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geschrieben von nignolde.
Veröffentlicht: 28.10.2023. Rubrik: Unsortiert


Pascals Experimente.

Niemand, der mit dem Fall beschäftigt gewesen war, oder davon gehört hatte, konnte ihn vergessen, da er wirklich außergewöhnlich war. Nicht der Chef, nicht ein Kollege, Leute, die es vom Hörensagen kannten, Journalisten... Doch halt, dieser Chef war ja auch gestorben.
Auch dem Pathologen, Dr.Jean Lefèvre, der damals die Obduktion vorgenommen hatte, blieb der Fall als einer der seltsamsten in Erinnerung, obwohl er schon viele sehr merkwürdige Fälle erlebt hatte.
Er erzählte es damals einem alten Studienfreund, Dr.Pierre Moreau, der als Allgemeinarzt praktizierte.
Das Außergewöhnliche des Falles war nicht der Tod durch einen starken Stromschlag und auch nicht die Verbrennungen an Fingern, sondern die fast unglaubliche Geschichte, wie es dazu kam.
Im "Ratskeller" der Stadt unterhielten sie sich nach einem ausgiebigen Abendessen und einem Krug Bier aus der Hausbrauerei.
"Als ich den Bericht über den Toten las, glaubte ich in den ersten Momenten, dass das, ich muss es jetzt so sagen, eine Art Falschmeldung oder sogar Verarschung sein müsse", so begann Lefèvre seine Erzählung über den Fall.
Dann fuhr er fort: "Er hieß Jules Martin und war ein höher gestellter Mitarbeiter von Pascal Dubois, einem Inhaber einer großen Technik-Firma. Dubois, bekannt für seine ausgefallenen Ideen, hatte sich etwas Neues ausgedacht: er fing an, mit Elektrizität in Verbindung mit Essen zu experimentieren; er wollte durch diese Kombination den Geschmack verfeinern oder intensivieren. Er konnte vier Mitarbeiter seiner Firma zum Mitmachen bei diesen Experimenten gewinnen. Er fand vor allem einen eifrigen Fan dieser Aktivitäten in seinem Mitarbeiter Jules Martin."
Pierre hörte Jean aufmerksam zu und sagte: "Sowas! Ist das nicht gesponnen? Was genau haben die denn gemacht?"
Sie duzten sich schon seit jeher: "Du hast recht, also pass' auf, ich sag's dir!" entgegnete Jean und erzählte weiter: "ein ganz bestimmter Anlass brachte Dubois dazu, herausfinden zu wollen, ob sich der Geschmack von Speisen, die man mit ganz geringem elektrischen Strom verbindet, verbessern lässt, wie ich gerade schon erwähnt habe. Er fing an mit Suppe, also tatsächlich sozusagen mit darin hineinhängenden kleinen Kabeln, die dann zu verkosten war. Er hat mit allem Möglichen experimentiert: Gemüse, Kuchen, zuletzt sogar Fleisch. Einmal hat er an einem Schweinerippchen den Draht am Knochen angebracht. Das Experiment ist aber misslungen; der Strom wurde nicht weitergeleitet. Ein andermal hat er sogar jeweils ein Kabel an Messer und Gabel befestigt; das wurde aber nicht weiter praktiziert, da so essen für jeden Essenden zu unbequem war."
Kopfschüttelnd hörte Pierre die ganze Zeit zu und fragte dann: "Und? Konnte man den Geschmack der Speisen verbessern?"
Breit grinsend antwortete Jean: "Die Aussagen der vier Tester waren oft sehr unterschiedlich, also von keinerlei Unterschied bis besser, aber auch bis schlechter. Kommen wir nun zum Ende vom Lied, aber dann auch noch zum Anfang diese Blödsinns." Nach kurzem Räuspern gings weiter:"Dubois hatte mal ein Buch besessen, eigentlich nur ein Taschenbuch, in dem eine Zeichnung oder Karikatur zu sehen war. Die Zeichnung zeigt einen Mann, an einer Wand stehend und durch ein Lorgnon blickend. Das Lorgnon war mit einem Elektrokabel an einer Steckdose angeschlossen. Wohl allen Betrachtern wird wohl bei der Ansicht der Zeichnung der Gedanke kommen, dass dieses spezielle, nunmehr elektrische Lorgnon eventuell das Sehen noch weiter verbessern könnte. Genau so erging es auch Dubois. Es war bei ihm zu einer fixen Idee geworden und er wollte es probehalber, ja vielleicht auch spaßeshalber auf Essen übertragen und es praktisch ausprobieren. Man hat immer wieder von etlichen seiner Angestellten erfahren, wie ihm diese Zeichnung nicht mehr aus dem Kopf ging und ihn über alle Maßen beschäftigte."
Pierre hatte seinen Krug gerade geleert und fragte: "Und dann ist mit Martin etwas passiert. Was genau?"
"Passiert ist gut", führte nun Jean weiter aus, "bei einem neuen Test sollte Martin einen Kartoffelauflauf essen. Bei diesem Test aber hatte Dubois einen schwerwiegenden Fehler gemacht. Er hatte den Trafo nicht oder falsch eingestellt, so dass sein Angestellter einen gewaltigen Stromschlag erhielt, an dem er starb."
Er machte eine kurze Pause und fuhr fort: "Als Chef konnte er es nicht ertragen, dass er am Tod von einem seiner besten Mitarbeiter schuld war. Er hat sich dann in der darauf folgenden Nacht erschossen".
Beide Docs schwiegen danach etwa eine Minute.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von nignolde am 28.10.2023:

Nicht unwichtige Anmerkung zur Geschichte:
Die Zeichnung gibt es (vermutlich von einem französischen Zeichner/Karikaturisten) in einem Buch wirklich.
Ich bin selbst auf der Suche danach. Vielleicht hat jemand einen schlüssigen Hinweis.


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