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6xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Stephan Heider (Stephan Heider).
Veröffentlicht: 26.02.2024. Rubrik: Nachdenkliches


Ach, altes Haus

Einst lag der mäandernde Weg zu deinen Füßen in glitzernder weißer Pracht aus feinem Kies. Zur Woche nur sanft knirschend, am Sonntage brodelnd unter den nervösen Hufen der Rosse, aufgefordert von den grellen Hörnern, die zur Fuchsjagd bliesen.
Die Hunde peitschten voraus durch das prächtige Tor aus kalter schwarzer Schwere. Nunmehr gramgebeugt und eingehüllt in Feuchtes Fäule. Im Schmutze liegend, sein brüchiges Wappen niedergestürzt von stolzer Spitze.

Aus üppigen Beeten an des Weges Seiten wurde sperriges Gestrüpp, nach allem gierig greifend, dass sich dir nähern will.
Dort liegst du nun vor mir in gebrechlicher Ruhe und hast lange niemanden mehr beherbergt. Deine allerletzte Wärme ausgehaucht, nachdem deine Menschen dich verlassen hatten.

Auf deinen grauen Quadern steigt sie grün auf, die bleierne Zeit aus Nässe und Moos, kriecht langsam hoch und folgt dem ungestüm vorauseilenden Efeu, dass sich bereits Zutritt verschuf durch leere Augenhöhlen in deinen zerfallenden Leichnam.

Schwester Trauerbuche hat sich viel Raum genommen, schwer ihre Arme auf dein Rückgrat gelegt und es dir gebrochen. Dein eingeknickter First warf seine schmucken Schindeln in dein Inneres, so als äßest du in Verzweiflung von dir selbst.

Die Lider deiner einst freundlich leuchtenden Augen hängen traurig am letzten Scharnier, das noch tapfer hält.
Sie haben viele Menschen kommen und gehen sehen, sowohl Gute als auch Schlechte. Manche pflegten dich redlich und schenkten dir gute Jahrzehnte in jener freundlichen Symbiose, für die du geschaffen wurdest.

Die letzten misshandelten dich, bis du verletzt warst, voller unheilbarer Wunden. Sie weideten dich aus und zwangen dich deine eigenen Innereien zu ihrer Wärme zu verbrennen, während dir immer kälter wurde. Irgendwann überließen sie dich deinem Schicksal und der zerstörerischen Kraft der Jahrzehnte, die dich geduldig niederrangen, wie das Meer den Fels.

Nun stehe ich hier vor dir und möchte an dieser Stelle neues erschaffen.
Und während ich dich anschaue und du mir deine Geschichte zuflüsterst, fällt mir ein Tränchen aus dem Augenwinkel.
Du wirst fort sein, doch zuvor weine ich um dich, altes Haus.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Federteufel am 26.02.2024:
Kommentar gern gelesen.
Sehr bildhaft, sehr wortgewaltig, sehr poetisch. Endlich mal jemand, der in alten Häusern nicht nur Abbruch- oder Renditeobjekte sieht, sondern Wesen, die dauerhaft nur in einer Symbiose mit dem Menschen exietieren können, ähnlich den Hunden, die, allein gelassen, verenden, und der dies auch sprachlich herüberbringen kann. Sehr gerne gelesen.
(Zwei kleine Einwände: "Rosse" sind aus der Mode gekommen, "an des Weges Seiten" klingt mir zu gestelzt.
LG, federteufel




geschrieben von Stephan Heider am 27.02.2024:

Lieber Federteufel
Vielen Dank für den schönen Kommentar. Ich freue mich, dass es dir gefällt und bin dankbar für die konstruktiven Anmerkungen.
Das Ganze ist mir recht schnell aus der Feder geflossen und das mag ich auch sehr gerne. Ob es im Detail die Endversion bleibt, wird sich zeigen, aber ich denke über die Rosse und des Weges Seiten nach.
Liebe Grüße, Stephan

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