterher. Sie musste Mama ja wieder einfangen.
So kam es, dass mich keiner verabschiedete, als mich die Fremden ins Auto setzten. Sie sahen sich zwar noch mal nach den hiesigen Menschen um, aber es war niemand mehr da. Schultern zuckend setzten sie sich und mich ins Auto. Ich verstand noch immer nicht, was hier passierte Ich wollte hier raus, auf den Hof zurück und in mein Versteck bei Petra. Ich hatte große Angst, dennoch ging nun die Fahrt los. Es war die Fahrt in ein neues Leben.

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