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3xhab ich gern gelesen
geschrieben 2020 von Andreas Schmieger.
Veröffentlicht: 17.12.2022. Rubrik: Nachdenkliches


Engel Sachen eben

Engel Sachen eben
23.Dezember
Herr Karlsson stieg genervt aus dem Auto, ganze 20 Minuten hatte er dank dem Schneegestöber länger gebraucht. Und jetzt musste er auch noch den Weg vor seinem Haus räumen, als hätte er das nicht schon morgens in aller Eile gemacht. Er wühlte sich durch den hohen Neuschnee zum Haus, tauschte seine Anzugschuhe gegen die Winterstiefel, schnappte seine Schaufel und legte los. Wie er es hasste, Unordnung, der Weg musste immer frei sein.
Gerade wollte er sich an die letzten Meter machen als er den Schneemann entdeckte. Die Nachbarskinder, diese Gören, bauten dieses dämliche Ding natürlich nicht in ihrem Garten, nein...... nein genau zwischen rein. Und er guckte auch noch mit seinen dummen großen Augen in seine Richtung. Herr Karlsson stapfte mürrisch hinüber und fällte ihn mit seiner Schaufel. Er grunzte zufrieden. Natürlich hatte er die entsetzten Kinderaugen gesehen, die aus dem Fenster des Nachbarhauses linsten, dennoch drehte er sich unbeeindruckt um. Zu seiner Überraschung war der restliche Weg bereits befreit.
„Guten Tag Herr Nachbar, ich war gerade schon dabei und da dachte ich, dass bisschen mehr kann, ja wohl auch nicht schaden“, Herr Andersson winkte freundlich herüber.
„Ah, na wenn das so ist“, brummte es zurück. Das musste er sich genau ansehen, meistens räumte dieser Nachbar immer viel zu ungenau, am schlimmsten war es, wenn seine Kinder dabei halfen. Kritisch begutachtete er das Werk und machte sich dann ohne ein weiteres Wort daran Herr Anderssons Arbeit zu verbessern. Kopfschüttelnd ging dieser weg. Versuchten sie doch alles, um es Herrn Karlsson recht zu machen, nachdem sie das nebenstehendem Hause bezogen hatten, aber er schien sie einfach nicht leiden zu können.

Als der ganze Weg akribisch geräumt war ging Herr Karlsson in seine warme Stube, machte sich einen Tee, steckte sich seine Pfeife an und ließ sich erschöpft in seinen Schaukelstuhl fallen.

„Puh, das stinkt“
„Was stinkt?“ fragte er verwundert. Halt, wer hatte überhaupt mit ihm geredet? In seinem Haus. Verdutzt schaute er um sich und erblickte auf dem Tisch ein kleines Wesen. Kaum größer als eine Hand, mit goldenen Locken und kleinen Pausbäckchen.
Nein das konnte nicht sein, er rieb sich in den Augen, zog kräftig an seiner Pfeife und schaute erneut. Er hatte noch nie an Märchen geglaubt, geschweige denn an Engel. Aber Tatsache, dort saß einer.
„Könnten sie bitte dieses Ding ausmachen?“ piepste der kleine Engel mit einem zarten, glockengleichen Stimmchen.
„Ich darf ja in meiner Wohnung wohl machen, was ich will“, knurrte es zurück.
„Bitte“, der kleine Engel musste vor lauter Rauch schon nach Luft schnappen.
„Wie in den ganzen Weihnachtsgeschichten, dem Engel sind seine Flügel gebrochen und er kann nicht weiterfliegen?“, grunzte Herr Karlsson verächtlich hervor, drückte aber zu seiner eigenen Überraschung die Pfeife aus: „Richtig?“

„Pah“, der kleine Engel schnaufte wütend: „Ich habe mir noch nie die Flügel gebrochen!“
„Na was machst du dann noch hier, sieh zu, dass du verschwindest, ich habe keine Zeit für Engel“
„Und was Besonderes hast du vor?“
Herr Karlsson war erstaunt, geschäftlich wurde er nie hinterfragt, schließlich war er der Chef und privat, tja da gab es niemanden.
Widerwillig erwiderte er: „Dann habe ich halt einfach keine Lust auf Engel“
Das Engelchen vergrub sein Gesicht für einen kurzen Moment in seinen Händen und überlegte.
Mit einem Satz in die Luft flatterte er los, setzte sich prompt auf die Schulter des mürrischen Mannes und zwickte ihm in sein Ohr.
„Du mürrischer alter Mann“, er zwickte nochmal und dieses Mal fester: „Immer hast du schlechte Laune“
Herr Karlsson versuchte ihn zu packen aber der Engel war schon längst wieder auf den Tisch geflogen.
Völlig irritiert zog Herr Karlsson nochmal an seiner, längst nicht mehr glühenden, Pfeife. Hatte es doch schon seit einer Ewigkeit keiner mehr gewagt ihn zu kritisieren, beziehungsweise ihn zu beleidigen.
Gerade das reizte ihn, endlich mal keiner der ihn zwar hasste aber nicht ständig so lächerlich freundlich war.
„Hast du einen Namen?“, fragte er, denn auf die Beleidigungen eingehen wollte er nicht.
„Fridolin, du knurriger Einsiedler“
„knurriger was?“
„Einsiedler, oder allein Siedler, ja das passt wohl besser“
„Und das ist was?“
Fridolin antwortet nicht, hielt sich am Henkel der Tasse fest und versuchte etwas daraus zu schlürfen.
„Au“, er quietschte auf: „Das ist ja verdammt heiß“
„Das hat Tee so an sich“
„Und da warnst du mich nicht“, erneut schnaufte er wütend aus, seine Bäckchen färbten sich rot und er schaute Herrn Karlsson verdrossen an.
„Du musst ja auch nicht aus meiner Tasse trinken!“, stänkerte dieser zurück: „Ich konnte ja nicht wissen, dass du das nicht weißt...“
„Entschuldigung angenommen“, Fridolin grinste: „So, ich sollte aber gehen, ich habe noch viele Dinge zu erledigen, bevor es Weihnachten wird.“

