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geschrieben von Bernhard Montua.
Veröffentlicht: 12.10.2022. Rubrik: Unsortiert


Die Käfer

Die Käfer
von
Bernhard Montua


Es war an einem sonnigen Sonntag, als seine Tochter Susanne mit dem Marienkäfer zu ihm kam und ihm freudig die vier sehr gleichmäßigen Punkte auf dem Rücken des dicken roten Käfer zeigte.
„Das bedeutet, dass wir ganz viel Glück haben werden Papa“, sagte sie strahlend und versuchte den Käfer auf ihrem Handrücken nicht weg laufen zulassen,
der aber breitete seine kleinen Flügel aus und flog in einer eleganten Kurve in Richtung des geöffneten Fensters davon.
In diesem Sommer fanden sie so viele Marienkäfer wie nie zuvor. Susanne fing einige von ihnen, baute für sie unter der großen gläsernen Salatschüssel eine kleine Stadt aus Lego Steinen und beobachtete sie, wie sie durch die gebauten Straßen und Häusern krabbelten. Sie gab ihnen Namen von ihren Freunden und auch die Eltern bekamen Käfer, die ihre Namen trugen.
Der Herbst kam und fast mit dem ersten fallenden Blatt, das sich auf den Rasen vor ihrem Haus legte, verschwanden die Käfer spurlos, als wenn sie jemand gerufen hätte.
Ihm war das eigentlich ganz recht, denn obwohl er seiner Tochter den Spaß mit den Käfern gönnte, wurden sie im Laufe des Sommers auch immer lästiger. Sie fanden sie in Getränken und auf dem Essen, ja sogar in der Kleidung hatten sie ihre Verstecke gefunden.
Zu Beginn nahm er nur manchmal einen Käfer zwischen Daumen und
Zeigefinger und zerdrückte ihn, es machte ein leises aber doch deutlich hörbares knack. Dann wurden es mehr und mehr Käfer die er knackte, ja er stapelte förmlich Leichenberge in seinen Aschenbecher.
Es war Anfang Dezember und ein schwerer Sturm tobte in der Nacht über die kleine Stadt hinweg; er entwurzelt Bäume, deckte ganze Dächer ab und der Strom fiel aus.
Auch sein Haus wurde beschädigt. Ein Ast vom Baum aus dem Garten seiner Nachbarn krachte in das Kinderzimmerfenster im oberen Stockwerk und zerstörte nicht nur die Scheibe, sondern riss auch den Fensterrahmen aus dem Mauerwerk.
Sie hörten das entsetzte Schreien von Susanne und rannten mit einer Taschenlampe bewaffnet hinauf. Das gelbliche Licht der Lampe schnitt einen schmalen Streifen aus der Dunkelheit und gab den Blick frei auf das Chaos, das in dem kleinen Zimmer herrschte.
Auf dem Bett saß seine schreiende Tochter.
Der große kahle Ast ragte in den Raum wie eine überdimensionierte Kralle und der Sturm ließ die wehenden weißen Vorhänge wie riesige Flügel erscheinen. Er und seine Frau versuchten, den Ast aus dem Fenster zu entfernen und das Fenster notdürftig zu schließen, da fiel der Lichtstrahl auf das Nest. In dem Hohlraum, der sich hinter dem heraus gebrochenen Fenster gebildet hatte, sahen sie eine große schwärzliche, langsam wabernde Masse. Er schätze, dass es tausende von Käfern waren.

