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5xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von Erzähloma.
Veröffentlicht: 11.06.2023. Rubrik: Historisches


Fünfzig goldene Rosen

Lasst mich heute wieder eine Geschichte von früher erzählen, eine, die Anno Dazumal begann. Ob sie als 'historisch' gelten kann? Eigentlich dreht sie sich nur um kleine Leute, um welche, die keine Geschichte geschrieben haben. Oder doch?

Früher, in meiner Kindheit, als das große Riesenrad noch eine große Sensation war auf der Kirmes, gefolgt vom 'Calypso' bei dem bunte Gondeln auf einer sich drehenden Scheibe selbst rotieren konnten, die Drehrichtung selbstgesteuert wurde vom Insassen, den es hin und her schleuderte, damals war auch der Schießstand noch eine Attraktion für uns, als wir endlich zwölf waren und dort anlegen durften.

Besonders dem Buben stand dies zu, während das Mädchen lieber auf dem Topogan rutschen, oder den Flöhen im Flohzirkus zusehen sollte. Und mein Bruder schoss gerne, hatte er doch im heimischen Keller mit dem Luftgewehr das Zielen geübt. Besonders auf Plastikblumen hatte er es abgesehen, auf Rosen in jeglicher Farbe. Es gab gelbe, rote, schwarze, sogar goldene Rosen waren aufgesteckt. Das brachte ihn auf die Idee, zu Ehren meiner Großeltern fünfzig goldene Rosen eigenhändig zu schießen, als Gewinn nach Hause zu tragen; denn sie hatten fünfzig lange Ehejahre miteinander verbracht, miteinander ausgehalten, feierten ihre 'Goldene Hochzeit'.

Um die grüne Hochzeit hatten sie nicht viel hergemacht. Im Hause meiner Großtante hatte das Paar sich kennengelernt, die Adeline, die in der Ukraine aufgewachsen war, und mein Opa, der Kurba, der vom Dachauer Land stammte.

Kurba nannten sie ihn, denn bei den Bauern auf dem Land gab es seltsame Gebräuche. Dass ein Korbinian zum Kurba wurde, geht sich recht geläufig an. Aber eine Walburga zur Walb, und eine Vikoria zur Vik (sprich …..... , aber das wäre jetzt nicht jugendfrei), habe ich nie verstanden. Die Vik hatte den Simmer geheiratet. Immer dachte ich, er wäre das siebte Balg einer kinderreichen Bauernfamilie gewesen, die sich keine Gedanken mehr über Namen gemacht, stattdessen ihre Sprösslinge der Einfachheit halber bloß noch durchnumeriert hatte. Zu ihrer Ehrenrettung muss ich gestehen, dass meine kindliche Interpretation doch nicht zutraf, und dieses gestandene Mannsbild ein Simon war. Die Familie meiner deutschrussischen Oma war aus heutiger Sicht moderner, bei ihnen wurden die Namen ausgesprochen. Schöne, seltenere Namen brachten sie mit in die bayerischen Landen; es gab eine Alwine und einen Theodor.

Meine Oma war eine Näherin in einem schicken Dirndl-Laden, heute würde es womöglich als Landhaus-Mode bezeichnet werden. Aber nein, sie nähte Dirndl im alten, traditionellen Stil, von Hand eingesäumt. Weiße, ausgeschnittene Spitzenblusen und natürlich die bunten Schürzen aus feiner Seide durften nicht fehlen. Ihr Lebtag lang saß sie in Heimarbeit an ihrer Nähmaschine bis spät in die Nacht.

Der Kurba war zusammen mit einigen seiner Geschwister vom Land in die große Stadt gezogen. Eigentlich war er ein gelernter Metzger, doch das reichte ihm nicht, er wollte höher hinaus. Ein jeder von ihnen träumte davon, gab alles dafür, sich ein eigenes Häuschen zu schaffen mit einem Garten. Grundstücke waren damals billig zu erwerben, in einem ehemals unbedeutenden Vorort der Stadt, der sozusagen außen vor, noch längst nicht eingemeindet war. Die Walb war die erste, die verstädterte. Einen Sepp hatte sie geheiratet, von ihrer kleinen Gärtnerei lebten sie ein bescheidenes Dasein. In zwei Zimmern lebten sie, ohne Bad, doch immerhin mit einem Vorhäusl, an das ein Plumpsklo angebaut war. Ein richtiges Klo, kein Brett mit einem Loch drin, das galt für sie damals als ein Luxus. Die anderen Zimmer vermietete sie. Die Adeline kam bei ihr als Zimmermädchen unter. Dort haben sie sich kennengelernt, meine Großeltern, haben sich verliebt.

Ihr Leben lang haben sie für ihr Haus gelebt, sich ihren Wunschtraum erfüllt. Ein großes Grundstück haben sie zunächst gekauft, die vier Geschwister mit ihren Partnern. Geteilt haben sie dieses, und in jede Hälfte ein Haus reingebaut, einfache Häuser Marke Eigenbau, wie gesagt, von denen sie dann eines mit gutem Gewinn veräußern konnten. Weder Feierabend gab es, noch ein freies Wochenende. Mit ihrer eigenen Hände Arbeit haben sie es geschafft, heute eigentlich unvorstellbar. Material haben sie sich über ihren Chef besorgen können, ausgehoben wurde mit der Hand, das eine oder andere Gerät konnten sie sich ausleihen. Denn ihr Chef meinte es gut mit ihnen, waren sie doch sehr geschickt und fleißig, kannten sich aus, interessierten sich, lernten so als ungelernte Maurer, wie ein Haus zu bauen ist.

Ihr Ziel haben sie erreicht, mein Opa erwerkelte sich sogar ein Zweifamilienhaus mit Walmdach und einem großen Garten drumrum, den er wie einen Schlosspark anlegte, einen schattigen. Schattig musste er sein, mit vielen großen Bäumen darin. Dort hat meine Mutter eingeheiratet, dort sind wir aufgewachsen, mein Bruder und ich.

War es eine gute Ehe, die meine Großeltern führten? Früher hat keiner danach gefragt. Zu reden und tratschen hatten sie schon immer etwas. Sie ereiferten sich gerne über die Schlagzeilen in der Zeitung, schimpften über die Politik, beim nachmittäglichen Kaffee mit selbstgebackenem Königskuchen. Diese mit ihnen verbrachten Stunden waren schon sehr gemütlich.

Und als Dank für diese Zeit schoss ihnen mein zwölfjähriger Bruder die fünfzig Plastikrosen, die im Treppenhaus mit Thuja, nebst Tannengrün, im Bogen für die Jubilare arrangiert wurden, in einem goldenen Bogen, den sie feierlich durchschreiten mussten.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Gari Helwer am 14.06.2023:
Kommentar gern gelesen.
Habe ich sehr gerne gelesen!!!




geschrieben von Erzähloma am 14.06.2023:

Danke dir Gari, das freut mich!

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