„Was für Dinge hast du denn zu erledigen“´?

„Engel Sachen eben“, der kleine Engel flatterte hinüber zum Kamin, durch den er auch hineingekommen war.

„Aber, bleib noch ein bisschen“, es überraschte Herr Karlsson selbst, aber er genoss es mal wieder mit jemandem wirklich zu reden.

„Ich habe sonst niemand mit dem ich reden kann“, er seufzte.
Herr Karlsson war nicht glücklich. Besonders um diese Jahreszeit. Alle Welt freute sich auf Weihnachten, die Menschen stürmten die Läden und kaufte in Vorfreude Geschenke. An den Sonntagen konnte er die Nachbarn sehen wie sie zusammen um den Adventskranz saßen und sich freuten eine weitere Kerze anzuzünden. Nur er freute sich nicht, über die Feiertage hatte er nichts zu tun und fühlte sich umso einsamer. Vor Jahren hatte er seine Frau verloren, und seitdem ergab sich jedes Jahr das gleiche Szenario.

„Die Leute mögen mich nicht“, fügte er hinzu.
Fridolin drehte sich zu ihm zurück: „Das stimmt nicht, du hast nur verlernt es zu erkennen.
Herr Karlsson schwieg. Hatte der kleine Engel recht? Nein das konnte nicht sein, ständig nervten sie ihn.

„Es gibt da einen Mann, der die Nachbarn nie grüßt, seine Mitarbeiter fertig macht, kleinen Kindern den Schneemann zerstört, Fußbälle versteckt, Plätzchen der Nachbarin wegschmeißt und sich über geräumte Wege beschwert. Und dieser Mann hat mir mal erzählt, dass die Leute ihn nicht mögen.“
Fridolin lächelte: „Es ist wie mit einer Blume, eine Blume, die wenig Wasser braucht. Die Menschen wissen das nur nicht und gießen und gießen. Die Blume ist überfordert, kann nicht blühen und das, wo doch jede Blume so gerne blüht. Könnte die Blume, würde sie den Menschen sagen, wie sie behandelt werden möchte. Und als Dank wäre sie bereit alle ihre schönen Farben zu zeigen. Dann geht es der Blume besser“

Fridolin schaute Herrn Karlsson in die Augen, sehr lange, als warte er auf eine bestimmte Antwort: „Ich glaube du bist diese Blume“.
Aber Herr Karlsson schwieg.

Er steckte sich seine Pfeife an und während er einen starken Zug genoss, kullerte ihm eine Träne über die Wange. Er schaute zum Engel und wollte etwas sagen, doch dieser war bereits nicht mehr da.


24. Dezember
Herr Andersson musste heute noch arbeiten. Oh, hatte ihn das aufgeregt, aber sein Chef war stur geblieben. Als er die Haustür öffnete, wehte ihm der Schnee schon ins Gesicht. Erneut hatte es eine Unmenge an Neuschnee gegeben. Weder Lust noch Zeit hatte er, um jetzt seinen Weg vor dem Haus zu räumen. Dennoch packte er sauer seine Schaufel und stapfte hinaus.

Der Weg war geräumt. Verblüfft schaute er sich um, nein seine Kinder schliefen noch da war er sich sicher, aber der Schneemann stand wieder. Er schüttelte den Kopf stellte die Schaufel neben die Tür und entdeckte dabei die Karte, die am Boden lag. Und gerade als er sie aufheben wollte, sah er Herr Karlsson, der freundlich herüberwinkte.

Fridolin lächelte zufrieden, er hatte seine Arbeit für dieses Jahr erledigt. Mit einem Satz erhob er sich in die Luft und kämpfte sich gegen die großen Schneeflocken in Richtung Himmel.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Gari Helwer am 18.12.2022:

Sehr nette Geschichte, Andreas! - Ich musste gleich an "Mr. Scrooge" denken... LG




geschrieben von Christelle am 18.12.2022:

Stimmt, die Geschichte erinnert an Charles Dickens. Hier verwandelt der kleine Engel einen mürrischen Zeitgenossen in einen liebenswerten Menschen, gern gelesen!

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