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geschrieben von Weißehex.
Veröffentlicht: 13.08.2023. Rubrik: Unsortiert


Mit Zachy auf dem Sommerfest - 3. und letzter Teil

„Geben Sie es schon zu, Herr Grabner. Sie haben die junge Frau umgebracht." Der Ermittler von der Sonderkommission, die für den Fall Natalie eingerichtet worden war, betrachtete ihn abschätzend.
Matthias schwitzte. An der Decke baumelte eine nackte Glühbirne. Um dem Kommissar - oder was immer er war - ins Gesicht zu sehen, musste er genau ins Licht sehen. Der Raum selbst erinnerte an ein Gefängnis: karg in der Einrichtung - ein Tisch, drei Stühle - und eine schwarz gestrichene Wand. Ein Fenster war nicht zu sehen, noch nicht mal ein vergittertes. Wenn er gestand, würde er die nächsten Jahre in einem solchen Raum verbringen müssen. Er schauderte.
„Ich habe sie nicht umgebracht", sagte er mit fester Stimme. „Sie haben ja nicht mal eine Leiche."
„Und Sie glauben, das hilft Ihnen? Für einen Prozess brauchen wir keine Leiche. Da reichen Indizien. Und Zeugenaussagen."
Der Typ bluffte doch.
„Welche Zeugenaussagen?", krächzte Matthias und merkte, dass seine Stimme völlig heiser war.
„Ihr Freund Zachy hat ausgesagt, dass Sie als Letzter an dem Abend mit Natalie geredet haben."
„Stimmt nicht", wollte Matthias sagen, aber er brachte kein Wort heraus. Dann versuchte er zu schreien. „Ich war es nicht! Zachy war es! Zachy war es! Zachy war es ..." Seine Stimme ging in ein gurgelndes Geräusch über, und das Bild des Ermittlers löste sich vor seinen Augen auf. Matthias sah sich verwirrt um, ehe er begriff, dass alles ein Traum gewesen war. Er befand sich in seinem Zimmer im Studentenwohnheim, lag im Bett, und was er als gurgelndes Geräusch interpretiert hatte, war das Klingeln des Weckers. Er griff nach ihm und hätte ihn beinahe geküsst. Noch nie war er seinem Wecker so dankbar gewesen.

Inzwischen war das Sommerfest einen Monat her, und Natalie war noch nicht wieder aufgetaucht. Es gab auch kein Lebenszeichen, keinen Anruf, keine SMS, weder Brief noch Postkarte. In der Stadt hingen nun richtige Plakate mit ihrem Foto und der Frage, ob sie jemand gesehen habe. Auf dem Campus hatte man in den letzten Wochen von nichts anderem mehr gesprochen, aber niemand wusste wirklich etwas. Matthias und Zachy hatten sich als Zeugen bei der Polizei gemeldet und ausgesagt, dass sie Natalie am Abend des Sommerfestes das letzte Mal gesehen hatten. Das war jetzt eine Woche her. Danach hatten sie sich vor dem Polizeirevier getroffen, waren zusammen in die Stadt was trinken gegangen und hatten sich mächtig verkracht. Matthias hatte Zachy nach der Sache mit Judith gefragt, und Zachy hatte bestritten, Judith überhaupt näher zu kennen, er habe noch nicht mal drei Worte mit ihr gewechselt. Wie sie auf diese lächerliche Sache mit der Nacht mit ihm gekommen sei, sei ihm absolut schleierhaft.
„Aber du hattest wirklich etwas mit Nathalie", hatte Matthias spöttisch gesagt. „Die Polizei hat sich sehr dafür interessiert."
Zachy packte ihn am Arm. „Bist du wahnsinnig, hast du das etwa der Polizei erzählt?"
Matthias schüttelte ihn ab. „Natürlich nicht, sie haben nicht danach gefragt. Aber ich glaube es sowieso nicht. Die Geschichte von Judith klingt deiner viel zu ähnlich. Weißt du, was ich glaube? Du hast mit Judtih gevögelt und ihr irgendwas vom Pferd erzählt, damit sie dich danach in Ruhe lässt. Du hast sie nur ausgenutzt. Und mit Natalie hattest du niemals etwas, du hast dir alles ausgedacht und später mir und Judith die Geschichte so erzählt, wie du sie hättest haben wollen."
„Du spinnst ja. Und diese Judith auch. Was kann ich dafür, dass ihr beide nicht mehr alle Tassen im Schrank habt. Weißt du was, Grabner, wir sind geschiedene Leute. Auf einen solchen Freund kann ich verzichten." Zachy ließ ihn stehen und schlenderte hoch erhobenen Hauptes davon.

Matthias dachte jetzt daran zurück, während er Kaffee aufbrühte. Einer von beiden hatte ganz klar gelogen, aber was hatte das eigentlich mit Natalies Verschwinden zu tun? Nichts, gestand er sich ein. Er trank seinen Kaffee aus. Als er die Tür seines Zimmers öffnete, um zur Vorlesung zu gehen, sah er einen zusammengefalteten Zettel auf dem Boden liegen. Er hob ihn auf und faltete ihn auseinander.
„Die Sache ist aufgeklärt", stand in einer klaren Handschrift darauf. „Komm um 10.00 Uhr in die Aula." Unterschrieben war der Zettel mit „Judith."
Matthias wurde flau im Magen. Das konnte nur bedeuten, dass Natalie tot war - sonst hätte die Nachricht gelautet, dass sie wieder aufgetaucht sei und es ihr gut gehe.

Er hatte sich nicht geirrt. Vor der Aula standen zwei Polizeiwagen, alle Plätze waren besetzt. Matthias musste an der Seite des Saales stehenbleiben. Der Direktor der Universität stand auf der Bühne und hielt eine Ansprache.
Natalie war offensichtlich einem Unfall zum Opfer gefallen. Ihre Leiche war aus dem Fluss geborgen worden. Die Untersuchungen hatten ergeben, dass es sich zweifelsfei um Natalie handelte. Die Eltern waren vorab informiert worden. Wie die Sache passiert war, wusste man natürlich noch nicht genau. Die Polizei ging davon aus, dass Natalie wohl in der Nacht des Sommerfestes ein wenig im Fluss waten wollte, dabei ausgerutscht war und von der Strömung mitgerissen worden war.

„Wir werden nie erfahren, wie es wirklich war", sagt eine Stimme neben ihm. Matthias drehte sich um und sah Judith geradewegs in die Augen.
„Das glaube ich auch", sagte er niedergeschlagen. „Warum musste das passieren?"
„Ich weiß es nicht", antwortete sie schlicht.
„Hast du Zachy auch eine Nachricht geschrieben?" Er hatte seinen Freund - auch wenn dieser das nicht mehr sein wollte - nirgendwo gesehen.
Judith schüttelte den Kopf. „Nur dir. Aber ich denke, er wird es auch so mitbekommen haben." Sie deutete auf die besetzten Plätze. „Die Ansprache vom Direktor ist überall in den Hörsälen angekündigt worden."
„Vielleicht war er gar nicht im Hörsaal. Manchmal nimmt Zachy es mit den Vorlesungen nicht so genau, vor allem morgens."
Dann schwiegen sie beide.
Und Matthias dachte, dass nie mehr etwas so sein würde, wie es früher einmal gewesen war.

- Ende -

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