Seine Frau die beruhigend auf seine Tochter einredete, rief ihm gegen den Sturm anschreiend zu: „Hol` den Staubsauger und sauge das Viehzeug einfach weg!“
Er rannte die Treppe runter und kam mit dem Staubsauger wieder, den er wie eine Waffe auf das Übel richtete. Er saugte das ganze Nest bis auf den letzten Käfer ein. Es hörte sich an, als wenn er kleine Kieselsteine einsaugen würde.
Er brachte den Staubsaugerbeutel in die Mülltonne vor dem Haus, dann dichten sie das Fenster so gut es eben ging ab, schlossen die Tür und gingen zu Bett in dem Gefühl, den Sturm und die Käfer besiegt zu haben.
Als er am nächsten Tag vor das Haus trat, sah er, wie aus der Mülltonne eine lange Schlange von Käfern sich zielstrebig auf das Haus zu bewegte. Er erstarrte. Dann fing er an, mit seinen dicken Winterstiefeln auf die Käfer zu treten; er zermalmte hunderte von ihnen.
Für seine Nachbarn sah es aus, als würde er tanzen und sie riefen: „Hast du was zu feiern?“
„Ja, “ schrie er schon völlig außer Atem, “Ich werden siegen!“
Er rannte zurück ins Haus und schloss krachend die Tür. Der Krieg hatte begonnen.
Zuerst kämpften sie noch gemeinsam gegen die Käfer, aber schon bald zogen seine Frau und die Tochter aus und er nahm den Kampf alleine auf.
Lange stand es unentschieden. Er vernichtete Tausende von ihnen, doch wenn er nach kurzem Schlaf erwachte, waren neue Heerscharen von Käfern einem unbekannten Ruf zur Mobilmachung gefolgt.

Er setzte chemische Waffen ein, die aber ihm mehr schadeten als den Käfern. Er aß kaum noch etwas und schlief immer weniger, seine Gesundheit verschlechterte sich rapide.
Als die Übermacht der Käfer drohte zu siegen, griff er zu einer verzweifelten Maßnahme; er schaufelte so viele Käfer wie nur möglich in die eine Hälfte des Hauses, übergoss sie mit Benzin und zündete sie an. Er erfreute es sich lange an den wie Puffreis hüpfenden und dann zerplatzenden Käfern.
Das halbe Haus stand in Flammen bevor die Feuerwehr das Feuer löschen konnte.
Völlig erschöpft zog er sich in das letzte unbeschädigte Zimmer zurück, legte sich auf das dort aufgestellte Bett und schlief sofort ein.
Als er erwachte wusste er nicht wie lange er geschlafen hatte, ihm war schrecklich heiß. Seine Haut fühlte sich an, als wenn sie von tausenden kleinen Nadeln gestochen würde. Er versuchte die Augenlider zu öffnen, aber seine Lieder waren verklebt. Er rieb heftig mit den Finger an seinen Augen, dabei hörte er das leise: knack, knack. Der Saft der zerquetschten Käfer brannte wie Feuer in seinen Augen und ein beißender Geruch nach Essig stach in seine Nase.
Als er es endlich schaffte, seine Augen zu öffnen, sah er im trüben Mondlicht, das durch die Vorhänge schimmerte, das Grauen.
Er lag in einem Meer von Käfern, das den ganzen Boden des Raumes in einer Höhe von einem Meter bedeckte. Er versuchte zu schreien, aber nur ein heiseres Röcheln kam aus seiner Kehle.
Mit einer letzten Kraftanstrengung versuchte er aufzustehen doch er rutschte auf der schleimigen Masse der zertretenen Käfer aus und fiel in die wabernde Flut. Er atmete schwer und sog dadurch immer mehr und mehr Käfer in Mund und Nase, bis er langsam, ganz langsam, an der krabbelnden Käfer Masse erstickte.
Das Letzte was er sah, war ein besonders großer Käfer mit vier sehr gleichmäßig verteilten Punkten, der auf seiner Nasenspitze triumphierend thronte.

Epilog
                  
Die Frühlingssonne wärmte schon angenehm und der Mann der es sich in einem Gartenstuhl bequem gemachte hatte, sah mit Stolz auf sein erst kürzlich fertig gestelltes Haus.
Er hatte das Grundstück sehr günstig von einer Witwe erworben. Dann das alte, halb verfallene Haus abreißen lassen und sein Traumhaus gebaut.
Er blinzelte in die Sonne und sah auf den gepflegten Rasen und die schönen alten Bäume die den Garten schmückten, als er einen großen Marienkäfer mit vier sehr gleichmäßig verteilten Punkten entdeckte, der langsam, aber doch sehr zielstrebig auf seinen Handrücken krabbelte…

- Ende -

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Gari Helwer am 14.10.2022:

Horror pur, mit einer Prise Sadismus... Gruselig, abstoßend - dennoch kann ich der Geschichte eine gewisse Faszination nicht absprechen! ;-) LG

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